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Date: Tue, 01 May 2007 21:45:35 +0200
Subject: [Chiapas98] Mexiko-Info aus Poonal Nr. 763 v. 01.05.07
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Poonal Nr. 763 vom 01. Mai 2007

Abtreibungsgesetz in Mexiko-Stadt liberalisiert
Von Wolf-Dieter Vogel

(Mexiko-Stadt, 30. April 2007, poonal).- Die "Lebenschu:tzer" konnten
sich nicht durchsetzen. Trotz massiver Medienkampagnen, Plakatwa:nden
und Morddrohungen hat das Parlament von Mexiko-Stadt am vergangenen
Dienstag (24. April) beschlossen, das Abtreibungsrecht weitgehend zu
liberalisieren. Bis zur zwo:lften Schwangerschaftswoche ko:nnen Frauen
in der mexikanischen Hauptstadt ku:nftig straffrei abtreiben. Wenn die
Betroffenen vergewaltigt wurden, der Fo:tus Missbildungen aufzeigt
oder das Leben der Frau in Gefahr ist, darf auch danach noch eine
Schwangerschaft abgebrochen werden. Fu:r diese Reform stimmten 46
Abgeordnete, 17 Parlamentarier der rechtskonservativen Partei der
Nationalen Aktion (PAN) sowie zwei gru:ne Abgeordnete votierten
dagegen.

Der Abstimmung gingen monatelange Auseinandersetzungen voraus. Vor
allem die katholische Kirchenhierarchie sowie die PAN hatten gegen
den Vorschlag mobil gemacht, der von der in der Stadt regierenden
linksliberalen Partei der Demokratischen Revolution (PRD) eingebracht
worden war. Fu:r die Reformierung des Abtreibungsrechts sprachen sich
neben PRD-Politikern und autonomen feministischen Organisationen auch
Aktivistinnen wie die "Katholikinnen fu:r das Recht auf
Entscheidungsfreiheit" aus. Am Sonntag vor der Abstimmung hatten die
Abtreibungsgegner einen "Pilgermarsch fu:r das Leben" durchgefu:hrt,
kurz zuvor hatte sogar Papst Benedikt XVI dazu aufgerufen, das "Recht
auf Leben" gegen alle Angriffe der "Todeskultur" zu verteidigen. Der
Bischof des Bundesstaates Chiapas verglich die Abtreibungsbefu:rworter
mit Hitler, Abgeordnete, die den Reformentwurf unterstu:tzten,
erhielten Briefe mit Morddrohungen.

Am Tag der Abstimmung schu:tzten mehrere Hundertschaften der Polizei
das Parlamentsgeba:ude vor aufgebrachten Abtreibungsgegnern.
Frauenorganisationen, PRD-Mitglieder und andere Befu:rworter der
Initiative verfolgten auf Grossleinwa:nden die Debatte und feierten die
Liberalisierung des Gesetzes im Zentrum der Stadt mit Live-Musik und
Partys.

Wenige Tage nach Verabschiedung des neuen Gesetzes exkommunizierte
die katholische Kirche Unterstu:tzer der Reform. So zum Beispiel
Marcel Ebrard (PRD), den Bu:rgermeister von Mexiko-Stadt. Auch die
Abgeordneten, die fu:r das Recht auf Abtreibung votierten, wurden aus
der Kirche ausgeschlossen. Der mexikanische Kardinal Norberto Rivera
rief zum Ungehorsam gegen das Gesetz auf.

Ku:nftig haben Frauen, die abtreiben mu:ssen, in Mexiko-Stadt das Recht
auf kostenlose medizinische, soziale und psychologische
Unterstu:tzung. Zudem will die Stadtregierung mehr Informationen u:ber
Gesundheit und Sexualerziehung verteilen. Die Krankenha:user stellen
sich auf eine Zunahme der Eingriffe ein. Experten gehen davon aus,
dass auf die bisher etwa 7000 legal durchgefu:hrten
Schwangerschaftsabbru:che jeweils vier illegale kommen. Die Regierung
spricht von 100.000 Abtreibungen, die in ganz Mexiko ja:hrlich
durchgefu:hrt werden, unabha:ngige Organisationen rechnen mit dem
Fu:nffachen. Die Kriminalisierung der Abtreibung betreffe vor allem
die Unterschichten, erkla:rten Vertreterinnen feministischer Gruppen
und verwiesen auf die hohen Kosten, die mit dem illegalen Eingriff
verbunden sind. Zwischen 2500 und 5000 Pesos (170 bis 340 Euro)
mu:ssen Frauen in klandestinen Kliniken bezahlen, fu:r viele ist das
mehr als ein monatliches Familieneinkommen.

Die Entscheidung wird weit u:ber die Hauptstadt hinaus Signalwirkung
haben. Mexiko ist mit 90 Prozent Katholiken nach Brasilien das Land
mit der weltweit zweitgro:ssten katholischen Gemeinde. In allen
mexikanischen Bundesstaaten gelten bislang strengere Regelungen fu:r
die Abtreibung, als sie nun in Mexiko-Stadt verabschiedet wurden, die
nun in Frage gestellt werden ko:nnten. Denn auch auf bundesweiter
Ebene liegt ein Reformentwurf vor. Der rechtskonservative Pra:sident
Felipe Caldero'n (PAN) hat zwar bereits Widerstand angeku:ndigt, seine
Partei verfu:gt jedoch im Bundesparlament nicht u:ber die no:tige
Mehrheit, um das Projekt zu Fall zu bringen. In der Abstimmung der
vergangen Woche hatten sich neben den PRD-Abgeordneten auch fast alle
Vertreter der dritten grossen Partei, der Partei der Institutionellen
Revolution (PRI), fu:r die Reform ausgesprochen.

In Lateinamerika ist das neue Abtreibungsrecht der mexikanischen
Hauptstadt beinahe einmalig: nur in Kuba, Guyana und im an die USA
angebundenen Puerto Rico sind Schwangerschaftsabbru:che straffrei. In
Chile, Honduras, El Salvador und seit einen halben Jahr auch in
Nicaragua ist der Eingriff unter allen Umsta:nden verboten.

Feministinnen und Vertreterinnen sozialer Bewegungen trafen sich in
Oaxaca

(Oaxaca, 28. April 2007, pu'lsar-cimac-poonal).- Vom 26. bis zum 28.
April trafen sich im su:dmexikanischen Oaxaca Frauen aus Mexiko,
Lateinamerika und den USA, um Erfahrungen im Kampf gegen
Menschenrechtsverletzungen gegen Frauen auszutauschen. Vertreterinnen
aus Argentinien, Kolumbien, Venezuela, Guatemala, Bolivien, Nicaragua
und verschiedenen mexikanischen Bundesstaaten beklagten die
anhaltende Gewalt, der Frauen sowohl von Seiten staatlicher
Sicherheitskra:fte, als auch allta:glich, auf der Strasse und zu Hause
ausgesetzt sind.

Die mexikanische Feministin Pilar Muriedas, eine der Organisatorinnen
des Treffens "Frauen im Widerstand" sagte, die Initiative sei
zustande gekommen,aufgrund der Besorgnis u:ber die Repression gegen
soziale Bewegungen in Mexiko, wie z. B. in San Salvador Atenco und in
Oaxaca sowie in anderen lateinamerikanischen La:ndern. "Wir wollten
aktiv werden gegen die Aggression von Polizeibeamten gegen Frauen in
Oaxaca, die Vergewaltigung von 14 Frauen durch Soldaten in Casta~os
im Bundesstaat Coahuila sowie die Vergewaltigung und den Tod von
Ernestina Ascencio in der Sierra Zongolica im Bundesstaat Veracruz,
fu:r die vermutlich ebenfalls Soldaten verantwortlich sind."

Zwei Tage lang diskutierten mehr als 200 Feministinnen und
Vertreterinnen sozialer Bewegungen u:ber ihre unterschiedlichen
Strategien. Patricia Guerrero, die Gru:nderin der Liga vertriebener
Frauen in Kolumbien (Liga de Mujeres Desplazadas de Colombia), sagte,
56 Prozent der Binnenflu:chtlinge aufgrund des u:ber 40ja:hrigen
Bu:rgerkrieges im Land seien Frauen. Die Liga vertriebener Frauen in
Kolumbien ka:mpft dafu:r, dass die Frauen die Wahrheit erfahren: u:ber
den Verbleib ihrer verschwundenen Partner und was mit den von ihnen
verlassenen La:ndereien geschah. Mit der so genannten "Stadt der
Frauen", einer Siedlung mit 96 Wohnungen, hat die Organisation in
Turibaco bei Cartagena eine Perspektive fu:r vertriebene Frauen und
deren Kinder geschaffen. Der Preis dafu:r sei jedoch hoch, meinte
Guerrero. Das Gemeindezentrum sei in Brand gesetzt worden und
Paramilita:rs ha:tten zwei Mitglieder der Organisation ermordet und
weitere entfu:hrt.

Die Lehrerin Ruth Zurbriggen kam als Vertreterin des feministischen
Kollektivs "La Revuelta". Sie berichtete u:ber die Kampagne fu:r
straffreie, kostenlose Abtreibung in Argentinien und den Streik der
Lehrerschaft fu:r Gehaltserho:hung in der Provinz Neuque'n. Nachdem bei
einer Strassenblockade der Lehrer Carlos Fuentealba durch
Polizeibeamte ermordet wurde, fordern die Streikenden nun auch die
Absetzung des Provinzgouverneurs. Kurz vor ihrer Reise nach Oaxaca
erhielt der jugendliche Sohn der Aktivistin eine Todesdrohung.

Die Teilnehmerin sprachen sich in einer Erkla:rung fu:r die Absetzung
des Gouverneurs von Oaxaca, Ulises Ruiz Ortiz, die Freilassung der
Gefangenen, die Aufhebung der Haftbefehle gegen AktivistInnen sowie
die Aufkla:rung der Morde und Menschenrechtsverletzungen in Oaxaca und
die Verfolgung der dafu:r Verantwortlichen aus. Das Treffen endete mit
einer Demonstration und einer kulturellen Veranstaltung im Zentrum
der Stadt. Wa:hrend der Veranstaltung wurde in die Wohnung der
Menschenrechtlerin Aline Castellanos Jurado, einer Teilnehmerin des
Treffens, eingebrochen. Sie machte dafu:r direkt die Regierung des
Gouverneurs Ruiz verantwortlich, da nur ihr Pass sowie Geld
mitgenommen wurden. Gegen Aline Castellanos Jurado ist ein Haftbefehl
anha:ngig. Ihr wird vorgeworfen im August 2006 an der Besetzung eines
Fernsehsenders in Oaxaca teilgenommen zu haben.

Neue Massnahmen gegen Migranten und humanita:re Organisationen

(Guatemala-Stadt, 26. April 2007, cerigua-poonal).- Die Nationale
Einwanderungsbeho:rde Mexikos INM (Instituto Nacional de Migracio'n)
erliess eine neue Verordnung zur Behandlung von Flu:chtlingen, die auf
mexikanischem Boden festgenommen werden. Dadurch mu:ssen die
illegalisierten Migranten mit vermehrten Schikanen rechnen. So zum
Beispiel sollen ihnen Besuche oder humanita:re Hilfe verweigert
werden. Die Flu:chtlinge ko:nnen sogar fu:r unzurechnungsfa:hig erkla:rt
werden.

Das mexikanische Innenministerium hatte angeordnet, diese
Disziplinarmassnahmen in die neuen Regelungen zu integrieren. Die
Massnahmen ko:nnen sowohl aus verbalen Verweisen als auch aus
Isolationsverwahrung von bis zu 40 Tagen bestehen. Ebenso solle man
die Staatsanwaltschaft einschalten, falls das Leben anderer ziviler
Personen oder der Sichergestellten bedroht sein sollte. Die
Verordnung sieht besondere Massnahmen fu:r jene Migranten vor, die sich
nach Auffassung der Mitarbeiter der Einwanderungsbeho:rde in einem
geistig beeintra:chtigten Zustand befinden.

Trotz einer Empfehlung der Staatlichen Kommission fu:r Menschenrechte
CNDH (Comisio'n Nacional de Derechos Humanos de Me'xico), die
Flu:chtlinge nicht in gewo:hnlichen Gefa:ngnissen zu verwahren, sollen
die Migranten dort festgehalten werden. Damit soll die Ordnung und
die Kontrolle in den 48 Orten gewa:hrleistet werden, die als
Einwanderungsstationen gelten.

Familienkontakte und humanita:re Hilfe werden fu:r die Migranten
unterbunden. Aktivisten von Menschenrechtsorganisationen mu:ssen
ku:nftig eine beglaubigte Kopie der Gru:ndungsurkunde oder einen
Registerauszug der von ihnen vertretenen religio:sen oder humanita:ren
Institution vorlegen, wenn sie die Migranten unterstu:tzen wollen.

Nahuatl-Jugendforum fordert Jugendparlament

(Tehuipamgo, 23. Aril 2007, pu'lsar-poonal).- Auf dem ersten
landesweiten Forum Nahuatl-sprechender junger Menschen, das gestern
(22. April) im Bundesstaat Veracruz beendet wurde, versammelten sich
junge Menschen indigener Gemeinschaften aus verschiedenen Orten
Mexikos. Die Aktivisten sind einen wichtigen Schritt vorangekommen:
es wurde eine Kommission geschaffen, die ein Parlament junger Nahuatl-
sprachiger Menschen schaffen soll. Das Treffen fand in Tehuipango
statt, der dritta:rmsten Gemeinde Mexikos. Dort sprechen 95 Prozent
der Bevo:lkerung Na'hua. Insgesamt sprechen etwa 1,5 Millionen
Mexikanerinnen und Mexikaner diese indigene Sprache.

Das geplante Parlament soll "die Beschlu:sse des Forums vor der
Kommission fu:r indigene Angelegenheiten der Abgeordneten-Kammer des
Unions-Kongresses und vor dem Parlament des Staates Veracruz
pra:sentieren." Die gro:sste Herausforderung des Vorhabens besteht dabei
darin, die Entscheidungen des Forums in die zur Zeit existierenden
Gesetze einzubinden. Das Ziel ist es, dass das Parlament als
rechtsgu:ltige Instanz akzeptiert wird und somit die Rechte der jungen
Menschen gesichert werden.

Die Organisatoren des Forums erkennen ohne Zweifel an, dass das
Parlament noch in der Entstehungsphase sei und nicht die legale
Grundlage besitze, die mexikanische Gesetze einem Parlament
verleihen. Aber sie meinen, dass der Vorschlag durchaus genu:gend
Legitimita:t besitze, um ernst genommen zu werden. Schliesslich handle
es sich um ein Projekt, das die Jugendlichen selbst entwickelt haben
und das in den institutionellen Instanzen einiges bewegen ko:nnte.

Das Forum hebt die Wichtigkeit des Parlaments hervor, zumal ab dem
Jahr 2009 der Anteil der jungen Menschen innerhalb der mexikanischen
Bevo:lkerung gro:sser sein werde als jemals zuvor in der Geschichte
Mexikos. "Aus diesem Grund ist es notwendig, u:ber unsere Bedu:rfnisse
und Vorschla:ge hinaus eine umfassende Politik der Aufmerksamkeit fu:r
die Jugend zu schaffen."

Wa:hrend der drei Tage des Treffens wurden unter anderem folgende
Themen diskutiert: Rechte von Kindern und Jugendlichen; Ausdruck,
Kommunikation und Kunst; Gleichstellung der Geschlechter;
Gewa:hrleistung von Gerechtigkeit; sportliche Entwicklung; produktive
Entwicklung; kulturelle Identita:t und Erbe; Sexualita:t; Erziehung.
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