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Konferenzankündigung

Theme: Die Universalität der Menschenrechte und ihre Legitimierung
in Christentum und Islam
Type: Interdisziplinäre Tagung
Institution: Forum Scientiarum, Universität Tübingen
   Weltethos-Institut
   Stiftung Weltethos
Location: Tübingen (Deutschland)
Date: 26.–28.1.2017

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Die Unrechtserfahrungen des 20. Jahrhunderts und insbesondere die
Schreckensherrschaft der Nationalsozialisten haben der Menschheit auf
dramatische Weise vor Augen geführt, dass der Staat, der die Rechte
seiner Bürger doch schützen soll, im Zweifel die größte Gefährdung
dieser Rechte darstellt. Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte
der UN aus dem Jahr 1948 und die verschiedenen darauf folgenden
Konventionen stellen darum den Versuch dar, staatlicher Willkür durch
internationale Vereinbarungen vorzubeugen. Die Unrechtserfahrungen
des 20. Jahrhunderts haben aber nicht nur den Staat als Schutzmacht
der Menschenrechte in Misskredit gebracht, sie haben darüber hinaus
offen gelegt, dass der Verlust der Bürgerrechte auch zu einem Verlust
der Menschenrechte führen kann. Der Entzug der Bürgerrechte in der
NS-Zeit hat die Verfolgten und insbesondere die Juden nicht nur
schutzlos gemacht, sondern zugleich dazu geführt dass sie als
schutzunwürdig angesehen wurden, und eben nicht dazu, sie in ihrem
fundamentalen Menschsein wahrzunehmen. Darauf hat Hannah Arendt
eindringlich hingewiesen. Sind damit sowohl die naturrechtlichen wie
auch die vernunfttheoretischen Begründungen der Menschenrechte
grundsätzlich in Frage gestellt, die seit Samuel Pufendorfs
Abhandlung über das Naturrecht aus dem Jahr 1672 und Immanuel Kants
Vernunftkritik von 1781/87 eine Verbindung zwischen der Würde des
Menschen und seinen Rechten hergestellt hatten?

Die Situation stellt sich paradox dar: Während die Menschenrechte auf
der einen Seite durch die Allgemeine Erklärung erstmals in ihrer
universalen Geltung deklariert worden sind, ist sozusagen zeitgleich
die Grundlage ihrer Universalität in Frage gestellt worden. Das hat
dazu geführt, dass die Menschenrechte heute gelegentlich ins Feld
geführt werden, um die grundsätzliche Gleichheit aller Menschen zu
verteidigen, sich die Begründungsrichtung also umgekehrt hat. Die
Idee der Menschenrechte scheint damit das Recht über das kulturelle
Wesen des Menschen zu stellen. Dagegen ist beispielsweise von
islamischer Seite Einspruch erhoben worden, was im Jahr 1990 zur
Formulierung der Kairoer Erklärung der Menschenrechte im Islam
geführt hat. Das Problem ist freilich ein grundsätzliches: Liegt in
der Verselbstständigung des Rechts nicht die Gefahr, den Menschen
auch jenseits allen Rechts stellen zu können?

Daraus ergibt sich eine Fülle weiterer Fragen: Müssen die
Menschenrechte im Rückgriff auf das Wesen des Menschen begründet und
formuliert werden? Lässt sich das Wesen des Menschen unabhängig von
seiner kulturellen Selbstverständigung und Selbstgestaltung
aufweisen? Falls nein, wie lässt sich dann der universale
Geltungsanspruch der Menschenrechte verteidigen, ohne kulturelle
Differenzen zu nivellieren? Diese Fragen sollen auf der Tübinger
Tagung sowohl rechtsphilosophisch wie auch in christlicher und
islamischer Perspektive diskutiert werden. 


Tagungsprogramm:
www.forum-scientiarum.uni-tuebingen.de/tagung-menschenrechte

Donnerstag, 26. Januar

13:15 Uhr
Dr. Niels Weidtmann
„Einführung in die Fragestellung der Tagung“

14:00 Uhr
Prof. Dr. Jochen von Bernstorff, LL.M.
„Die Debatte um den "Ursprung" und die Identitätskrise der
Menschenrechte“

15:00 Uhr
Kaffeepause

15:30 Uhr
Prof. Dr. Dr. h.c. Heiner Bielefeldt
„‘Interfering in a listening mode.‘ Die kulturkritische Stoßrichtung
der Menschenrechte “

16:30 Uhr
Prof. Dr. Georg Stenger
„Asymmetrien zwischen Menschenrecht und Menschenwürde?“

17:00 Uhr
Kaffeepause

18:00 Uhr
Ass. Prof. Dr. Michael Zichy
„Das Menschenbild der Menschenrechte“

20:00 Uhr
Gemeinsames Abendessen der Referent/inn/en


Freitag, 27. Januar

9:00 Uhr
David Jöckel
„Noch nicht. Zur Prozessualisierung der Menschenrechte bei Butler und
Derrida“

10:00 Uhr
Regina Schidel
„Menschenwürde als normative Grundlage von universellen
Menschenrechten? Zur intersubjektiven Begründung von Würde als Status“

11:00 Uhr
Kaffeepause

11:30 Uhr
Dr. Matthias Katzer
„Gleichheit und Empathie: Quellen einer kulturübergreifenden
Rechtfertigung der Menschenrechte “

12:30 Uhr
Mittagspause

14:00 Uhr
Dr. Johannes Frühbauer
„‘Säkularisierung des Sakralen‘ oder ‚Sakralisierung des Säkularen‘?
Zur Frage religiöser Begründung und Hermeneutik von Menschenrechten
im postsäkularen Zeitalter“

15:00 Uhr
Dr. Martin Breul
„Ist es sinnvoll, Menschenrechte christlich zu begründen?“

16:00 Uhr
Kaffeepause

16:30 Uhr
PD Dr. Peter Kirchschläger
„Christliche Legitimierung der Menschenrechte und die Universalität
der Menschenrechte“

17:30 Uhr
Dr. Sebastian Muders
„Menschenwürde: final, inhärent, absolut?“

20:00 Uhr
Alte Aula, Münzgasse 30 

Öffentliche Podiumsdiskussion
„Putin, Trump, Erdogan – Wie weiter mit der internationalen
Menschenrechtspolitik?“

Prof. Dr. Dr. h.c. Heiner Bielefeldt, Menschenrechtspolitik,
Universität Erlangen und Prof. Dr. Jochen von Bernstorff, LL.M.,
Völkerrecht und Menschenrechte, Universität Tübingen


Samstag, 28. Januar

9:00 Uhr
Prof. Dr. Mohamed Turki
„Zum Stand der Menschenrechte im Islam: eine kritische Betrachtung“

10:00 Uhr
Dr. Mahmoud Bassiouni
„Warum sich das Universale und Islamische nicht gegenseitig
ignorieren können“

11:00 Uhr
Kaffeepause

11:30 Uhr
Prof. Dr. Ram A. Mall
„Orthafte Ortlosigkeit der Menschenrechte“

12:30 Uhr
Elisabeth Hofmann
„‚Das Konzept der Freiheit‘: Bedeutungsanalysen und Perspektiven
arabischer Autoren“

13:30 Uhr
Abschlussdiskussion

14:00 Uhr Tagungsende


Ort:
Schloss Hohentübingen, Fürstenzimmer


Kontakt:

Dr. Niels Weidtmann, Wissenschaftlicher Leiter
Forum Scientiarum
Universität Tübingen
Doblerstr. 33
D-72074 Tübingen
Deutschland
Tel: +49 (0)7071 40716-0
Fax: +49 (0)7071 40716-20
E-Mail: niels.weidtm...@fsci.uni-tuebingen.de
Web: http://www.forum-scientiarum.uni-tuebingen.de




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