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From: [EMAIL PROTECTED] To: [EMAIL PROTECTED] Date: Tue, 15 May 2007 06:34:36 +0200 Subject: [Chiapas98] Mexiko-Info aus Poonal Nr. 764 v. 08.05.07 Sender: [EMAIL PROTECTED] Poonal Nr. 764 vom 08. Mai 2007 Jahrestag der Polizeiu:bergriffe in Atenco Von Gerold Schmidt (Mexiko-Stadt, 3. Mai 2007, npl).- Am vierten Mai ja:hrte sich zum ersten Mal der Tag, der fu:r viele politische Beobachter die endgu:ltige Abkehr der konservativen mexikanischen Regierung von der versprochenen Menschenrechtspolitik bedeutete. Am 3. und 4. Mai 2006 gingen Bundes- und La:nderpolizei gemeinsam brutal gegen militante Proteste von Bewohnern des nahe Mexiko-Stadt gelegenen Dorfes San Salvador Atenco vor. Zwei Tote unter der Bevo:lkerung, vergewaltigte und sexuell missbrauchte Frauen, Dutzende brutal zusammen geschlagene Menschen, wahllose Verhaftungen, sowie nicht autorisierte Hausdurchsuchungen mit anschliessender Verwu:stung und Diebstahl geho:rten zu den Folgen dieses Einsatzes. Obwohl die U:bergriffe der 3000 Polizisten umfassend dokumentiert wurden und sogar die staatliche Menschenrechtskommission in deutlichen Worten eine intensive Aufkla:rung forderte, ist kaum etwas geschehen. Auch die vom mexikanischen Verfassungsgericht im Februar dieses Jahres einberufene richterliche Untersuchungskommission sammelt eifrig Papiere, ha:lt sich ansonsten aber bedeckt. Die direkt Verantwortlichen fu:r den Tod eines erschossenen 14-ja:hrigen Jungen und eines durch Einwirkung einer Tra:nengasbombe spa:ter seinen Verletzungen erlegenen Studenten sind bis heute nicht o:ffentlich bekannt. Es wird mit zweierlei Mass gemessen: Etwa 15 niederrangige Polizisten wurden in der Zeit der heftigsten nationalen und internationalen Proteste als Su:ndenbo:cke einige Tage bzw. Wochen vom Dienst suspendiert. Wa:hrend sie inzwischen la:ngst wieder im normalen Einsatz sind, laufen gegen 165 tatsa:chliche und mutmassliche Demonstranten weiterhin Strafverfahren. 29 der vor einem Jahr festgenommenen Personen befinden sich immer noch in Haft. Drei von ihnen sind wie Schwerverbrecher in einem Hochsicherheitsgefa:ngnis untergebracht. Die Vorga:nge von Atenco, die wenig spa:ter folgende Schmutzkampagne gegen die linksgema:ssigte Opposition im Pra:sidentschaftswahlkampf sowie die in vielem an Atenco erinnernenden Einsa:tze lokaler und nationaler Polizeitruppen gegen die rebellierende Bevo:lkerung im su:dmexikanischen Bundesstaat Oaxaca sind nach verbreiteter Einscha:tzung nicht voneinander zu trennen. Abraham Gonza'lez, Staatssekreta:r im Innenministerium der seit Dezember amtierenden neuen konservativen Regierung unter Pra:sident Felipe Caldero'n, sprach sich in diesem Sinne bereits vor Monaten fu:r Kontinuita:t aus: "Wir wollen weniger Bewegungen, die den sozialen Frieden sto:ren." Miguel Concha, Direktor des in der Hauptstadt ansa:ssigen Menschenrechtszentrums Fray Vitorio schreibt in der Tageszeitung La Jornada von "einer klaren Tendenz, den sozialen Protest zu kriminalisieren". Um ein Gegenzeichen zu setzen, verleihen seine und 40 weitere Organisationen am 5. Mai den Nationalen Menschenrechtspreis Don Sergio Me'ndez Arceo an Ignacio del Valle. Del Valle ist fu:hrendes Mitglied des "Volksbu:ndnisses zur Verteidigung des Landes" (FPDT) aus Atenco und eine der erwa:hnten Personen im Hochsichertheitsgefa:ngnis. Seine Organisation war 2001/2002 massgeblich dafu:r verantwortlich, dass die Regierung das Projekt eines neuen internationalen Grossflughafens fu:r Mexiko-Stadt auf Bauernland aufgeben musste. Seitdem war speziell Del Valle den Autorita:ten ein Dorn im Auge. Preisverleihung, geplante Proteste vor Gefa:ngnissen und dem Innenministerium sowie die scharfe Verurteilung der "Straffreiheit" in Mexiko durch amnesty international und die Internationale Menschenrechtsbeobachterkommission zu Atenco werden die mexikanische Regierung voraussichtlich nicht besonders beeindrucken. Sie hat eine Grundsatzentscheidung getroffen. Der mexikanische Historiker Carlos Montemayor schrieb bereits vor knapp einem Jahr anla:sslich der Polizeiu:bergriffe: "Die soziale Botschaft, die von solchen Interventionen ausgeht, hat eine solche Bedeutung, dass sie nicht ohne ein Mandat der politischen Autorita:ten durchgefu:hrt werden ko:nnen." Journalisten leben immer gefa:hrlicher (Mexiko-Stadt, 3. Mai 2007, cimac-poonal).- Wie das Mexikanische Netzwerk zum Schutz der Pressefreiheit (Red Mexicana de Proteccio'n a Periodistas y Medios de Comunicacio'n) anla:sslich des Internationalen Tags der Pressefreiheit am 3. Mai bekannt gab, sind in den Jahren 2000-2007 in Mexiko 32 Journalisten ermordet worden und fu:nf verschwunden. Daru:ber hinaus wurden gegen sieben Medieneinrichtungen Attentate veru:bt. Rogaciano Me'ndez von der Nationalen Gewerkschaft der Pressearbeiter (Sindicato Nacional de Redactores de la Prensa) wies auf einer Protestkundgebung anla:sslich des Internationalen Tags der Pressefreiheit vor dem Geba:ude der Mexikanischen Generalstaatsanwaltschaft darauf hin, dass Mexiko hinter Kolumbien auf Grund der gestiegenen Anzahl ermordeter Journalisten mittlerweile zum zweit gefa:hrlichsten Land fu:r die Ausu:bung dieses Berufs geworden ist und dass bisher keiner der erwa:hnten Fa:lle, in denen Journalisten ermordet wurden oder verschwanden, aufgekla:rt worden ist. Me'ndez forderte wie die anderen Kundgebungsteilnehmer Mexikos Pra:sident Felipe Caldero'n dazu auf, sein Wort zu halten, so schnell wie mo:glich Licht in die Fa:lle zu bringen und die Verantwortlichen der Verbrechen zu bestrafen. Ebenfalls am 3. Mai stellte die Organisation Reporter ohne Grenzen ihre neue Liste "Die gro:ssten Feinde der Pressefreiheit" vor. Sie umfasst 34 Feinde, darunter in diesem Jahr zum ersten Mal auch die mexikanischen Drogenkartelle, die fu:r Morde an mehreren Journalisten verantwortlich gemacht werden. Kirchlicher Widerstand gegen liberales Abtreibungsgesetz Von Gerold Schmidt (Mexiko-Stadt, 2. Mai 2007, npl).- Auch wenn der Vatikan ju:ngst die Vorho:lle abschaffte, so sehen konservative mexikanische Kirchenkreise die Seelen von Hauptstadt-Bu:rgermeister Marcelo Ebrard und zahlreicher Ratsabgeordneter in ho:chster Gefahr. Eine Woche, nachdem eine breite Mitte-Links-Mehrheit der Lokalparlamentarier ein liberales Abtreibungsgesetz fu:r Mexiko-Stadt verabschiedete, schlagen die Wogen immer noch hoch. Viele Gegner der Reform, allen voran Erzbischof Kardinal Noberto Rivera, wollen sich mit ihrer Niederlage nicht abfinden. Die Kirche droht denjenigen, die fu:r die Straffreiheit der Abtreibung in den ersten zwo:lf Schwangerschaftswochen stimmten, mit der Exkommunikation. Ein Bischof sprach gar von "Hitlerianern". Das Personal im Gesundheitssektor der Hauptstadt wird offen zur Dienstverweigerung aus Gewissensgru:nden aufgefordert. Bu:rgermeister Ebrard, der das Votum der Stadtversammlung so schnell wie mo:glich umsetzen will und Informationskampagnen unter anderem an Schulen angeku:ndigt hat, ist von der Kirchenhierachie zum "kleinen Diktator" befo:rdert worden. Er miniere das Recht. Doch die Mexiko-Stadt regierende links-gema:ssigte Partei der Demokratischen Revolution (PRD) weiss in der Abtreibungsfrage den gro:sseren Teil der Bevo:lkerung und fast alle Oppositionsparteien hinter sich. Anders als noch vor Jahren steckt sie diesmal nicht zuru:ck. Ebrard erwiderte dem Kardinal: "Wir sind im 21. Jahrhundert, nicht im 16. Einmal in der Offensive, u:berlegt die Stadtverwaltung, mehrere Grundstu:cke von der Kirche zuru:ck zu fordern. Sie waren dem Erzbistum vor fu:nf Jahren fu:r nie ausgefu:hrte Erweiterungsbauten im Umfeld der Basilika von Guadalupe, der wichtigsten Pilgersta:tte Mexikos, u:berlassen worden. Dieses Beispiel zeigt, dass es beim aktuellen Konflikt um mehr als die Abtreibungsfrage geht. Seit dem Jahr 2000 stellt die klerikal- konservative Partei der Nationalen Aktion (PAN) den mexikanischen Pra:sidenten. Die katholische Kirche hat das zu Versuchen genutzt, an Einfluss zu gewinnen und die in der Verfassung klar festgeschriebene Trennung zwischen Kirche und Staat aufzuweichen. Ihr eiferndes Engagement gegen die Abtreibungsreform ist durchaus ein weiterer Testballon, der von der PAN durch Spots in den Medien begleitet wurde. Allerdings ko:nnte ein Boomerang daraus werden. Obwohl fast 90 Prozent der mexikanischen Bevo:lkerung Katholiken sind, folgen sie der Kirche in Fragen der Doktrin nur sehr bedingt. Die Partei der Demokratischen Revolution, in der Hauptstadt wegen ihres Pragmatismus und ha:ufiger Scheu vor heissen Eisen zunehmend der Profillosigkeit angeklagt, hat Sta:rke und Geschlossenheit zuru:ck gewonnen. Besonders gefa:hrlich fu:r die PAN: In Mexiko-Stadt stellten sich auf der lokalen Ebene auch Parteien gegen sie, auf deren fu:r die absolute Mehrheit notwendigen Stimmen sie sich im Bundesparlament meistens verlassen kann. Die konservative Partei scheint ihre Lehren daraus gezogen zu haben. Zwar schliesst sie eine Verfassungsklage gegen die Abtreibungsreform nicht vo:llig aus. Zudem hat der PAN-Gesundheitsminister erkla:rt, Hauptstadt-Krankenha:user unter Verantwortung der Zentralregierung seien nicht verpflichtet, abtreibungswillige Frauen zu behandeln. Doch andererseits gehen Parteimitglieder auf vorsichtige Distanz zur Kirche und rufen zu rhetorischer Ma:ssigung auf. zum Anfang MEXIKO Proteste gegen neues Rentengesetz (Buenos-Aires, 2. Mai 2007, pu'lsar-poonal).- In ganz Mexiko ist es am 2. Mai zu Streiks und Protestma:rschen gekommen, bei denen Arbeiter, Studenten und soziale Organisationen das von der Sozialversicherungsbeho:rde Mexikos (Instituto de Seguridad y Servicios Sociales de los Trabajadores del Estado, ISSSTE) vorgelegte und vom Parlament im vergangenen Ma:rz verabschiedete neue Rentengesetz zuru:ckwiesen. Das neue Gesetz beinhaltet u.a. eine Teilprivatisierung des Rentenwesens, indem die Renten der beim Staat angestellten und u:ber das ISSSTE versicherten ArbeiterInnen ku:nftig in Fonds angelegt werden. Zudem befu:rchten die ArbeiterInnen, dass die o:ffentliche Gesundheitsversorgung, die das ISSSTE seinen Versicherten bietet, langfristig privatisiert werden soll. Die mexikanischen Gewerkschaften forderten die Regierung Caldero'n dazu auf, fu:r bessere Arbeitsbedingungen zu sorgen und ihre Rechte zu achten. Die Protestaktionen, die Streiks v.a. im Bildungssektor und Strassenblockaden, mehrheitlich in Mexiko-Stadt, beinhalteten, wurden von der Gewerkschaft der Erziehungsarbeiter organisiert. Kein Einwanderungsabkommen mit USA in Sicht Von Hypatia Velasco Rami'rez (Mexiko-Stadt, 3. Mai 2007, cimac-poonal).- Auch wenn die mexikanische Regierung dazu verpflichtet ist, die Rechte der mexikanischen Migranten in den USA zu verteidigen, gibt es derzeit keine Verhandlungen Mexikos mit den USA u:ber ein Einwanderungsabkommen, auch wenn in der vergangenen Regierungsperiode unter Vicente Fox das Gegenteil behauptet wurde. Das gab der Regierungsberater fu:r internationale Beziehungen in Michoaca'n, Carlos Heredia, bekannt und fu:gte hinzu: "Die Erkla:rung dafu:r haben die politisch Verantwortlichen zu liefern". In den Vereinigten Staaten leben rund 100 Millionen Mexikaner, die Mehrheit von ihnen in Kalifornien und Texas (39 bzw. 23 Prozent). Nach Angaben der Internationalen Organisation fu:r Migration verfu:gen mehr als die Ha:lfte der in den USA lebenden mexikanischen Migranten, na:mlich54 Millionen, u:ber keinen Zugang zum Gesundheitssystem. Der Prozentsatz liegt bei Migranten anderer Herkunft und den US- Amerikanern selbst bedeutend niedriger, na:mlich bei 25% bzw. 13%. _______________________________________________ Chiapas98 Mailingliste JPBerlin - Mailbox und Politischer Provider [EMAIL PROTECTED] http://listi.jpberlin.de/mailman/listinfo/chiapas98 -- To unsubscribe from this list send a message containing the words unsubscribe chiapas95 (or chiapas95-lite, or chiapas95-english, or chiapas95-espanol) to [EMAIL PROTECTED] Previous messages are available from http://www.eco.utexas.edu/faculty/Cleaver/chiapas95.html or gopher to Texas, University of Texas at Austin, Department of Economics, Mailing Lists.