wg von der ag tagesprogramm:

Am Mittwoch, den 2.Dezember, um 17 Uhr spricht
Dr. Stephan Schulmeister (WIFO)
im Audimax über den
Finanzkapitalismus, die Ökonomisierung aller Lebensbereiche und die große
Krise.

----

Mit dem Ausbruch der Finanzkrise hat der Übergang von einer finanz- zu einer
realkapitalistischen Wirtschaftsordnung begonnen. Dieser wird lange dauern,
da der in den vergangenen 30 Jahren zunehmend dominante "Finanzkapitalismus"
eine umfassende "Spielanordnung" darstellt, deren Komponenten einander
stützen. Dazu gehören die neoliberale Wirtschaftstheorie, der Vorrang für
den Geldwert, die Liberalisierung der Finanzmärkte, die
Regulierung/Restringierung der Wirtschaftspolitik, und generell die
Schwächung der vier Hauptsäulen des Sozialstaats: Bildungswesen,
Arbeitslosenversicherung, Gesundheitswesen und Altersvorsorge.

Der durch die Wirtschaftswissenschaften legitimierte Primat der Ökonomie
über die Politik und die Verlagerung der kapitalistischen "Kernenergie", des
Profitstrebens, von realwirtschaftlichen Aktivitäten zu Finanzveranlagung
und -spekulation, verursachten folgende Paradoxie: Einerseits werden nahezu
alle Lebensbereiche "ökonomisiert", andererseits wird es immer schwerer, im
System Ökonomie einen (Arbeits)Platz zu finden.

Das (höhere) Bildungswesen wurde von diesen Tendenzen besonders betroffen:
Standardisierung von (Aus)Bildungsqualitäten, nicht zuletzt im Sinne
besserer Verwertbarkeit, Übernahme des US-amerikanischen Systems durch die
Europäische Union (wie im Finanzbereich: Globalisierung als
Amerikanisierung), Steigerung der Akademikerquote als quantitatives Ziel,
gleichzeitig Beschränkung der Ausbildungsplätze und danach der Arbeitsplätze
(beides Folgen neoliberaler Sparpolitik und finanzkapitalistisch
verursachter Wachstumsdämpfung).

Politik im Zeitalter des Finanzkapitals orientierte sich nicht nur an
Losungen wie "Mehr privat, weniger Staat", sondern insbesondere an der
großen Illusion "Lassen Sie Ihr Geld arbeiten". Diese "selbstzerstörende"
Maxime hat jenes "Potential" aufgestaut, das sich in der Finanzkrise
entlädt.

Die große Krise wird die Wachstumsbedingungen über Jahre weltweit
verschlechtern und damit den Boden bereiten für eine Neuordnung des "Spiels
Wirtschaft": Das Profitstreben wird wieder stärker auf realwirtschaftliche
Aktivitäten gelenkt werden, die Politik wird eine "ausgewogenere" Balance
anstreben zwischen der Entfaltung des individuellen Eigennutzes und der
Stärkung des sozialen Zusammenhalts. In beiden Punkten wird die künftige
Wirtschaftsordnung Ähnlichkeiten mit dem "Realkapitalismus" der ersten
Hälfte der Nachkriegszeit aufweisen, allerdings ergänzt um eine massive
Ökologisierung der Wirtschaft.

Wir freuen uns auf euer kommen, AG Audimax Programm

-- 
mag. hc voigt
kellerabteil.org
0699-19586738

Antwort per Email an