Hallo Antje, On 02/24/2018 10:30 PM, Antje Kazimiers wrote:
> Ich find es passt eigentlich ganz gut, von digitalen Barrieren zu > sprechen, aber man sollte denk ich schon genauer benennen, worin die > Barriere besteht, wenn man nicht so technikaffine Menschen überzeugen > möchte. Sicher, aber ich wollte meine letzte Antwort nicht noch ausführlicher gestalten und ich ging davon aus, dass hier jede*r entsprechende Genauigkeiten benennen kann und wollte daher erstmal nur eine andere Argumentationsrichtung vorschlagen. > Ich find es liegt ja näher, Whatsapp - Liebhaber von Signal zu > überzeugen (super, wenn du deinen Verein zu einer Mailingliste überreden > konntest!), aber in der Funktionalität unterscheiden sich beide > Technologien doch ein Stück (bei Signal kann jeder mal schnell eine neue > Gruppe gründen und Leute einladen, bei einer Mailingliste schon > schwieriger). Für temporäre Themen (Geburtstagsgeschenk für Person X) reicht (mir) auch eine klassische Rundmail fernab der Mailingliste. > Das Signal nun nicht dezentral ist, ist denk ich eine > abstraktere Barriere, die nicht jedem so vermittelbar ist. Würde ich auch widersprechen: Dezentralität war vielmehr einmal so intuitiv, dass es als grundlegende Errungenschaft vergessen wurde. Die Bedeutung von Dezentralität erkläre ich in entsprechenden Diskussionen in einem Satz: "Stell dir vor, Google hätte dir damals beim Anlegen deiner Gmail-Adresse gesagt: Herzlichen Willkommen, aber du kannst hier Emails nur an Leute schicken, die ebenfalls bei Google sind." - der Gedanke ist sofort so dermaßen absurd, dass sich im Anschluss gleich erklären lässt, was ein "walled garden" ist. Deswegen ist mit "Signal" meiner Meinung auch nicht viel gewonnen, weil hier viel Überzeugungsarbeit in einen Messenger-Wechsel investiert wird, der am Ende ebenfalls in einen "walled garden" führt (ausführlicher begründe ich das in https://www.kuketz-blog.de/messenger-matrix-das-xmpp-fuer-hobby-admins/ -> 8. Fazit ). > Also bei Diaspora leuchtet mir das ja noch ein, ein solches offenes soziales > Netzwerk könnte man dann ja auch mal auf einem Schulserver installieren, > damit Schüler dann schulintern den Umgang mit sozialen Netzwerken üben > können und nicht gleich in die großen Netzwerke wie Facebook, Google > Plus usw. gedrängt werden (Und sie könnten sich dann ja auch mit anderen > Schulen vernetzen!) Diaspora also als "Sandkasten", bevor es in die "richtige Welt" geht? Ich versteh ja, was Du meinst, aber so argumentiert ist das ist leider genau jene in den Köpfen verankerte Alternativlosigkeit, wegen der der "Bundestags-IT-Chef" in der Doku ganz am Ende sagt: "Wie sollte es anders sein?". Freie, föderale soziale Netzwerke wie Diaspora sind nicht deswegen vorzuziehen, weil man an ihnen "Medienkompetenz" schulen kann, sondern weil sie Grundwerte unserer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft vertreten: Offenheit und Föderalismus. > Auch das "man kann sich den Code anschauen" - Argument ist bestimmt > ziemlich abstrakt für viele Menschen, weil sie das nicht unbedingt tun > würden und trotzdem ein gutes Argument. Auch hier kommt es auf eine entsprechende Übersetzung an: als "Code" unserer Zivilgesellschaft kann man unseren Gesetzeskorpus sehen, der trotz seiner Offenheit ebenfalls für einen bestimmte Elite geschrieben ist (ich brauche einen Juristen, um komplexe Gesetzestexte zweifelsfrei verstehen zu können). Man könnte ja deswegen sagen, dass die Offenheit unserer Gesetzgebung eigentlich keinen Sinn macht, da 99% der Bevölkerung die Texte eh nicht verstehen. Es würde reichen, wenn Juristen Zugang zu diesen Texten haben, da ich am Ende eh darauf vertrauen muss, dass die Juristen (mich) nach diesen Texten redlich richten. Ein solcher Gedanke löste in meinen Diskussionen sofort die gewünschte Reaktion aus, dass die Offenheit jener "Codes", die unsere Gesellschaft "steuern" (digital und nicht-digital), selbstverständlich offen sein sollten, um zivilgesellschaftliche Kontrollmöglichkeit zu gewährleisten. > Die Freiheit, selbst Anpassungen machen zu können ist ein ganz wichtiger > Faktor, für mich insbesondere deswegen, weil ich in Brandenburg > aufgewachsen bin, wo es nicht so viel Industrie gibt und sich hier neue > Jobmöglichkeiten in ländlichen Gebieten ergeben. Gut, wenn es zufällig in die Gruppensituation passt, aber ich würde sofort mit der Antwort rechnen, dass nicht jede*r Programmierer*in werden möchte, genauso wie nicht jede*r Jurist*in oder Bauarbeiter*in sein möchte, um Infrastrukturen unseres Realraums (um)gestalten zu können. Ich betone hier deswegen lieber die Möglichkeit der (Um)Gestaltbarkeit von Freier Software in Bezug darauf, dass eine Interessensgemeinschaft hier bei Bedarf (um)gestalten _lassen_ kann. Das widerspricht Deinem Argument nicht, provoziert aber keine Abwehrhaltungen (dass jede*r Programmierer*in sein/werden müsse), sondern rüttelt ein zumindest noch irgendwie vorhandenes Grundbedürfnis nach zivilgesellschaftlicher Autonomie wach. Gruß Roland
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