Liebe Jünger-Freunde,

hier der Artikel aus der FAZ (Dank an KB!)
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Tobias Wimbauer / Wimbauer Buchversand
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Der Tiger maskiert das Lämmchen
Wie Ernst Jünger eine Liebesaffäre aus den Pariser Jahren in den Tagebüchern 
verfremdete / Von Felix Johannes Krömer

Im literarischen Werk Ernst Jüngers kommt den Tagebüchern besondere Bedeutung 
zu. Als literarische Diarien geben sie nicht unbedingt unmittelbar Erlebtes des 
Verfassers wieder. Unser Autor beschreibt am Beispiel einer Pariser 
Liebesaffäre mit der Kinderärztin Sophie Ravoux, wie Jünger in den 
verschiedenen Fassungen seiner Tagebücher konkrete Erlebnisse verfremdete und 
fiktionalisierte, bevor sie veröffentlicht wurden. Aufschlußreich ist dabei vor 
allem der Blick in die von der Forschung wenig beachteten handschriftlich 
geführten Tagebücher Jüngers, die sich im Deutschen Literaturarchiv in Marbach 
befinden. Der Briefwechsel mit Sophie Ravoux ist noch gesperrt.

Am 1. Mai 1941 geht der Wehrmachtshauptmann Ernst Jünger, damals 46 Jahre alt, 
mit einer „sehr jungen Kontoristin“ in Frankreich ins Kino. Später wird er 
notieren, er habe ihr im Dunkeln an die Brust gefaßt. Seine Frau Gretha (1906 
bis 1960) wartet derweil im deutschen Kirchhorst. Dorthin kehrt der Autor und 
Soldat 1944 nach mehr als dreijähriger Stationierung in Paris zurück. Im Jahr 
1949 publiziert Jünger seine Tagebücher aus dem Zweiten Weltkrieg unter dem 
Titel „Strahlungen“. In ihnen unterbreitet der Autor seinen Lesern eine Fülle 
von erotischen Anekdoten und Träumen aus der nationalsozialistisch besetzten 
Stadt der Liebe. Meist beschränkt sich Ernst Jünger auf 
unpersönlich-aphoristische Wendungen, zum Beispiel: „In der Umarmung hält der 
Mann die Frau so wie der Tiger das Lamm, und sie ihn, wie die Spinne die Fliege 
hält.“ Betrachtungen wie diese webt der Autor als gleichrangig in historische, 
politische, ästhetische und philosophische Reflexionen ein. Die geschlechtliche 
Anziehung ist eines der kosmischen Ordnungsprinzipien, so lautet Jüngers 
Botschaft.
Das Spiel der Geschlechter freilich vollzieht sich bei ihm vornehmlich als 
Überwältigung. Insbesondere begleitet Eros den Krieg. Das ist schon in Jüngers 
Erstling von 1920 „In Stahlgewittern“ so und setzt sich in den „Strahlungen“ 
fort. Während Jünger sich im Kino mit der Kontoristin vergnügt, flimmert über 
die Leinwand die Wochenschau mit Bildern angreifender Panzer. Der „bloße 
Anblick der Vernichtungsmittel“, so Jünger, löst im Publikum „Schreie der 
Furcht“ aus. Zeugung und Tötung werden zu simultanen Vorgängen: etwa in der 
Umarmung von Spinnen-Frau und Tiger-Mann oder wenn Paris „gleich einem 
Blütenkelche“ daliegt, „der zu tödlicher Befruchtung überflogen wird“, wie es 
in dem wohl berühmtesten Jünger-Notat vom 27. Mai 1941 heißt.
Zur Erotisierung der Weltkriegstagebücher dürfte nicht wenig ein geheimes 
Liebesverhältnis Ernst Jüngers beigetragen haben. Er unterhielt es mit der in 
Paris lebenden deutschstämmigen und ebenfalls verheirateten Kinderärztin Sophie 
Ravoux (1906 bis 2001). Der Germanist Tobias Wimbauer hat 1999 in seinem 
„Personenregister der Tagebücher Ernst Jüngers“ darauf hingewiesen, daß die 
Ärztin unter mehreren Decknamen in den „Strahlungen“ auftritt, zumeist als 
„Doctoresse“, aber auch als „Madame Dankart“ beziehungsweise als „Madame 
Dancart“, „Madame d’Armenonville“, „Charmille“ oder „Camilla“. Ihr wahrer Name 
fällt dagegen nicht. Durch diesen Kunstgriff gelingt es Jünger, der als 
Tagebuchautor sein Privatleben eher ver- als enthüllte, den Topos von Eros und 
Krieg in seiner Selbststilisierung aufzugreifen, ohne allzu Intimes 
preiszugeben.
Ernst Jüngers Frau allerdings wußte von der Affäre mit der Ärztin. Wie Wimbauer 
im vergangenen Jahr mit Hilfe eines nachgelassenen Briefes Gretha Jüngers an 
Sophie Ravoux offenbart hat, hatte die Betrogene bis 1948 dreimal von dem 
Verhältnis erfahren und der Rivalin daraufhin sogar die Scheidung angeboten. 
Neben künstlerischen Erwägungen dürfte für Jünger Rücksichtnahme auf seine Frau 
eine Rolle gespielt haben, als er alle eindeutigen Spuren der Affäre für die 
Veröffentlichung aus den Aufzeichnungen getilgt hat.
In seinen Pariser Manuskripten allerdings schreibt Jünger noch unverschlüsselt 
über das Verhältnis zu Sophie Ravoux. Die Lektüre des Originaltextes zeigt, daß 
die „Strahlungen“ nicht nur ein Kriegstagebuch, sondern auch die Chronik einer 
geheimen Liebschaft sind. Von der Jünger-Forschung sind diese Handschriften 
bislang weitgehend ignoriert worden. Sie befinden sich im Nachlaß des 1998 
verstorbenen Autors im Deutschen Literaturarchiv in Marbach. Hier liegt auch 
der Briefwechsel Ernst Jüngers mit Sophie Ravoux aufbewahrt; er befindet sich 
jedoch noch unter Verschluß.
Bei den originalen Diarien handelt es sich insbesondere um ein vollständiges 
Manuskript auf Büttenpapier: die „Journale“. Ihnen liegen Rohfassungen 
zugrunde, die Jünger in Kladden – den sogenannten „Tagebüchern“ – notiert hat. 
Die Sophie Ravoux betreffenden Aufzeichnungen sind von Jünger mehrfach 
überarbeitet worden. Zuletzt hat er bei der Revision der „Journale“ den Namen 
Sophie durch die Decknamen ersetzt.
Ernst Jüngers schriftstellerischer Umgang mit der Affäre ist aufschlußreich für 
die Bewertung der „Strahlungen“ als literarisches Tagebuch. Daß es sich bei 
Jüngers Weltkriegs-Diarium um ein solches handelt, ist allgemein anerkannt. Für 
Leser, die es sich nicht so einfach machen, literarische Tagebücher als 
gänzlich fiktiv zu betrachten, ist jedoch die Schwierigkeit geblieben, zu 
beurteilen, inwieweit Jüngers Notaten ein dokumentarischer Wert zugesprochen 
werden kann beziehungsweise inwieweit sie als Fiktionen anzusehen sind. Tobias 
Wimbauer etwa hat – unter gehöriger interpretatorischer Anstrengung – die 
obenzitierte Beschreibung eines Fliegerangriffs auf Paris als Fiktion und 
Chiffre für das Verhältnis Jünger/Ravoux gedeutet. Während ihm für diese These 
jedoch der Beweis fehlt, kann durch die Untersuchung der Pariser Handschriften 
Jüngers die Fiktionalität eines „Strahlungen“-Notats erstmals eindeutig 
nachgewiesen werden. Dort hat der Autor zweifelsfrei sein Liebesverhältnis 
chiffriert.
Die Spur legt Jünger in den „Strahlungen“ mit einem belanglos erscheinenden 
Eintrag. Unter dem 6. Dezember 1941 notiert er: „Besuchte Madame Dankart, von 
der ich zum Abendessen eingeladen war. Wir tranken dazu eine Flasche Pommard, 
um deren Hals ein bunter Erntekranz gebunden war.“ Im „Journal“ dagegen 
schreibt Jünger unter dem gleichen Datum: „Besuch bei Madame R., von der ich 
zum Abendessen eingeladen worden war. Wir tranken dazu ein Glas Pommard, um 
deren Hals ein buntes Kränzlein prangte, dann Pommery. Auf das Etikett schrieb 
ich die Prophezeiung: ‚Chère amie, vous aurez une cuite‘ , die sich 
bewahrheitete. Saßen im Traumstuhl, als ich dann um 11 Uhr die letzte Métro 
erreichen wollte, setzte draußen gleich ein Wolkenbruch ein, der mich zu 
bleiben zwang.“
Bei der Revision nimmt der Autor einige Streichungen und Änderungen im 
Manuskript vor. Er ersetzt unter anderem das Glas durch eine Flasche Pommard, 
tilgt den Pommery aus der Getränkeliste und verwandelt „Madame R.“ in die 
„Doctoresse“. Vor allem jedoch und frappierenderweise verkehrt Ernst Jünger den 
Ausklang des Abends in sein Gegenteil; er formuliert nun: „Inmitten eines 
Wolkenbruches erreichte ich die letzte Bahn.“ Doch trotz der Retuschen 
entschließt sich der Tagebuchschreiber gegen eine Veröffentlichung der pikanten 
Textstelle.
Daß Ernst Jünger in Wahrheit den Regen gescheut und die Nacht mit der Ärztin 
verbracht hat, legt noch unter dem gleichen Datum der folgende Abschnitt im 
Journal nahe: „Als ich in der Nacht erwachte, fühlte ich, wie Sophie mit ganz 
zarten, schlanken Fingerspitzen mich abtastete. Sie zog zuerst die Hände nach, 
jeden Finger einzeln, besonders dort, wo die Nägel ansetzen.“
Wie die mit roter Tinte abgefaßten Notizen auf der Manuskriptseite zeigen, 
entscheidet der Autor bei der Revision, diese Sätze für die Veröffentlichung 
einem anderen Datum zuzuordnen. Er merkt zunächst den 12. Dezember 1941 vor, 
wählt aber später den 8. Dezember. Tatsächlich findet sich unter diesem Datum 
in den „Strahlungen“ eine sehr ähnliche, doch entscheidend modifizierte 
Passage: „Im Traume fühlte ich, wie Dorothea, aus alten Kinderzeiten 
wiederkehrend, mich anflog und mit ganz zarten, schlanken Fingerspitzen 
abtastete. Sie zog zuerst die Hände nach, jeden Finger einzeln, besonders dort, 
wo die Nägel ansetzen.“ Indem Jünger die Zärtlichkeiten der Geliebten in die 
Traumsphäre verlegt, ein neues Datum und mit „Dorothea aus alten Kinderzeiten“ 
neues Personal einsetzt, beschreibt er sie als unverfänglich. Doch verfaßt er 
nun keinen dokumentarischen, sondern einen fiktionalen Text.
Nach der Nacht bei „Madame R.“ durchziehen Abendessen, Frühstücke und 
Spaziergänge mit der „Doctoresse“ beziehungsweise „Sophie“ Jüngers Pariser 
Tagebuchaufzeichnungen – bis ins Frühjahr 1943. Daß zu diesem Zeitpunkt die 
Frau des Autors einschreitet und ihn vor die Wahl zwischen ihr und der 
Geliebten stellt, läßt sich in der Urfassung – in einer der Kladden – 
nachlesen. Dort trägt Jünger unter dem 6. März 1943 ein: „Dann mit S. in einem 
Bistro an der Sorbonne, zur zweiten Aussprache. Meine Rolle in diesem Konflikt 
ähnelt der des Richters beim salomonischen Urteil, doch bin ich auch das Kind 
zugleich. Ich muß mich der zusprechen, die mich nicht teilen will. Damit kehre 
ich auch zur Gerechtigkeit zurück, die meinem Leben bis hierher mangelte.“
In den „Journalen“ und „Strahlungen“ vermerkt der Autor die entscheidende 
Begegnung zwar, jedoch nicht mehr als „Aussprache“. Er schreibt nun neutral: 
„Ich aß dann mit Sophie in einem Bistro nahe der Sorbonne.“ Die Reflexion über 
seine Rolle im Dreiecksverhältnis mit Sophie Ravoux und Gretha Jünger 
formuliert der Autor um zu einem allgemeingültigen Ratschlag an seine Leser: 
„Unter uns Männern. Zwischen zwei Frauen kann unsere Lage der des Richters beim 
salomonischen Urteil ähneln – doch sind wir das Kind zugleich. Wir müssen uns 
der zusprechen, die uns nicht teilen will.“ Die Sentenz erscheint erst am Ende 
des Eintrags. Der Autor hat sie von ihm durch mehrere Absätze getrennt, der 
Zusammenhang mit der Bistro-Szene ist dadurch aufgelöst. Allerdings ergänzt den 
Abschnitt im „Journal“ ein kurzer, vermutlich persönlich gewendeter, später 
nicht gedruckter Satz. Er ist leider nicht zu entziffern.
Den Ausgang der Entscheidung hat Ernst Jünger aus den „Tagebüchern“ nicht in 
die späteren Fassungen übernommen. Unter dem Datum des Folgetags der 
„Aussprache“, des 7. März 1943, heißt es: „Über meine Veränderung gegenüber S. 
Wie plötzlich und überraschend, es leuchteten auf dem Grunde Heilsfragen auf, 
die auf dem Spiele stehen. Das gibt mir Kraft, und ich fühle, daß meine 
Entschlüsse wohltätig sind. Die starken Anrufe P’s , die bis zum Grunde gingen, 
nehmen die Schleier von den Dingen fort. An einer der Seinebrücken, doch nicht 
an der, an der ich den Ring ins Wasser geschleudert habe, gab S. mir ihren 
Abschiedsbrief.“
Aber die Trennung von der Geliebten war nicht von Dauer. Bereits vom April 1943 
an verzeichnet Ernst Jünger in seinem Diarium wieder Begegnungen mit der 
Ärztin. Mitte August 1944 muß er Paris auf dem Rückzug vor den Alliierten 
verlassen. Sein letzter Eintrag gilt dem Abschied von einer gewissen „Madame 
d’Armenonville“; so zumindest lautet ihr Name im „Journal“ und in den 
„Strahlungen“. Im „Tagebuch“ nennt der Autor sie „Ch.“, also Charmille.
Die Affäre scheint noch einige Jahre eine Fortsetzung erfahren zu haben. In 
Ernst Jüngers Diarien taucht Sophie Ravoux allerdings erst 1972, im zweiten 
Band von „Siebzig Verweht“, erneut auf. Inzwischen ist der Autor nach dem Tod 
Gretha Jüngers ein zweites Mal verheiratet. Aus der Pariser Ärztin ist eine 
gute Freundin geworden: Sie darf nun unter ihrem richtigen Namen im 
veröffentlichten Tagebuch erscheinen.
Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 03.01.2006 Seite 35



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