Liebe Jünger-Freunde, auf webcritics.de gibt es zwei neue Rezensionen zu Jünger, die eine zu dem bibliophilen Bändchen "Jünger in Wilflingen" (die letzten signierten Exemplar gibt's bei mir im Antiquariat!) und zum neuen Briefwechsel Jünger-Andres. Beide Rez. als PS anbei. Schöne Grüsse rundum, Ihr/Euer tw
http://www.webcritics.de/page/reviews.php5?id=1184 Matthias Pierre Lubinsky.- Zu Lebzeiten galt er als »umstritten«, eine Vokabel, die man auf jeden stülpt, mit dem man - aus welchen Gründen auch immer - nicht klarkommt. Und bei Ernst Jünger gab es dieser Gründe, mit denen er sein Leben lang die Herrschenden und ihre tumben Mitläufer zu ärgern wusste, viele. Schon als Schüler war ihm die kleine Welt des Bürgertums seiner Eltern zu klein; er floh ohne große Umstände nach Nordafrika zur Fremdenlegion. Die nächste Fluchtmöglichkeit bot der Erste Weltkrieg. Nun konnte er weitere, andere Grenzen austesten. Wie lange hält ein Leben, wie oft halten die Schutzengel ihre Hände über mich. Annäherungen. Grenzerfahrungen. Die Machthaber des Dritten Reiches konnten ihn nicht gewinnen für ihre Sache. Schon früh verbat sich der im Ersten Weltkrieg vom Kaiser mit dem Pour le mérite, dem höchsten Tapferkeitsorden, ausgezeichnete Frontkämpfer, dass der »Völkische Beobachter« ohne Erlaubnis seine Texte nachdruckte. Die Nazizeit überstand Jünger mehr als integer. Er hatte Kontakt zu den Widerstandskreisen in der Wehrmacht, verfasste für den Putsch auf Hitler die Friedensschrift, die nach Beseitigung des braunen Dämons flächendeckend verteilt werden sollte. Freunden half er unter Lebensgefahr. Andere liefen mit und heroisierten sich nach dem Krieg selbst. Günter Grass konnte so zum moralischen Gewissen Westdeutschlands werden. Jünger dagegen verbrannte Aufzeichnungen und Dokumente, die seinen Freund Ernst Niekisch gefährden konnten, - ohne je darüber zu sprechen. Auf die Frage, wie er auf seine Widerstandsparabel »Auf den Marmorklippen« gekommen sei, sagte er stets nur, er habe sie geträumt. Widerstand aus reiner Geistesmacht. Noch in hohem Alter schockte er die westdeutsche Öffentlichkeit mit seinem Buch »Annäherungen. Drogen und Rausch«, in dem er auch von seinen Erfahrungen mit verschiedenen Rauschmitteln Zeugnis ablegt. Ein CDU-Abgeordneter forderte ein Verbot. So war sein gesamtes, beinahe 103 Jahre währendes Leben eine einzige Annäherung; eine Suche nach Grenzerweiterung, Erkenntnisgewinn. Liest man selbst nach längerer Zeit Ernst Jüngers Bücher, so macht man die Erfahrung, dass einen immer mehr Menschen ansprechen und nach einem Einstieg in Jüngers Werk fragen. Doch welches Buch empfehlen? Stets sieht man sich in der Gefahr, doch nur einen winzigen Ausschnitt aus einem derart umfangreichen Oevre empfohlen zu haben. Ähnlich verhält es sich mit der Sekundärliteratur. Die guten Werke, zum Teil schon Jahrzehnte alt, sind recht umfangreich. Die schmaleren sind meist zeitgeistgeprägt. Doch nun scheint es Abhilfe zu geben: Ein Heft, es misst gerade 32 Seiten, führt in Kürze und Prägnanz in Werk und Leben des großen Solitärs der deutschen Literatur ein. Erstaunlich sind bei diesem Umfang Stoffülle und Vollständigkeit. Verfasser Bernd Erhard Fischer muss attestiert werden, sich umfassend in die Materie eingearbeitet zu haben. Auch aktuellste Forschungsergebnisse finden ihren Niederschlag. So die diversen Decknamen in Jüngers Tagebuch für seine Pariser Geliebte Sophie Ravoux, wie sie Tobias Wimbauer für sein Namensregister der Jüngerschen Tagebücher (Schnellroda 2003) ermitteln konnte. Das in schwarzer Pappe mit aufgeklebtem Titelschild bibliophil gestaltete Heft ist Teil der Reihe »Menschen und Orte« in der Edition A. B. Fischer in Berlin. Weitere Hefte in gleicher Ausstattung gibt es unter anderen über Hermann Sudermann in Blankensee, Arno Schmid in Bargfeld und Wolfgang Koeppen in Greifswald. Der Verlag will jährlich zwei bis drei dieser Hefte herausbringen. Mögen sie eine große Leserschaft erreichen und zu einer kulturellen Befruchtung des Brandenburgischen Raumes beitragen. geschrieben am 24.04.2007 | 526 Wörter | 3117 Zeichen http://www.webcritics.de/page/reviews.php5?id=1186 Matthias Pierre Lubinsky Ernst Jünger - Stefan Andres Briefe 1937 - 1970 Eine Begegnung im Buch Am 1. August 1937 nimmt der 31jährige Stefan Andres mit einem Brief Verbindung zu Ernst Jünger auf. Er war mit seinem Studium der Germanistik, Kunstgeschichte und Philosophie gerade von Köln für ein Semester nach Jena gewechselt. In tief katholischem Milieu aufgewachsen, hatten seine Eltern für ihn eigentlich die Priesterlaufbahn vorgesehen. In Wahrheit war Andres längst produktiver Autor: drei Romane, mehrere Erzählungen und ein kleiner Gedichtband waren bereits erschienen. Jedoch besagt dieser biographische Eckpfeiler wenig über Andres wirkliche Lebenssituation zu dieser Zeit. Diese war von bitterer Armut und täglichem Überlebenskampf bestimmt. Zwei Töchter wollten ernährt werden; Anfang 1935 war er wohl aufgrund seiner politischen Gesinnung als freier Mitarbeiter vom Reichssender Köln entlassen worden. Außerdem fühlte sich Andres im nationalsozialistischen Deutschland unwohl und gefährdet. 1936 ging er mit seiner Familie nach München in der Hoffnung, hier Anschluss an die Künstlerszene zu finden, um aus seiner bedrückenden Isolation herauszukommen. Dies misslang gründlich. Andres selbst resümierte später: »Ich hatte nämlich den Makel einer halbjüdischen Frau an mir und überdies neigte ich dazu, wenn ich auf gefühlsbetonte und zugleich arrogante, also typisch deutsche Dummheit stieß, unmittelbar zu explodieren.« In dieser existentiellen Lebenskrise stößt er auf zwei Bücher: »Das abenteuerliche Herz Aufzeichnungen bei Tag und Nacht« und »Blätter und Steine« von Ernst Jünger. Die Wirkung auf den massiv Bedrängten ist phänomenal. Andres selbst spricht in einem Schreiben an Jünger von einer »Begegnung im Buch«. Jüngers Bücher sind für Andres mehr als Trost. Tiefe Übereinstimmung, ein Gefühl des Nicht-Alleinseins mit seiner Wahrnehmung. Der vorsichtige und etwas untertänige erste Brief sollte der Beginn einer Freundschaft sein, die weit mehr war als eine reine Brieffreundschaft, - auch wenn teils jahrlange Unterbrechungen geschahen. Dennoch ist die Beziehung, in der auch die beiden Ehefrauen eingebunden waren, durch einen liebevollen gegenseitigen Respekt geprägt, der sich über die insgesamt 33 Jahre bis zu Andres Tod nicht erschöpfte. Man verfolgte aufmerksam die gegenseitigen Veröffentlichungen; Andres bat regelmäßig den 11 Jahre älteren Schriftsteller-Kollegen um ein Urteil über seine Autorschaft. Ein interessantes Detail ist, dass Jünger Andres einmal um einen Rat bittet: Wie hoch sind eigentlich die Tantiemen bei einer Gesamtausgabe? Eine Begegnung im Buch, - mit dieser schönen Formulierung hat Andres die Überschrift geliefert, die heute über der Veröffentlichung dieses Briefwechsels stehen könnte. Andres war zutiefst geprägt durch seine Herkunft aus dem idyllischen und katholischen Moseltal, in das die Moderne brutal einbrach: Da man ab 1910 im Drohntal das Wasser zur Erzeugung von Strom nutzte, nahm man den Müllern, wie Andres Vater, die Existenz. So musste die Familie, als er vier Jahre alt war, den angestammten Lebensmittelpunkt aufgeben. Die Familie zog vom Dorf in den Ort. Während eines Besuches des Ehepaars Jünger bei den Andres 1968 in Italien charakterisierte Jünger seinen Gastgeber: »Andres ist einer der Moselaner, die sich im Süden wohler fühlen als bei uns. Bei ihnen findet man auch ausgeprägte Physiognomien; ich denke an Stefan George und Carl Schmitt. Unser Landrat sagte mir einmal nach einem Besuch von Andres: Der hat keinen Kopf; er hat ein Haupt. Dem entspricht die mimische Kraft.« Eine Begegnung im Buch, - das verdeutlicht in anschaulicher Weise Jüngers Perzeption des Seins, des Hier-Seins und Lebens. Denn Jünger betonte stets, für ihn gebe es mehrere Welten. Neben der, die für viele Menschen die einzige ist, hatte er mindestens noch die der Lektüre und die der Annäherung an andere Seinszustände mittels Drogen. So ist der tiefe Farbton dieser Korrespondenz eine warme Behaglichkeit. Mit einem Wort: Freundschaft. Vieles muss gar nicht ausgesprochen werden; häufig genügen Stichworte oder Andeutungen. Wesentliches wird dann im persönlichen Gespräch erläutert. Jünger an Andres am 12. April 1947: »[ ] Das fordert zu näherer Ergründung bei kontemplativer Trinkung heraus.« Dennoch ist der Gewinn an Erhellendem für Interessierte gewaltig. Der Leser ist ja grundsätzlich nur Zaungast. Er darf auf das Blicken, was ihm der Autor zuvor sorgfältig ausgebreitet, ausgewählt hat. Die Briefe, die Jünger an seine Freunde und Bekannten schrieb, sind nicht für eine Veröffentlichung geschrieben, sondern für den Empfänger und zum gegenseitigen Austausch. Daher gewähren sie einen Einblick in die Gedanken- und Gefühlswelt, der die primären Werke noch besser verstehen lässt. So lernen wir mit jedem weiteren Briefwechsel auch in gewisser Hinsicht einen neuen Jünger kennen. Seit dem Tode Ernst Jüngers im Jahr 1998 ediert sein Verlag, Klett-Cotta, mit dieser Korrespondenz nun bereits den sechsten Briefwechsel. Wir sind gespannt auf alle weiteren. Am 1. August 1937 nimmt der 31jährige Stefan Andres mit einem Brief Verbindung zu Ernst Jünger auf. Er war mit seinem Studium der Germanistik, Kunstgeschichte und Philosophie gerade von Köln für ein Semester nach Jena gewechselt. In tief katholischem Milieu aufgewachsen, hatten seine Eltern für ihn eigentlich die Priesterlaufbahn vorgesehen. In Wahrheit war Andres längst produktiver Autor: drei Romane, mehrere Erzählungen und ein kleiner Gedichtband waren bereits erschienen. Jedoch besagt dieser biographische Eckpfeiler wenig über Andres wirkliche Lebenssituation zu dieser Zeit. Diese war von bitterer Armut und täglichem Überlebenskampf bestimmt. Zwei Töchter wollten ernährt werden; Anfang 1935 war er wohl aufgrund seiner politischen Gesinnung als freier Mitarbeiter vom Reichssender Köln entlassen worden. Außerdem fühlte sich Andres im nationalsozialistischen Deutschland unwohl und gefährdet. 1936 ging er mit seiner Familie nach München in der Hoffnung, hier Anschluss an die Künstlerszene zu finden, um aus seiner bedrückenden Isolation herauszukommen. Dies misslang gründlich. Andres selbst resümierte später: »Ich hatte nämlich den Makel einer halbjüdischen Frau an mir und überdies neigte ich dazu, wenn ich auf gefühlsbetonte und zugleich arrogante, also typisch deutsche Dummheit stieß, unmittelbar zu explodieren.« In dieser existentiellen Lebenskrise stößt er auf zwei Bücher: »Das abenteuerliche Herz Aufzeichnungen bei Tag und Nacht« und »Blätter und Steine« von Ernst Jünger. Die Wirkung auf den massiv Bedrängten ist phänomenal. Andres selbst spricht in einem Schreiben an Jünger von einer »Begegnung im Buch«. Jüngers Bücher sind für Andres mehr als Trost. Tiefe Übereinstimmung, ein Gefühl des Nicht-Alleinseins mit seiner Wahrnehmung. Der vorsichtige und etwas untertänige erste Brief sollte der Beginn einer Freundschaft sein, die weit mehr war als eine reine Brieffreundschaft, - auch wenn teils jahrlange Unterbrechungen geschahen. Dennoch ist die Beziehung, in der auch die beiden Ehefrauen eingebunden waren, durch einen liebevollen gegenseitigen Respekt geprägt, der sich über die insgesamt 33 Jahre bis zu Andres Tod nicht erschöpfte. Man verfolgte aufmerksam die gegenseitigen Veröffentlichungen; Andres bat regelmäßig den 11 Jahre älteren Schriftsteller-Kollegen um ein Urteil über seine Autorschaft. Ein interessantes Detail ist, dass Jünger Andres einmal um einen Rat bittet: Wie hoch sind eigentlich die Tantiemen bei einer Gesamtausgabe? Eine Begegnung im Buch, - mit dieser schönen Formulierung hat Andres die Überschrift geliefert, die heute über der Veröffentlichung dieses Briefwechsels stehen könnte. Andres war zutiefst geprägt durch seine Herkunft aus dem idyllischen und katholischen Moseltal, in das die Moderne brutal einbrach: Da man ab 1910 im Drohntal das Wasser zur Erzeugung von Strom nutzte, nahm man den Müllern, wie Andres Vater, die Existenz. So musste die Familie, als er vier Jahre alt war, den angestammten Lebensmittelpunkt aufgeben. Die Familie zog vom Dorf in den Ort. Während eines Besuches des Ehepaars Jünger bei den Andres 1968 in Italien charakterisierte Jünger seinen Gastgeber: »Andres ist einer der Moselaner, die sich im Süden wohler fühlen als bei uns. Bei ihnen findet man auch ausgeprägte Physiognomien; ich denke an Stefan George und Carl Schmitt. Unser Landrat sagte mir einmal nach einem Besuch von Andres: Der hat keinen Kopf; er hat ein Haupt. Dem entspricht die mimische Kraft.« Eine Begegnung im Buch, - das verdeutlicht in anschaulicher Weise Jüngers Perzeption des Seins, des Hier-Seins und Lebens. Denn Jünger betonte stets, für ihn gebe es mehrere Welten. Neben der, die für viele Menschen die einzige ist, hatte er mindestens noch die der Lektüre und die der Annäherung an andere Seinszustände mittels Drogen. So ist der tiefe Farbton dieser Korrespondenz eine warme Behaglichkeit. Mit einem Wort: Freundschaft. Vieles muss gar nicht ausgesprochen werden; häufig genügen Stichworte oder Andeutungen. Wesentliches wird dann im persönlichen Gespräch erläutert. Jünger an Andres am 12. April 1947: »[ ] Das fordert zu näherer Ergründung bei kontemplativer Trinkung heraus.« Dennoch ist der Gewinn an Erhellendem für Interessierte gewaltig. Der Leser ist ja grundsätzlich nur Zaungast. Er darf auf das Blicken, was ihm der Autor zuvor sorgfältig ausgebreitet, ausgewählt hat. Die Briefe, die Jünger an seine Freunde und Bekannten schrieb, sind nicht für eine Veröffentlichung geschrieben, sondern für den Empfänger und zum gegenseitigen Austausch. Daher gewähren sie einen Einblick in die Gedanken- und Gefühlswelt, der die primären Werke noch besser verstehen lässt. So lernen wir mit jedem weiteren Briefwechsel auch in gewisser Hinsicht einen neuen Jünger kennen. Seit dem Tode Ernst Jüngers im Jahr 1998 ediert sein Verlag, Klett-Cotta, mit dieser Korrespondenz nun bereits den sechsten Briefwechsel. Wir sind gespannt auf alle weiteren. geschrieben am 26.04.2007 | 716 Wörter | 4236 Zeichen -- Tobias Wimbauer / Wimbauer Buchversand Waldhof Tiefendorf Tiefendorfer Str. 66 58093 Hagen-Berchum http://www.waldgaenger.de/tiefendorf.JPG www.waldgaenger.de USt-IdNr.: DE251720280 unsere Angebote (ZVAB, AbeBooks, Amazon, Zeusman, Booklooker, Antbo, Antiquario, Antikbuch24 und Allstores) finden Sie hier: http://www.waldgaenger.de/wimbauerbuchversand.html einen Büchergruß an TW senden: http://www.amazon.de/exec/obidos/registry/IBSBOT1B05VN/ref=wl_em_to _______________________________________________ Juenger-list mailing list Juenger-list@juenger.org http://www.pairlist.net/mailman/listinfo/juenger-list