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Klimagas aus der Arktis?

Wissenschaftler finden Anzeichen für eine Methan-Quelle im arktischen Ozean,
die Eisdecke wird unterdessen immer fragiler

Wolfgang Pomrehn 25.04.2012

In der Atmosphäre über dem arktischen Ozean ist offensichtlich die
Methan-Konzentration gestiegen. Das ergaben Messungen, die US-amerikanischer
Wissenschaftler 2009 und 2010 durchführten und jetzt veröffentlicht [1]
haben. Durchgeführt wurden sie mit einem Flugzeug über der
Tschukschtschensee nördlich der Behringstraße sowie der östlich daran
anschließenden Beaufortsee, die die Küstengewässer des östlichen Alaskas
darstellt und an die kanadischen Arktisinseln angrenzt (Karte auf Wikipedia
[2]).

Methan (CH4) ist wie das Kohlendioxid ein Treibhausgas und im Vergleich
Molekül zu Molekül etwa zwanzigmal effektiver als dieses. Die erhöhte
Konzentration ist mit etwa 0,5 Prozent relativ moderat, allerdings passt die
Nachricht zu ähnlichen Forschungsergebnissen aus anderen Teilen der Arktis
und zu der Tatsache, dass die globale Methan-Konzentration in der Atmosphäre
seit einigen Jahren wieder ansteigt. Dass die Quelle des Methans das Meer
sein muss, schließen die US-amerikanischen Wissenschaftler daraus, dass
erhöhte Konzentrationen nur dort gemessen wurden, wo es Lücken in der
Eisbedeckung gab oder das Meer gänzlich frei war. Mehr zum Thema Methan in
der nächsten Wochenschau [3].

In der Arktis hat derweil das sommerliche Abtauen des Meereises begonnen.
Ende März hat die Eisfläche ihr diesjähriges Maximum erreicht, 12 Tage
später als im Mittel der letzten 32 Jahre üblich. Allerdings ist das nicht
ganz ungewöhnlich. Generell ist eine leichte Verschiebung des Eismaximums
von Mitte März zum Ende des Monats zu beobachten, was angesichts der
überdurchschnittlichen Erwärmung der Arktis auf den ersten Blick verwundert.
Die Wissenschaftler am National Snow and Ice Data Center (NSIDC) der USA
meinen [4], das könnte eventuell daran liegen, dass auch im Winter das Eis
nicht mehr so weit ausgedehnt ist wie früher. Wenn weiter im Norden das Meer
eisfrei bleibt, dann kann dort bis zum März hin ein Kälteeinbruch immer noch
das Wasser frieren lassen.

--
Im März 2012 war der größte Teil des arktischen Ozeans nur von dünnem
einjährigen Eis bedeckt.
http://www.heise.de/bilder/151878/0/1
Bild: NSIDC, J. Maslanik und M. Tschudi
--

Auf den sommerlichen Eisverlust wird das etwas spätere Maximum aber
voraussichtlich keinen Einfluss haben. Der wird von anderen Faktoren wie
Temperatur, Windregime und Eisdicke bestimmt. Letztere bzw. das Eisvolumen
ist für die Polarforscher neben der Ausdehnung die zweite wichtige Größe,
die sie messen, um die Rolle die Entwicklung des Meereises zu verfolgen. Je
dünner das Eis, desto anfälliger wird es für größere Verluste während des
Sommers, wobei dünner zugleich in der Regel jünger heißt, denn das Eis
wächst mit den Jahren.

Die von J. Maslanik und M. Tschudi an der Universität von Colorado
ausgewerteten Satellitendaten zeigen, dass altes Eis insbesondere seit 2005
deutlich abgenommen hat. Inzwischen wird nur noch ein ganz kleiner Teil des
arktischen Ozeans nördlich Grönlands und des arktischen Archipels von dickem
Eis bedeckt, das älter als vier Jahre ist. Der allergößte Teil des
Polarmeeres hat hingegen eine Eisdecke die nur noch ein Jahr und
entsprechend dünn ist.

Die Ausdehnung des arktischen Meereises schwankt regelmäßig im Rhythmus der
Jahreszeiten. Seine geringste Ausdehnung erreicht es für gewöhnlich zum
Ausgang des Sommers Mitte bis Ende September. Entsprechend der an arktischen
Stationen beobachteten überdurchschnittlichen Erwärmung ist auch der
sommerliche Rückzug des Eises heute ausgeprägter und die Dauer, über die
immer weitere Flächen des Meeres der Sonne ausgesetzt sind, länger als noch
in den 1980er oder 1990er Jahren.

--
Der Anteil des älteren Eises und damit auch die Eisdicke nehmen immer mehr
ab.
http://www.heise.de/bilder/151878/1/1
Bild: NSIDC, J. Maslanik und M. Tschudi
--

Der Trend zeigt zudem weiter nach unten, und ein sommerlich eisfreier
arktischer Ozean wird seinerseits zur Verstärkung der globalen Erwärmung
führen. Das geschieht auf verschiedene Arten. Zum einen wirft das Meereis
heute noch im Sommer im Durchschnitt etwa 60 Prozent der Sonnenstrahlung
zurück, die auf den gefrorenen Panzer trifft. Das offene Meer reflektiert
hingegen viel weniger, sondern nimmt mehr Strahlung als Wärme auf, die
schließlich auch die umliegenden Küstenregionen erwärmen wird.

Zum andern können durch die Erwärmung weitere Klimagase aus den
Permafrostböden an Land sowie unter dem Meeresboden mobilisiert werden. In
welchem Maße und Tempo dies erfolgen kann, ist bisher noch unklar und
Gegenstand verschiedener Forschungsprojekt. Erste Anzeichen, dass in der
Arktis neue Methan-Quellen entstehen, gibt es bereits, wie oben geschildert.

Links

[1] http://www.sciencedaily.com/releases/2012/04/120424145145.htm
[2] http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Datei:Chukchi_Sea_map.png
[3] http://www.heise.de/tp/inhalt/schau/default.html
[4] http://nsidc.org/arcticseaicenews/2012/04/arctic-sea-ice




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