klimaretter.info
http://www.klimaretter.info/ernaehrung/hintergrund/17184

Samstag, 04. Oktober 2014

Die Wiege der Hochkulturen trocknet aus

Der Nahe Osten erlebt die schwerste Dürre seit Jahrzehnten. Der "Fruchtbare
Halbmond", der vor mehreren tausend Jahren die ersten Hochkulturen
hervorbrachte, droht auszutrocknen. Als ob Krieg und Terror nicht genug
wären, leiden Irak und Syrien gerade unter der zweiten Dürreperiode
innerhalb von fünf Jahren

Aus Bangkok Christian Mihatsch

Seit dreieinhalb Jahren tobt der Bürgerkrieg in Syrien. Seither wurde eine
Viertelmillion Menschen getötet und neuneinhalb Millionen, knapp die Hälfte
aller Syrer, wurden zu Flüchtlingen im eigenen Land oder in den
Nachbarstaaten. Einer dieser Nachbarn steht nun seinerseits vor dem Kollaps.
Der "Islamische Staat" IS hat weite Teile Iraks unter seine Kontrolle
gebracht und droht mit der Ausrottung aller Minderheiten. Doch selbst ohne
diese Kriege stünde der Nahe Osten vor einem katastrophalen Jahr.

Mindestens seit 1970 hat es nicht mehr so wenig geregnet wie 2014, das zeigt
der Standardisierte Niederschlagsindex SPI [1]. Betroffen sind davon Syrien,
Irak, Libanon, Jordanien und die palästinensischen Gebiete. Nur Israel hat
dank der Entsalzung von Meerwasser und modernen Bewässerungsanlagen keinen
Wassermangel.

Dabei liegt die letzte Dürre im Nahen Osten nur vier Jahre zurück. In den
Jahren 2006 bis 2010 herrschte ebenfalls Trockenheit, was über steigende
Lebensmittelpreise und Landflucht zum "Arabischen Frühling" beigetragen hat.
"Ich glaube nicht, dass man in den letzten hundert Jahren eine
Fünf-Jahres-Periode finden kann, die so trocken war", sagt Mohammad Raafi
Hossain [1] von der UN-Landwirtschaftsorganisation FAO.

Sumerer, Babylonier, Assyrer, Perser und Römer

Die Dürre trifft eine Region, die als "Fruchtbarer Halbmond" [2] bekannt
ist. Dieser Niederschlagsgürtel ermöglichte vor 10.000 Jahren die
neolithische Revolution, den Übergang von den Nomaden zu sesshaften Bauern,
die Ackerbau und Viehzucht betreiben. In der Folge entwickelten sich im
Zweistromland zwischen den Flüssen Euphrat und Tigris die ersten
Hochkulturen. Vor rund 6.000 Jahren bauten dort die Sumerer die Stadt Ur,
erfanden das Rad und entwickelten die Keilschrift. Später kamen Babylonier,
Assyrer, Perser, Alexander der Große, die Römer und schließlich das
Osmanische Reich.

Alle profitierten von den fruchtbaren Böden und den großen Flüssen, die aus
dem Taurus in der heutigen Türkei und dem Zagros-Gebirge in Iran sowie den
Golan-Höhen im Nahen Osten gespeist werden. Diese Gebirge dienen als
natürliche Wasserspeicher des Fruchtbaren Halbmonds. Die Schneemassen, die
dort in den Wintermonaten fallen, tauen in der trockenen Zeit von April bis
September langsam ab und füllen die Flüsse und damit die Bewässerungskanäle
der Bauern.

Doch die Landschaft, die 6.000 Jahre lang eine Hochkultur nach der anderen
ermöglicht hat, ist in Gefahr. Seit Mitte des letzten Jahrhunderts wird es
im Nahen und Mittleren Osten immer wärmer [3]. Die diesjährigen Monate März,
April und Mai waren in Irak die heißesten seit 1880 [4].

Klimawandel trifft Übernutzung

Und der Trend dürfte sich fortsetzen, wie eine Studie der Weltbank zeigt
[5]. Die Bank erwartet für die Region eine Erwärmung um bis zu drei Grad in
den nächsten 40 Jahren. Was das bedeutet, zeigt ein Niederschlagsmodell [6]
für den Fruchtbaren Halbmond: In der Südtürkei, Syrien, Israel und Libanon
gehen die Niederschlagsmengen um fünf bis 20 Zentimeter pro Jahr zurück.
Dadurch reduziert sich die Wassermenge im Euphrat um ein Drittel und im
Jordan sogar um 80 Prozent. Die Studie kommt zu dem Schluss: "Der Fruchtbare
Halbmond wird seine gegenwärtige Form verlieren und könnte sogar ganz
verschwinden."

Der Klimawandel ist aber nicht die einzige Gefahr für den Fruchtbaren
Halbmond. Hinzu kommen das Bevölkerungswachstum und das schlechte Management
der natürlichen Ressourcen [7]. In Jordanien, Irak und Syrien wächst die
Bevölkerung um zwei bis drei Prozent im Jahr. Damit wird sie sich in diesen
Ländern bis 2050 ungefähr verdoppeln.

Dabei leben viele dieser Länder schon heute von ihrer ökologischen Substanz.
So fällt in Syriens Hauptstadt Damaskus der Grundwasserspiegel um sechs
Meter pro Jahr [8] und im Osten des Landes rückt wegen massiver Überweidung
die Wüste vor. Kurz, wenn dereinst die Kriege im Nahen Osten beendet sind,
ist vom "Fruchtbaren Halbmond" womöglich kaum noch etwas übrig.

Im Text verwendete Links:

1. http://reut.rs/1geQf69
2. http://de.wikipedia.org/wiki/Fruchtbarer_Halbmond
3. http://nyti.ms/1cSw9wk
4. http://tinyurl.com/o5y9nkw (slate.com)
5. http://gu.com/p/3ck5t
6. http://www.tau.ac.il/~pinhas/papers/2008/Kitoh_et_al_HRL_2008a.pdf
7. http://www.klimaretter.info/umwelt/hintergrund/16864
8. http://www.tandfonline.com/doi/pdf/10.1080/00263206.2013.850076




° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° °
Ende der weitergeleiteten Nachricht ° Alle Rechte bei den Autor*innen
Unverlangte und doppelte Zusendungen bitten wir zu entschuldigen
Abbestellen: mailto:greenho...@jpberlin.de?subject=unsubscribe


° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° °
Greenhouse Infopool Berlin
http://twitter.com/greenhouse_info

… oder via Facebook (Beta), RSS-Feed, Mailingliste:
http://www.facebook.com/mika.latuschek
http://tinyurl.com/greenhouse-feed
https://listen.jpberlin.de/mailman/listinfo/greenhouse-info



_______________________________________________
Pressemeldungen mailing list
Pressemeldungen@lists.wikimedia.org
https://lists.wikimedia.org/mailman/listinfo/pressemeldungen

Antwort per Email an