NABU-PRESSEEINLADUNG | PRESSEMITTEILUNG | NR 42/16 | 20. APRIL 2016
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Umwelt/Verkehr
NABU-Studie: Schärfere Grenzwerte für Schiffsemissionen in Nord- und
Ostsee sorgen für klare Verbesserung der Luftqualität
Miller: Umweltzone auf See (SECA) zeigt Wirkung – Befürchtungen der
Reeder waren unbegründet 
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Hamburg – Bereits gut ein Jahr seit Einführung verschärfter
Schwefelgrenzwerte für Schiffskraftstoffe ist die
Luftschadstoffbelastung in Nord- und Ostsee erheblich zurückgegangen.
Das ist das Ergebnis einer heute vom NABU vorgestellten Studie.
Wissenschaftler des niederländischen Forschungsinstitus CE Delft haben
im Auftrag des NABU erstmalig für Europa ausgewertet, wie sich die
erhöhten Anforderungen an die Kraftstoffqualität in
Schwefelemissionskontrollgebieten (Sulphur Emission Control Area: SECA)
auf Umwelt und maritime Wirtschaft auswirken. 
 
Die Untersuchungen zeigen auch, dass sich Bedenken der Reeder nicht
bestätigten. Diese hatten wegen der schärferen Vorgaben für den
Schiffsdiesel vor signifikanten Kostensteigerungen und einer Verlagerung
von Verkehren auf die Straße gewarnt. Der maximale Schwefelanteil für
Schiffskraftstoffe in Nord- und Ostsee sowie dem Ärmelkanal war durch
die Internationale Seeschifffahrts-Organisation IMO zum 1. Januar 2015
von 1,0 Prozent auf 0,1 Prozent gesenkt worden. 
 
NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller: „Die Umweltzone auf See zeigt
Wirkung. Unsere Studienergebnisse belegen die durchweg positive
volkswirtschaftliche Bilanz. Durch die Verwendung höherwertiger
Kraftstoffe konnte der Ausstoß von Schiffsabgasen um 50 Prozent und mehr
gesenkt werden. Entsprechend geringer fielen die Kosten für Gesundheits-
und Umweltbelastungen aus, die die Gesellschaft zu tragen hat. Die SECA
ist ein europäisches Erfolgsmodell, von dem das klare Signal ausgeht,
jetzt auch global die Standards zu verschärfen.“ Die Abgasbelastung
durch die internationale Schifffahrt stehe in keinem Verhältnis zum
heutigen Technologiestand verfügbarer Abgassysteme. Während die
Emissionen von Lkw, Pkw und Baumaschinen an Land zunehmend reguliert
seien, genössen  Schiffe nach wie vor ein nicht länger hinnehmbares
Verschmutzungsprivileg und hätten beim Thema Umweltschutz einen klaren
Nachholbedarf. Miller: „Wir müssen uns schnellstmöglich vom giftigen
Schweröl als Treibstoff verabschieden und flächendeckend Abgassysteme in
den Schiffen installieren.“
 
NABU-Verkehrsexperte Dietmar Oeliger: „Die Luftqualität könnte sogar
noch deutlich besser sein, denn das große Manko der derzeitigen SECA
sind fehlende Kontrollen. Derzeit wird lediglich punktuell im Hafen
kontrolliert, weshalb wir eine hohe Dunkelziffer an Gesetzesverstößen
auf See vermuten. Der wirtschaftliche Anreiz, gegen geltendes Recht zu
verstoßen und mit billigerem Schweröl zu fahren, ist einfach zu groß,
während das Risiko erwischt zu werden, verschwindend gering ist.“
Zudem belaufen sich die Geldstrafen in vielen Ländern auf wenige Hundert
bis Tausend Euro, was keinen abschreckenden Effekt haben dürfte.
Mittlerweile melden sich nach Beobachtungen des NABU selbst aus der
Schifffahrtsbranche vermehrt Stimmen, die stärkere Kontrollen fordern,
weil sie Wettbewerbsnachteile aufgrund von betrügerischen Aktivitäten
der Konkurrenz fürchten. „Fest installierte Messgeräte an Bord jedes
Schiffes, stichprobenartige Kontrollen auch auf offener See und in
Küstengewässern sowie deutlich höhere Strafen sind hier die einzig
zielführenden Maßnahmen, die Einhaltung bestehender Gesetze
flächendeckend zu gewährleisten“, so Oeliger.
 
Mit Blick auf die geplante Absenkung der globalen Schwefelgrenzwerte
von Schiffstreibstoffen von derzeit maximal 3,5 Prozent auf 0,5 Prozent
ab 2020 lässt sich bereits heute sagen, dass die volkswirtschaftlichen
Vorteile eventuelle Mehrkosten durch hochwertigere Kraftstoffe deutlich
übertreffen werden. „Jeder Euro und jeder Dollar, der mehr in eine
sauberere Schifffahrt gesteckt wird, kommt allen Menschen und der Umwelt
doppelt und dreifach zugute. Die Internationale
Seeschifffahrtsorganisation IMO muss daher bei ihrem Zeitplan bleiben
und bereits in vier Jahren strengere Grenzwerte umsetzen“, so Axel
Friedrich, internationaler Verkehrsexperte und wissenschaftlicher
Berater des NABU.
 
Weitere Ergebnisse der Studie im Überblick:
 
-          Die Luftqualität in Küstengebieten hat sich nach
Verschärfung der Schwefelgrenzwerte von maximal 1 Prozent auf 0,1
Prozent im Jahr 2015 deutlich im Vergleich zum Vorjahr verbessert. In
einigen Ländern wurde ein Rückgang von Schwefeldioxid (SO2) von 50
Prozent und darüber hinaus gemessen.
 
-          Die Verschärfung der Schwefelgrenzwerte in Nord- und Ostsee
führte zur Vermeidung erheblicher volkswirtschaftlicher Kosten,
insbesondere durch die Reduzierung von Gesundheits- und Umweltschäden,
obwohl externe Kosten etwa durch Ernteschäden oder Schäden an Gebäuden
in der Studie noch gar nicht berücksichtigt wurden.
 
-          Allein durch vermiedene Kosten im Gesundheitssektor konnten
4,4 bis acht Milliarden Euro pro Jahr eingespart werden. Demgegenüber
standen zusätzliche Kraftstoffkosten von 2,3 Milliarden Euro, so dass
sich allein in diesem Bereich ein Kosten-Nutzen-Verhältnis von 1,9 bis
3,5 ergibt.
 
-          Die ausreichende Verfügbarkeit von höherwertigem
Marinediesel mit 0.1 Prozent Schwefelanteil infolge der Umstellung war
unproblematisch. Auch eine Kostensteigerung konnte nicht festgestellt
werden, zumal niedrige Ölpreise vorlagen.
 
-          Der Preis für Marinediesel sank sogar deutlicher als der
Preis für Schweröl sowie Straßendiesel.
 
-          Auf Seiten der maritimen Wirtschaft konnten weder
signifikante Verschiebungen der Transportleistung hin zum
Straßengüterverkehr entlang der SECA-Gebiete festgestellt werden,
noch konnte das Einstellen von einzelnen Fährverbindungen auf die neue
SECA-Regelung zurückgeführt werden. 
 
-          Das Geschäft von Roll-On-Roll-Off-Fähren, die überwiegend
oder ausschließlich in der SECA fahren, wurde Branchenaussagen zufolge
bisher nicht von den verschärften SECA-Anforderungen tangiert. Einige
Anbieter berichteten sogar von Zuwächsen bis hin zu Rekordgewinnen in
2015 oder richteten neue Services ein.
 
-          Von den kontrollierten Schiffen entsprachen laut den Daten
von EMSA drei bis neun Prozent nicht den gesetzlichen Vorgaben.
Überwachungsflüge auf See zeigten hingegen, dass bis zu 30 Prozent
der Schiffe Kraftstoffe mit zu geringer Qualität verwendeten. Auch
Experten weisen darauf hin, dass auf hoher See ein deutlich höherer
Anteil der Schiffe nicht gesetzeskonform unterwegs ist. Hier werden
dringend mehr und qualitativ bessere Daten benötigt, um gesicherte
Aussagen treffen zu können.
 
-          Art und Umfang der Kontrollen müssen deutlich erhöht werden,
um die gesetzlich vorgegebene Quote einhalten zu können. Die zuständigen
Behörden tragen die Verantwortung dafür, dass die Kontrollquote erreicht
wird, ausreichend Personal vorhanden ist und dieses entsprechend
geschult wird.
 
-          Sanktionen sind derzeit überwiegend so ausgestaltet, dass
sie keine abschreckende Wirkung entfalten. Hier sollte dringend
nachgebessert werden. Darüber hinaus sollten Informationen über Verstöße
an andere Hafenstandorte weitergegeben werden, um auch dort Kontrolle zu
erleichtern bzw. anzuregen. 
 
 
Die vollständige Studie „SECA Assesment: Impacts of 2015 SECA marine
fuel sulphur limits“ des niederländischen Forschungsinstitus CE Delft
finden Sie hier:
www.nabu.de/imperia/md/content/nabude/verkehr/nabu-seca-studie2016.pdf
 
Mehr Infos: 
www.nabu.de/umwelt-und-ressourcen/verkehr/schifffahrt/index.html
 
Kostenfreies Pressefoto: 
https://www.nabu.de/downloads/fotos/risiko-containerschiff.jpg
 
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Dr. Axel Friedrich, Internationaler Verkehrsexperte, E-Mail:
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