NABU-PRESSEMITTEILUNG | NR 112/17 | 5. OKTOBER 2017

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Umwelt/EU/Glyphosat

NABU fordert Neubewertung bei Glyphosat-Zulassung

Miller: Agrarreform muss Landwirte aus Pestizid-Teufelskreis befreien -
Naturverträgliche Alternativen fördern

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Berlin/Brüssel – Mit Blick auf das heute veröffentlichte
Sachverständigengutachten, das die Plagiatsvorwürfe gegen den
Glyphosat-Bericht des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR)
bestätigt, fordert der NABU eine Neubewertung des Mittels im
EU-Zulassungsverfahren. Die Zulassung des Wirkstoffs läuft nach
EU-Pflanzenschutzrecht zum Jahresende aus. Die EU-Kommission hat eine
Verlängerung der Zulassung um zehn Jahre vorgeschlagen.

 

„Es ist offensichtlich, dass das BfR keine eigenständige Bewertung der
zitierten Studien vorgenommen hat. Einen weiteren Freifahrtschein für
Glyphosat darf es nicht geben, solange der Verdacht besteht, dass bei
der Risiko-Analyse die Industrie die Richtung vorgegeben hat. Der
Vorfall zeigt auch einmal mehr, dass das Zulassungsverfahren einer
dringenden Überarbeitung bedarf“, sagte NABU-Bundesgeschäftsführer Leif
Miller. 

 

Vor dem Hintergrund, dass die wissenschaftliche Plausibilität des
BfR-Gutachtens nicht mehr gegeben ist, begrüßt der NABU, dass der
zuständige Ausschuss der Mitgliedstaaten das Thema heute von der
Tagesordnung genommen hat. Eine andere Entscheidung hätte das
Vertrauenin die Glaubwürdigkeit der EU- Institutionen in seinen
Grundfesten erschüttert und das Vorsorgeprinzip ad absurdum geführt. Die
Gesundheit von Millionen EU-Bürgerinnen und Bürger und der Schutz der
biologischen Vielfalt stünden auf dem Spiel. „Die Debatte um eine
Neuzulassung von Glyphosat darf erst wieder fortgesetzt werden, wenn
eine Bewertung vorliegt, welche auch die Leitlinien der guten
wissenschaftlichen Praxis erfüllt“, so Miller weiter, „bis dahin sollte
der Einsatz von Glyphosat EU-weit ausnahmslos verboten werden.“

 

Das heute vorgelegte Gutachten des Plagiatsprüfers Stefan Weber kommt
zu dem Ergebnis, dass das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung
als die für das Zulassungsverfahren wichtige Behörde seine Bewertung des
Totalherbizids Glyphosat über viele Seiten vom Glyphosathersteller
Monsanto eins zu eins abgeschrieben hat. Es zeigt, wie anfällig das
System für den Einfluss der Chemieindustrie ist. Der NABU fordert seit
Langem mehr Transparenz im EU-Zulassungsprozess für Pestizide. Darüber
hinaus müssten die ökologischen Auswirkungen von Pestiziden realitätsnah
mit Vertreterarten aus naturnahen Ökosystemen in die Risikobewertung
einfließen. „Die dramatischen Rückgänge in der Vogel- und Insektenwelt
sind ein deutlicher Weckruf, dass mit den bisherigen zur Bewertung
eingesetzten Arten nicht die beste Wahl getroffen wurde“, so Miller
weiter.

 

Auch müsse das BfR im Agrar- und Umweltausschuss des Europäischen
Parlamentes in der für den 11. Oktober vorgesehenen Anhörung unbedingt
Stellung zu den Plagiatsvorwürfen beziehen. „Sollte das BfR jedoch
nichts an der Entscheidung ändern, und nicht zur Anhörung erscheinen,
muss die EU-Kommission ernsthaft abwägen, ob das BfR zukünftig überhaupt
noch in die Risikobewertung einbezogen werden sollte“, so Miller.
„Darüber hinaus sollte sich Bundeslandwirtschaftsminister Schmidt
dringend Gedanken darüber machen, ob BfR-Präsident Hensel noch die
geeignete Personalie für ein solch verantwortungsvolles Amt ist.“  

 

„Insgesamt ist ein Umsteuern in der Landwirtschaft überfällig. Um dies
zu erleichtern, ist eine Reform der EU-Agrarförderung nötig, bei der
Landwirte, die Leistung für den Naturschutz  erbringen, dafür entlohnt
werden“, so Miller weiter. Ein Mittel sei die Einrichtung eines
EU-Naturschutzfonds, der besondere Naturschutzleistungen der Landwirte
honoriere. Davon könnten auch Landwirte profitieren, die den
Pestizideinsatz drastisch reduzieren oder gänzlich aussetzen. Statt der
bisherigen pauschalen Flächenförderung, die zu immer intensiverer
Nutzung mit enormen ökotoxikologischen Schäden an der Biodiversität, zum
Rückgang von Insekten und Vögeln, aber auch zu einer nicht mehr
vertretbaren Belastung von Böden und Grundwasser führt, sollte die
Produktion, Vermarktung und Nachfrage von Lebensmitteln, die pestizidarm
produziert wurden, gefördert werden.



Mehr zu den NABU-Forderungen für die künftige Agrarpolitik:
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