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Posted on: Wednesday, February 7, 2018 7:30 AM
Author: Florian Rötzer (f...@heise.de)
Subject: Kleinste Plastikteilchen könnten global terrestrische Ökosysteme 
negativ verändern

Nicht nur die Meere und Gewässer sind von teils toxisch wirkenden 
Mikroplastikteilchen kontaminiert, sondern wahrscheinlich in weit höherem Maße 
auch die Böden - und über die Nahrung nehmen die Menschen sie auf

In den Meeren sammelt sich das moderne Wundermaterial Plastik zu riesigen 
Inseln an, rieselt in Form von Mikroplastik auf den Meeresboden, Tiere nehmen 
diese mitsamt den Giftstoffen auf, so dass sie letztlich auch wieder im 
menschlichen Körper landen [1]. Und es wird immer schlimmer. Weltweit wurden 
2016 335 Millionen Tonnen Plastik produziert. Ohne Plastik würde die 
Landwirtschaft nicht mehr funktionieren, ganze Regionen verschwinden unter 
einem Plastikmeer, das sich entsprechend auf dem Land und im Grundwasser 
verbreitet [2].

In jedem Lebensmittelladen, auch in Bio-Läden, ist Plastik allgegenwärtig, auch 
wenn nun eher symbolisch zum Einpacken auch Papiertüten angeboten werden. In 
den Haushalten, in der Technik und in der Industrie ist Plastik allgegenwärtig. 
Mehr als 8 Milliarden Tonnen Plastik wurden weltweit in 60 Jahren hergestellt, 
fast 5 Milliarden Tonnen sind bislang in der Umwelt oder auf Müllhalden 
gelandet [3].

Das Problem ist lange bekannt. So einfach Plastik zu produzieren und so 
praktisch es ist, so problematisch ist es auch, weil es in der Regel nicht 
biologisch abbaubar ist, sondern zerfällt und sich dann auch in Form von 
Mikropartikeln überall in der Umwelt und in den Körpern ablagert. Dass das 
Problem sich keineswegs nur auf die Meere und Binnengewässer erstreckt, sondern 
auch auf die Böden, haben nun Wissenschaftler vom Leibniz-Institut für 
Gewässerökologie und Binnenfischerei [4] (IGB) und der FU Berlin in einer 
Studie in ihrer Studie [5] hervorgehoben [6], die in der Zeitschrift Global 
Change Biology erschienen ist. Bislang wurde dies nur wenig beachtet.

Die Wissenschaftler haben Studien über die Auswirkungen von Mikroplastik 
(Partikel kleiner als 5 mm) auf terrestrische Ökosysteme ausgewertet. Es zeigt 
sich, dass Plastikpartikel, die durch den Zerfall größerer Teile entstehen, 
weltweit praktisch überall vorhanden sind. Offenbar überziehen wir die Welt in 
einem planetaren Versuch mit Plastik. Das liegt nicht nur unästhetisch und 
unappetitlich überall herum, sondern kleineste Plastikpartikel, die in 
Nanogröße praktisch überall eindringen können, bringen eine Reihe von 
Gefährdungen mit sich. Schon zuvor hatten Wissenschaftler des IGB gezeigt, dass 
Mikroplastik für Ökosysteme schädlich ist, wenn es von bestimmten Organismen in 
Seen aufgenommen wird.

Nach der Studie ist die Kontamination durch Mikroplastik auf dem Land viel 
größer als in den Meeren. Verbreitet wird Mikroplastik u.a. durch Abwasser: "80 
bis 90 Prozent der darin enthaltenen Partikel, etwa von Kleiderfasern, 
verbleiben im Klärschlamm. Dieser wird häufig als Dünger auf Felder 
ausgebracht, wodurch jährlich viele Tausend Tonnen Mikroplastik auf unseren 
Böden landen."

Nanoteilchen können in Zellen eindringen und die Blut-Hirn-Schranke überwinden

Mikroplastik kann unmittelbar Ökosysteme schädigen. Durch den Zerfall erhalten 
Plastikpartikel neue physikalische und chemische Eigenschaften, die toxisch 
sein können. Auf den Oberflächen von Mikroplastikpartikeln können sich 
krankheitserregende Organismen ansiedeln und Krankheiten in die Umwelt 
verbreiten. Auch die Tiere im Boden sowie dieser selbst können beeinträchtigt 
werden. Als Beispiel werden Regenwürmer genannt, die bei Anwesenheit von 
Plastikpartikeln im Boden ihre Höhlen anders bauen und damit ihr Verhalten und 
die Bodenbeschaffenheit verändern. Veränderte chemische Eigenschaften können 
aber größere Risiken mit sich bringen. So treten bei der Zersetzung Additive 
wie Phthalate und Bisphenol A aus, die bei Wirbeltieren ebenso wie bei einigen 
Wirbellosen zu Störungen des Hormonsystems führen. Aber damit nicht genug:

"Außerdem können Teilchen in Nanogröße Entzündungen auslösen, Zellbarrieren 
überwinden oder verändern und sogar besonders selektive Membranen wie die 
Blut-Hirn-Schranke oder die Plazenta überwinden. Innerhalb der Zelle können sie 
unter anderem Änderungen der Genexpression und biochemische Reaktionen 
auslösen. Welche langfristigen Effekte dies hat, ist noch nicht hinreichend 
untersucht. Zumindest für Fische wurde bereits nachgewiesen, dass sich 
Nanoplastik nach Passieren der Blut-Hirn-Schranke verhaltensändernd auswirkt."

Nicht nur Tiere nehmen über die Nahrung Mikroplastikpartikel auf, sondern 
natürlich auch Menschen, wenn sie Fische oder Meeresfrüchte essen. Gefunden 
wurden sie auch in Salz, Zucker und Bier. Vermutlich reichern sie sich in allen 
Landlebewesen, inklusive den Menschen, an. Aber die Ausmaße und die 
Gefährdungen sind aufgrund fehlender Studien, schwierigen Nachweismöglichkeiten 
und fehlenden Standards weitgehend unbekannt. Die Wissenschaftler vermuten, 
dass Mikroplastik ein neuer "Langzeit-Stressfaktor für die Umwelt" sein und 
sich als eine "entstehende globale Bedrohung für terrestrische Ökosysteme" 
erweisen könnte.

Auf meine Frage an Abel de Souza Machado, der die Studie geleitet hat, ob es 
Untersuchungen gibt, in welchem Ausmaß sich Mikro- oder Nanoplastikteilchen in 
Menschen finden bzw. sich dort anreichern, schrieb er:

"Es gibt Hinweise auf eine signifikante Belastung der Menschen durch 
Nahrungsaufnahme und Atmung. Schädliche Folgen wurden beispielsweise bei 
Arbeitern entdeckt, die einem hohen Maß an Mikroplastik ausgesetzt waren. Es 
gibt einen aktuellen Bericht über die Verbindung von menschlicher Gesundheit 
und Mikroplastik von Wright und Kelly, aber Informationen über die genauen 
Werte für die Gesamtheit der Menschen fehlen. Es gibt nach meinem Kenntnisstand 
keine Studie über die Laboratoriumsforschung hinaus, die die Bioakkumulation 
von Nanoplastik untersucht hat. In diesem Fall gibt es eine technische Hürde, 
solche kleinen Plastikteilchen im menschlichen Gewebe zu identifizieren und 
quantifizieren."

URL dieses Artikels:
http://www.heise.de/-3961703 

Links in diesem Artikel:
[1] https://www.heise.de/tp/features/Muellhalde-Ozean-3224695.html 
[2] https://www.heise.de/tp/features/Das-Plastikmeer-3362464.html 
[3] https://heise.de/-3777674 
[4] http://www.igb-berlin.de/ 
[5] http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/gcb.14020/full 
[6] 
http://www.fv-berlin.de/news/unterschaetzte-gefahr-mikroplastik-auf-dem-trockenen
 




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