NABU-PRESSEMITTEILUNG | NR 120/20 | 15. DEZEMBER 2020

________________________________________________________________

Europapolitik / Ratspräsidentschaft

Deutsche EU-Ratspräsidentschaft ohne klares Bekenntnis zum Europäischen
Green Deal

NABU-Bilanz: Einzelne Lichtblicke bspw. beim Mehrjährigem Finanzrahmen
/ Schwere Kardinalfehler bei Agrarpolitik und Klimaschutz

________________________________________________________________

 

Brüssel/Berlin – Mit dem Umweltrat am 17. Dezember findet eines der
letzten Treffen unter dem Vorsitz Deutschlands im Rat der Europäischen
Union statt, bevor die Bundesregierung den Staffelstab an Portugal
weiterreicht. Als größter Umwelt- und Naturschutzverband Deutschlands
hatte der NABU vor Beginn der Ratspräsidentschaft Forderungen
formuliert. Nach dem sechsmonatigen Vorsitz zieht er nun eine
durchwachsene Bilanz.

 

NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger: „Beim Naturschutz gab es unter der
deutschen Ratspräsidentschaft durchaus Lichtblicke, wie die neue
Ausgabenquote für Biodiversität im EU-Haushalt. Allerdings ist die
Bilanz durch schwere Kardinalfehler stark getrübt – etwa bei der
Gemeinsamen Agrarpolitik der EU, der Fischereipolitik und der
Verkehrspolitik. Leider hat es auch die deutsche Ratspräsidentschaft bei
vielen Einzelinitiativen, wie etwa der EU-Waldstrategie, nicht
geschafft, eine Euphorie für den von EU-Kommissionspräsidentin Ursula
von der Leyen vorgelegten Europäischen Green Deal zu entfachen. Das ist
eine verpasste Chance, denn nur wenn die Mitgliedstaaten den Green Deal
auch unterstützen und umsetzen, kann er insgesamt zum Erfolg werden.“

 

Für den bevorstehenden Umweltrat fordert NABU-Umweltrechtsexperte
Raphael Weyland die Umweltminister*innen noch einmal dazu auf,
inhaltliche Lücken des Kommissionsvorschlags zur Aarhus-Verordnung zu
stopfen: „Die Aarhus-Verordnung ist ein bedeutsames
Partizipations-Instrument für die Europäische Union. Es muss nun zuerst
darum gehen, die Rüge des Aarhus Convention Compliance Committee
auszuräumen. Falscher Stolz über eine Einigung um jeden Preis ist
fehl am Platz. Außerdem muss Deutschland im kommenden Jahr im Rat die
Folgemaßnahmen des Europäischen Green Deals, beispielsweise verbindliche
EU-Renaturierungsziele, voll und ganz unterstützen.“

 

 

Die NABU-Einzelbewertung der deutschen Ratspräsidentschaft im
Ampelsystem:

 

Grün für den Mehrjährigen Finanzrahmen und die Naturschutzpolitik: Ein
versöhnliches Ende gab es beim Mehrjährigen Finanzrahmen der EU (MFR):
Nach der wenig visionären Einigung zu einzelnen Ausgabeposten hat
Deutschland, vor allem auf Druck des Europäischen Parlaments, ein
Ausgabenziel für den Naturschutz mit beschlossen. Außerdem hat der
Umweltrat unter dem Vorsitz von Bundesumweltministerin Svenja Schulze
ein breites Bekenntnis zur EU-Biodiversitätsstrategie abgegeben.


Dunkelorange für die Klimaschutz- und Energiepolitik: Die Überarbeitung
des Klimaziels für 2030 ist enttäuschend. Eine Minderung der
Treibhausgasemissionen auf 55 Prozent netto reicht bei weitem nicht aus,
um die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erfüllen. Die in der
Offshore-Strategie veröffentlichten Energieziele auf See sind zwar
notwendig; die geplante Mehrfachnutzung, auch von Meeresschutzgebieten
durch Windenergieanlagen, können jedoch sowohl die marine Artenvielfalt
als auch marine Ökosysteme gefährden, die einen wichtigen Beitrag zur
Bindung von Kohlenstoffdioxid leisten.


Rot für die Agrar- und Fischereipolitik: Auch, wenn
Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner bei einzelnen Fragen der
Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP), etwa dem Mindestbudget für freiwillige
Umweltleistungen in der 1. Säule, Erfolge erzielt hat: Der versprochene
und nötige Systemwechsel bleibt aus. Ohne konkrete qualitative Kriterien
laufen die genannten Ökoregelungen ins Leere. Der Gesamtkompromiss
bleibt bei anderen Punkten, wie den verpflichtenden
Mindestanforderungen, sogar hinter dem Vorschlag der EU-Kommission
zurück. Gleiches gilt für die von ihr mitverhandelte Position zum
Europäischen Meeres- und Fischereifonds (EMFAF), der noch immer
schädliche Subventionen, beispielsweise für Neubauten oder
Motorenförderung, ermöglicht. Zudem fehlt ein Bekenntnis, mindestens
25 Prozent des zukünftigen EMFAF für den Meeresnaturschutz zu
reservieren. Eine kritische Bewertung, warum das Ziel des guten
Umweltzustands nach EU-Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie verfehlt wurde,
fehlt gänzlich.


Rot für die Verkehrspolitik: Statt die entscheidenden Themen wie den
Aufbau von Ladeinfrastruktur für Elektroautos oder die Eurovignette
voranzutreiben und damit die Weichen in Richtung emissionsfreie
Mobilität zu stellen, hat die Bundesregierung alles daran gesetzt,
den Klimaschutz im Verkehrssektor erheblich auszubremsen. So verfolgte
sie die wenig zielführende Strategie, den Verkehrssektor in den
Europäischen Emissionshandel (ETS) einzubeziehen und versuchte, mithilfe
von synthetischen Kraftstoffen am Verbrennungsmotor festzuhalten.


Orange für die Kreislaufwirtschaft: Zwar wurden einzelne Maßnahmen des

Aktionsplans Kreislaufwirtschaft angegangen, den die EU-Kommission im
Frühjahr vorgelegt hatte. Deutschland hat es jedoch verpasst, proaktiv
eigene Themen zu platzieren und offene Fragen zum chemischen Recycling
oder den Mindestquoten für den Rezyklateinsatz zu klären. Wichtige
Maßnahmen zur Abfallvermeidung wurden von 2022 auf 2024 verschoben.


Forderungspapier des NABU zur deutschen EU-Ratspräsidentschaft
https://www.nabu.de/umwelt-und-ressourcen/gesellschaft-und-politik/europa/20804


Mehr Infos & Pressefotos
www.NABU.de/presse
 
Für Rückfragen:
Dr. Raphael Weyland, Leiter NABU-Büro Brüssel,
Tel. +32 487 457 191, E-Mail: raphael.weyl...@nabu.de
-------------------------------------------------------------------------------------------------------------
NABU-Pressestelle
Julian Bethke | Britta Hennigs | Katrin Jetzlsperger | Silvia Teich 
Tel. +49 (0)30.28 49 84-1538 | -1722 | -1534 | -1588 
Fax: +49 (0)30.28 49 84-2000 | E-Mail: pre...@nabu.de
 
Sollten Sie keine Pressemeldungen mehr von uns erhalten wollen, können
Sie sich hier abmelden: www.NABU.de/presseabo-abbestellen
( http://www.nabu.de/presseabo-abbestellen) 


_______________________________________________
Pressemeldungen mailing list
Pressemeldungen@lists.wikimedia.org
https://lists.wikimedia.org/mailman/listinfo/pressemeldungen

Antwort per Email an