30 Jahre Ars und die Zukunft Die Stadtwerkstatt wurde heuer von der Ars Electronica eingeladen, um bei einer "Historylounge" im "netten" Beisammensein ueber die vergangenen Projekte der STWST zu plaudern. Aufgrund einer anderen Position zur Geschichte nahmen wir diesen Termin nicht wahr. Uns ist die Dokumentation der Historie zu wichtig um sie bei einem "netten Beisammensein" abzuhandeln. Wir beschäftigen uns im Moment sehr intensiv mit der Geschichte der Medienkunst und das nicht nur aus reinem Eigeniteresse. Es geht um 20 Jahre altes, analoges Bandmaterial das nun an die Grenze der Verwertbarkeit stoesst. Dieses Problem trifft aber nicht nur die STWST, sondern ist auch bei der MitstreiterInnen aus den 80er Jahren. Bei so manchen PionierInnen der österr. Medienkunst verrotten aus mangeldem Interesse der Öffentlichkeit die Baender und somit die Geschichte. Dies öffnet den AkteurInnen der Web2.0-Geschichtsschreibung Möglichkeiten einer neuen Interpretation von Vergangenheit.
Gerade in einer Stadt die ueber ein Museum für Technologien, Medienkunst und Zukunft verfuegt, zeigen sich in der Aufarbeitung der Vergangenheit grosse Lücken. Da wir uns um die österreichische Kunst-Geschichte bemuehen starteten wir im September eine, für zwei Jahre hindurch angelegte Interviewreihe in unserer Zeitung VERSORGERIN, in denen Positionen von MedienkuenstlerInnen festgehalten werden die in den 1980er Jahren aktiv waren. Zum ueberwiegenden Teil handelt es sich um KuensterInnen die durch Ankaeufe von nationalen und internationalen Sammlungen und von öffentl. Museen bereits Spuren in der Kunst hinterliessen aber in der Linzer Version der Medienkunst nicht vorkommen oder wieder gestrichen wurden. Unsere ersten Interviewpartner waren Graf und Zyx. Erscheinungstermin war zur Ars Electronica - 3.9.2009 hier ein Ausschnitt aus dem aktuellen 2-seitigen Interview: --------------- SNIPP --------------------- _Welchen Stellenwert hatte bzw. hat das Ars Electronica Center/Festival in Eurem Genre? Wir haben natürlich auch eine Ars-Electronica-Vergangenheit, kurzfristig sogar eine überdurchschnittlich umfangreiche und prägende mit der Gesamtgestaltung der ORF-Videonale/Computerkulturtage (http://medienkunst.grafzyx.at/index.php?id=1128), sind aber wohl nicht zufällig fast spurlos aus den öffentlich zugänglichen Archiven der Ars Electronica wie Porno links aus der Browserhistory entfernt worden. Vermutlich war schon aus unseren damaligen Beiträgen eine distanzierte, vielleicht spöttische Skepsis der Ars Electronica gegenüber herauszulesen, einer Ars Electronica, die schon damals aufgrund einer sehr erweiterten Definition von Kultur einen Hang zur Kulturlosigkeit erkennen ließ, der spätestens bei der Prämierung von Pixars perfekt animierter, aber infantiler Schreibtischlampe offensichtlich wurde. Zur kompetenten Kuratierung von Medienkunst gehören neben disziplinübergreifenden allgemeinen Erfahrungen eine kunst-, kultur- und kommunikationswissenschaftliche Bildung und praktische Kenntnisse in neuen Technologien, will man nicht auf den Zauber trivialer Effekte hereinfallen. Die Ars Electronica hat ein Problem, weil sie sich aus Angst vor Bodenverlust nicht entschließen kann, sich endlich klar zur Medienkunst zu bekennen und störrisch von einem veralteten, pseudodemokratischen Kulturbegriff aus operiert, der mittlerweile derart inflationär ist, dass er rein gar nichts mehr bedeutet. Letztendlich ist mit Kultur heute alles gemeint, was sich an den Haaren herbeiziehen lässt, am wenigsten aber seltsamerweise die Kunst, die eigentlich der am ursprünglichsten legitimierte Kulturträger ist, im aktuellen kulturpolitischen Umfeld aber in kurzsichtiger Weise mehr und mehr ausgehungert wird. Ähnlich wie Peter Weibel moniert, dass rein ökonomisch motivierte Entscheidungen für einen Investitionsstop in die Kompetenz der Mitarbeiter in den Medien diese zu Medien der Unterschicht verkommen lässt, halten wir ein dominantes Quotendenken einer Institution für destruktiv, die sich irgendwann immerhin auch als Vertreterin einer Avantgarde innerhalb der elektronische Medien beschrieben hat und den Begriff »Kunst« im Namen trägt. Skurrilerweise sind gerade wir, die wir seinerzeit wie einige andere auch einen erweiterten Kunstbegriff gefordert, propagiert und in unserer gesamten Produktion umgesetzt haben, gezwungen, heute mit Überzeugung die Rückkehr zu einer elitäreren Auffassung von Kunst zu empfehlen, weil wir natürlich damals eine ressentimentlose Verschmelzung der Katalysatoren »Kunst« und »Kommerz« gemeint haben und nicht, dass eine Kulturauffassung der Ungebildeten die Kunst sozusagen auffrisst und nur mehr von Massen, Politik und Medien gleichermaßen geliebte weil ohne Rezeptionsanstrengungen versteh- und konsumierbare Events übrig lässt. Ist die Forderung nach dem »Original« in der Kunst im Zeitalter der digitalen Netz- und Medienkunst auch hoffnungslos überwuzelt, darf Kunst aber nach wie vor originär sein, originell zu sein ist für Kunst jedenfalls zu wenig. Die der Kunst als definitorisch fundamentale Eigenschaft inhärente Vielschichtigkeit wird einer von Politik und Sponsoren geforderten eindeutigen, verbalisierbaren und meist noch dazu banal-sozialpolitischen Aussage (auch von Künstlern mittlerweile vorauseilend) geopfert. Dieser Vorgang scheint wenn, dann nur durch eine konzertante Verweigerungshaltung aller Künstler diesen Vergewaltigungswünschen gegenüber umkehrbar zu sein eine konsequent emanzipatorische und als solche zwangsläufig zumindest temporär radikale Vorgangsweise, die aufgrund des in einer mehr und mehr hungrigen Künstlerschaft vorherrschenden paranoiden Konkurrenzverhaltens nicht zu erwarten ist. _Wie seht Ihr die Rolle des AEC als Museum der Zukunft? Im Wesentlichen nicht anders als die Rolle jedes anderen Museums, die fundamental unterschiedlich zu der eines Festivals oder einer Kunsthalle oder einer Galerie oder einer privaten Sammlung ist. Diese Rollen werden zur Zeit gern vermischt, müssten aber wieder sauber getrennt werden, will sich das Museum aus den Fängen des Zeitgeists und kommerzieller Lobbys befreien. Die Hauptaufgaben des Kunstmuseums sind und bleiben die Sammlung und die Dokumentation der jeweils zeitgenössischen Kunst nach möglichst objektiven oder klar definierten subjektiven, nicht nach irgendeinem Ranking wertenden Kriterien, auch des noch Unentdeckten. Entbehrlich im Vergleich zu dieser Tätigkeit, zu der wir sonst keine anderen öffentlichen oder privaten Institutionen verpflichtet sehen, ist der Parallelbetrieb einer Kunsthalle, einer Galerie, eines Festivals ? noch dazu interessenskonflikterzeugend unter derselben Direktion. -------- snipp end -------- Es gab ein kleines Problem mit der Postzustellung. Falls jemand die VERSORGERIN nicht per Post gekriegt hat, bzw die Versorgerin in Zukunft gratis mit der Post bekommen moechte.... ...hier nochmal die Postadresse bekannteben eintragen http://versorg.ung.at falls jemand wegen Sicherheit bedenken hat: https://versorg.ung.at :) >> STADTWERKSTATT >> Kirchengasse 4 >> A-4040 Linz >> http://www.stwst.at >> mailto:st...@stwst.at -- rohrpost - deutschsprachige Liste zur Kultur digitaler Medien und Netze Archiv: http://www.nettime.org/rohrpost http://post.in-mind.de/pipermail/rohrpost/ Ent/Subskribieren: http://post.in-mind.de/cgi-bin/mailman/listinfo/rohrpost/