www.radi0.tv fuer Colaboradio "440 Quertz"
Mi., 15. Februar 2011 02:00 – 03:00 Uhr (morgens!) 88,4 MHz in Berlin und im Stream http://senderberlin.org Donwload: 440quertz.mp3 http://www.sendspace.com/file/pu8jct (110 MB, 01:00:17) Alte (Knacks)Aesthetik, neue Proteste, kleine Verschiebungen, ein gegen Ende versoehnlich gestimmter anti-generativer Track, live montiert und manipuliert. Samples: 440 Hertz Sinustoene modelliert und moduliert (?), div. Pianos von natuerlich freesound.org. Exakt handelt es sich bei der Livemontage wohl um das Abrufen von Samples aus der u.a. eigenen Soundothek im Kontext des Gesetzes der Naehe und Abstaende der Klaenge zueinander (vgl. Intervalle), die dann in der Sequenzierung den Kontext einer Sequenz oder von Sequenzen erst ergeben (innerlogisch), aehnlich wie bei einem AKAI MPC 2000, nur ohne vorprogrammierte Sequenzierung. So schwierig kann handgemachtes Sampling wieder sein. Gespraech von Ali Emas mit Matze Schmidt ueber "440 Quertz" Ali Emas: Morgen laeuft die Sendung Deines Stuecks auf 88.4 in Berlin, nicht gerade zu einer annehmbaren Uhrzeit, wie sie fuer Neue Musik oder Klangkunst mittlerweile doch auch ueblich ist ... Matze Schmidt: Das Stueck ist eher ein Versuch und ja, zu dieser Uhrzeit, nachts, kann man machen was man will -- das gibt so eine Art Freiheit -- es hoert aber auch "keiner" [macht Anfuehrungszeichen in der Luft] zu, das ist die Kluft in der man sich dann bewegt. So marginale Plaetze sind so ziemlich der letzte Schrei, radikale Plaetze. A.E.: Ein bisschen Verweigerung. Aber bewegt sich ueberhaupt etwas bei diesem Versuch? Ich meine, Sampling ist nicht wirklich die Kulturtechnik der Zukunft, Tastendruecken ist keine qualitativ oder kenntnismaeszig innervierende Anstrengung mehr, scheint mir. M.S: Genau darauf kommt es mir ja auch ein wenig an. Erstens ist es doch nochmal ein Test, wie sich Klaenge so auf der Computertastatur organisieren lassen -- das geht ganz leicht, beschwingt geradezu. Die Programme gibt es, alles ist vorbereitet. Die Auswahl entscheidet. Und, dass das so ist, dass das eine weit verbreitete Technik ist, die keinerlei Spielweise zumutet oder abverlangt, ist das gerade der Gewinn, den die Musikmacherei gerade heute in der sogenannten Post-Digitalitaet davontraegt? Was dieses Korrektiv angeht, das die Sub-Industrien im Kultursektor bauen, wenn dann doch fuer die Kreativ-Industrie gewirtschaftet wird, wenn die Anti-Amazons doch den Onlineshop nutzen, was dann? A.E.: Die sind ja auch von buerokratischen Schichten umgeben. M.S.: Ja, dieser Track ist auch eher da angesiedelt. Ein buerokratischer Akt. Samplen, Samples abrufen per Tippen, 60 Prozent oder mehr Verwaltung, 40 Prozent kreieren. Digitalitaet ist ja kein Signum mehr fuer einen Aufbruch, ist eher Alltag. Manche Theoretikerkreise fragen ja auch schon nach der Selbstverstaendlichkeits-Ebene, der Alltagsebene von Digitalitaet. Also nach dem, was ihre erweitert aesthetische, buchstaeblich banal-aesthetische Seite waere, wenn das Digitale in der Zeit aufgegangen ist und keinen Bruch mehr mit dem Davor bedeutet. M.S.: Ja, Cage hatte wohl unrecht und recht zugleich. Die digitalen Techniken werden unsichtbar, sie werden normal. Aber sie sind ueberall und damit zu sehen. Dafuer braucht es aber einen Blick fuer Differenz. Ohne Unterschied, kein Unterschied zwischen was sichtbar oder was unsichtbar ist. Aber das Digitale und die Digitalitaet sind zwei verschiedene Dinge. Wie der Soziologe sagen wuerde, kann man das Gesellschaftliche nicht anhand des Individuums und seiner Erlebniswelten allein erklaeren. Aber der Soziologe muss sich auch sagen lassen: Das Soziale laesst sich eben auch nicht nur mit dem Sozialen erklaeren -- das ergaebe eine Schleife. Es waere aber auch zu kurz. Bezogen auf Digitaliaet und Digitales kann man also sagen: Vielleicht war das erstere ja zuerst da, oder? Vielleicht war Ada Lovelace ja zuerst da, war primaer, vor der Implementierung. Vielleicht eine idealistische Sichtweise. Wenn Digitaliaet gelesen wird als der Ausdruck dessen, was ihm unterliegt, dem Digitalen, dann gilt das natuerlich nicht, dann folgt Digitaliaet, als das Kulturelle, der digitalen Technik. Aber kann man nicht diese Technik in der Kategorie der Digitaliaet fassen? So wuerde der alltaegliche digitale Kram nicht mehr den grossen Bruch bedeuten mit dem was nicht digital technologisiert ist. Dann gehen einem aber wohl auch die Unterscheidbarkeiten verloren und alles was auch nur digital genannt wird, ist es dann auch. A.E.: Wobei klar sein sollte, dass digital nie ist, sondern einen Vorgang meint. M.S. Ja. A.E.: Aber ist das nicht zuviel der Diskussion um ein wenig Sound. Wenn Du sagst, Du organisierst die Klaenge auf der Tastatur, dann ist das den Moeglichkeiten des Computers geschuldet, Sounds oder Samples mit der Konsole, genannt Schreibmaschine oder Tastatur, zu verknuepfen. M.S.: Ja, offenbar habe ich als jemand, der nicht voll computer-sozialisiert ist, da etwas zu verarbeiten, was juengere Generationen nicht zu verarbeiten haben. Diese, sagen wir Un-Selbstverstaendlichkeit, etwas geradezu A-Banales, widerspricht ja meiner eigenen kleinen Theorie von der Digitaliaet, die darauf hinauslaeuft, dass es den technologischen Bruch zwar gab, jetzt aber hinzukommt, dass dieser sozusagen nie angekommen ist. Er ist unsichtbar, embedded, smart, gestisch auf den Tablets und so weiter, aber diese Berechenbarkeiten und Datenbank-Strukturen sind der permanente Bruch mit dem was ist ... ohne jetzt in Pessimismus zu machen. A.E.: Du meinst, mit den krachigen, klickigen Klaengen koenne man das hoerbar machen? M.S.: Nein, ich glaube nicht. Nicht das Konzept bringt die Technik und die Diskussion hervor, es ist eher umgekehrt. Das Spielen folgt einer Umgebung, die veraenderbar ist, aber physisch auch schon da ist, die schon diskutiert. Die auf den eher marketingtechnischen Begriff gebrachte Clicks & Cuts-Aera hat da mit ihrer Referenzlosigkeit ganz schoen danebengegriffen. Die Kicks sind meinetwegen ohne Referenz, ausser zur Maschine ihrer Herstellung, aber sie sind eben Material-Material, ums postmodern zu sagen. Das Material, um das es hier geht, das Stueck, ist nur der Anlass, um ueber die Herstellung zu sprechen. Und diese ist das, wenn man so will, eigentliche Material. Dieser symbolistische, semiotische Materialbegriff aber ist von den Kleinindustriellen, also den semiprofessionellen und professionellen Platinen-Bastlern und Arduino-Autodidakten, laengst verabschiedet worden. Hier geht es um das Design der Maschine, um das Anti-Design. Und dort wird immer schon antizipiert, dass es keinen aesthetischen Plan gibt, sondern schieren Materialismus, der dann in die eine oder andere Richtung wieder aufgeladen wird mit Symbolismen, also Sinn. Die Platinen bekommen bestimmte aeussere Gestalten, werden bedruckt, bemalt, Muster und Bilder hinein-geaetzt. Jedes minimalistische, reduzierte Grafikdesign in dem Zusammenhang hat doch den gleichen druck-technischen Aufwand wie burleske Sachen. Materialistischer Minimalismus moechte nur am liebsten da ran, an diese untere Ebene der Voraussetzungen fuer das Sagbare. La Monte Young sagt irgendwo, dass was er gemacht habe, aus seinem Verstaendnis der Welt, oder von Welt herkomme. Ich glaube das unterschlaegt ein wenig die Maechtigkeit dessen was man das Reale nennt. Ich untersuche weniger den Ausdruck -- ... Idealismus ... --- sondern was das Objekt da mit meinem Konzept oder meinem Begreifen von dem was geschieht macht. Ein wenig mediale Grundlagenforschung also, etwas erratisch auch. A.E.: Gegen Ende von "440 Quertz" ... M.S.: Ja, das ist ein eher oedes Wortspiel, ich weiss ... A.E.: ... machst Du da Zugestaendnisse an Popsound in Richtung Alva Noto, kann an das so werten? M.S.: Wir haben doch beide diese Grafik hier angesehen. Einmal der Hitlerbart, dann derselbe mit Hut und es ist Chaplin, und der Subtitel sagt " It's the hat". Auch was alles in einen Koffer passt, benoetigt letztlich Kontext. Ich glaube ein zwei Pianosamples machen keinen Noton. Sie geben mit eher wieder Anlass zu sagen, die Pianos stammen von freesound.org, dem Bollwerk gegen alle Stop Online Piracy Acts. A.E.: Also verteidigst Du doch die alternativen Produktionen ohne Kommerz? M.S.: Ja, aber deutlich mit der Kritik, dass sie im Moment ueberschaetzt werden. Im Moment heisst, in der jetzt geltenden Rahmensetzung. Denn alle diese Hardware und Software sitzt ja auf auf den Leistungen der vorherigen Generationen. Auf dem was nicht, noch nicht digitalisiert war, oder bereits primitiver digitalisiert war, was heute keinen Unterschied mehr macht, weil scheinbar alles digitalisiert ist. Und es sitzt auf auf den industriellen Leistungen, die eben nicht im Hinterzimmer entstanden, trotz Edison- und Apple-Mythos, sondern in gigantischen Ausmasz en. Der Kupfer fuer Edison wurde abgebaut, nicht? A.E.: Und Coltan fuer Smartphones. Die Werteverschiebungen haben also bereits stattgefunden? Was frueher als besonders digital galt, Pixelastehtik, Treppchen im Bild, die Blockbildchen der Fehler wird weicher, angeweicht, oder glatt? M.S.: Ja, das Piano ist ein Nicht-digital-Zeichen, ein Verweis auf eine veraltete Spieltechnologie fuer Klaenge. Der ganze weltweite Index, mega, mit unendlichen bibliografischen Eintraegen, ist voll davon. Die Digitaltechnik selbst aber, samplen wir das Rauschen einer Festplatte oder aehnliches, ist nicht darstellbar. Ich bin also mit Quertz in der Falle der darstellenden, zeigenden Kunst. Das Piano, diese ebenfalls als unendlich angesehene Moeglichkeitsmaschine, ist die Tastatur. Man koennte doch alles damit Aufrufen, unwichtig wer das real macht. Aber eben nicht unwichtig fuer die Kulturapparate, WER das macht. Dabei kann das mit dem Handy machen, natuerlich ohne Relevanz fuer die Klasse. Meine Freundin hat fuer den Eingang SMS den Schrei einer Kraehe. Jeder dreht den Kopf nach oben, wenn sie eine Nachricht erhaelt. A.E.: Du hast das Stueck quasi nicht korrekt betitelt, also eben nicht Qwertz mit w sondern mit u, Quertz, bewusst? M.S.: Ein Fehler, oder schon wieder ein Verweis auf Gepflogenheiten des skeptischen Minimalismus. A.E.: Du glaubt also nicht an die Veraenderbarkeit von Gesellschaft durch Klang oder das Medium Musik, wie man einmal sagte? M.S.: So simpel kann man das nicht fassen. Der biblische David spielt doch immer dann die Laute, wenn es Stress gibt. Aber Therapie ist nur die Haelfte der Optionen. Ich meine, es gibt diverse Bereiche des Gesellschaftlichen, nicht alles ist alles. Mit Noise kann nicht direkt Gesellschaft veraendert werden, genausowenig wie man das mit Text oder operativem Text, mit Programmen koennte. Der Komplex aus Nutzung, Verhalten, Unbewusstem und Media, im Plural, ist dafuer einfach zu, ja, komplex. Das Soziale mit dem Klang gleichzusetzen, so wie Nada Brahma, verdraengt nur diese Unterschiede und bildet einen Konvergenz-Mythos einer wiederum mystischen All-Welt. A.E.: Aber zugleich muessen die sozialen Trennungen dieser Bereiche mit ihren Negativismen reflektiert werden. M.S.: Richtig. Normativ ausgedrueckt gilt es, die Abstaende der sozialen Bereiche produktiv zu akzeptieren, ohne sie zu Regimen auswachsen zu lassen, zu Regimen des Nur-Kulturellen, wie im 19. oder 20. Jahrhundert waehrend der Bluete des Buergertums, oder wie heute, waehrend des Regresses der Herrschaften zu Regimen der homogenisierenden Konvergenz und reduktionistischen Transdiziplinaritaet. Der Streit um die Kompatibilitaet der Soft-Ware etwa faellt in dieses Feld. -- Empfehlen Sie GMX DSL Ihren Freunden und Bekannten und wir belohnen Sie mit bis zu 50,- Euro! https://freundschaftswerbung.gmx.de
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