-------- Original-Nachricht --------
Betreff:        Call Medienästhetik
Datum:  4 May 2012 10:29:58 +0200
Von:    Erich Hörl <erich.ho...@rub.de>

ich schicke Dir den link zu einem Call der Zeitschrift für
Medienwissenschaft - Mark Hansen und ich geben ein Heft zur
"Medienästhetik" heraus.
http://www.zfmedienwissenschaft.de/?TID=71


Call for Papers, ZfM Nr. 8 (1/2013): Schwerpunkt: Medienästhetik

»Das ästhetische Empfindungsvermögen«, so schrieb der späte Félix Guattari, scheint »gerade im Begriff zu sein, eine privilegierte Position im Herzen der kollektiven Aussagengefüge unserer Epoche einzunehmen.« Dabei sollte das »neue ästhetische Paradigma«, das er heraufziehen sah, keinen Primat der institutionalisierten Künste im sozialen Feld oder dergleichen bedeuten, sondern eine Art »proto-ästhetisches Paradigma«, das alle Wertuniversen und existenziellen Territorien durchquert, die Sphäre der Wissenschaften und des Ethisch-Politischen genauso wie die Modalitäten und Praktiken der Subjektivierung. Die allgemeine Ästhetisierung, die Guattari Ende der 1980er Jahre bereits im Blick hatte, mag als eine der ersten Beschreibungen eines fundamentalen Umbruchs in der Geschichte von Technik und Sensoriellem gewertet werden, der in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, insbesondere aber seit den 1990er Jahren geschieht und der möglicherweise den Sinn des Ästhetischen als solchen verschiebt: Unter neueren medientechnologischen Bedingungen beobachten wir eine protoästhetische Zurichtung der Gegenwart. Damit ist zum einen eine fundamentale Priorisierung des Wahrnehmungsproblems und schließlich eine Primarisierung der vor aller Wahrnehmung und unterhalb aller Wahrnehmbarkeit liegenden Sensationen und Affekte gemeint, so dass Medienästhetik zu einem Grundproblem der Medienwissenschaft werden könnte. Die ästhetische Frage erweist sich etwa dabei auch mehr und mehr als eine technoökologische Frage vernetzter und sensorischer Umgebungen, in denen Empfindung geschieht. Von Zeitobjektströmen, wie sie die industrialisierten und technisierten audiovisuellen Objekte auf Basis numerischer Übertragungsstandards ausbreiten, über das Entstehen sensorischer Milieus (z. B. RFID) bis hin zu den algorithmischen Umgebungen, den software agencies von allgegenwärtigen Medien, ubiquitous computing, ambient intelligence und calm technologies reichen die möglichen sensoriellen Tatsachen, die das neue ästhetische, genauer medienästhetische Regime charakterisieren. Wir erleben den Wandel des »technischen Unbewußten« (Nigel Thrift), im Zuge dessen sich vor allem auch die ästhetischen Bedingungen, die Weisen, wie die Welt erscheint, die allgemeinen Existenz- und Erfahrungshintergründe und damit auch der Sinn von Welt transformieren. Das Schwerpunkheft der ZfM will die historisch-systematischen Konturen und auch die politischen Einsätze des neuen ästhetischen Paradigmas klären. Dafür gilt es, technisch-mediale Schlüsselszenen der sensoriellen Zäsur der Gegenwart zu fokussieren, die damit verbundenen konzeptionellen und begriffspolitischen Herausforderungen zu skizzieren, um damit einen Beitrag zur Neubeschreibung von Medienästhetik unter technologischen Bedingungen, insbesondere der neuen Ära sozialer und mobiler Medien und im Zeitalter von Netzwerken zu leisten.

Als zentrale Fragen sind zu benennen: Welche medienästhetischen Kernprobleme sind mit der technisch-medialen Transformation der Gegenwart verbunden und welche Perspektiven für eine Medienästhetik entstehen aus ihr? Was heißen Erfahrung, Wahrnehmung, Empfindung, Subjektivität unter neuen medienästhetischen Bedingungen? Konturiert sich möglicherweise überhaupt erst heute, auf dem Boden der neuen Empfindungstatsachen vernetzter digitaler Medienanordnungen und algorithmischer Milieus, eine originäre medienästhetische Frage, die fortan der überlieferten philosophischen Ästhetik zu kontrastieren wäre? Was sind die Schauplätze und welche semantischen Rahmen sind nötig, um die medienästhetische Frage in ihrer Eigentümlichkeit und Dringlichkeit zu erfassen? Wie verhält sich die neue Begriffspolitik zu traditionellen ästhetischen Begriffsregimen, wo liegen mögliche Anschlüsse, wo bedarf es anderer konzeptioneller Strategien? Welche genealogischen Szenen des neuen medienästhetischen Paradigmas lassen sich im 20. Jahrhundert bestimmen? Was sind die politischen Herausforderungen der neuen ästhetischen Kondition? Wie sind die bisherigen Versuche zur Neubestimmung von Ästhetik unter radikalen medientechnologischen Bedingungen zu bewerten?

Texteinreichungen bis Ende August 2012, an:
erich.ho...@ruhr-uni-bochum.de

Redaktion: Erich Hörl, Mark B. N. Hansen



Prof. Dr. Erich Hörl
Professur für Medientechnik und Medienphilosophie

Institut für Medienwissenschaft
Ruhr-Universität Bochum
Universitätsstraße 150
Gebäude GB 5/143
44780 Bochum

Tel: +49 234 32 25089
Fax: +49 234 32 14268
e-mail:erich[DOT]hoerl]AT]rub[DOT]de
http://www.ruhr-uni-bochum.de/ifm/institut/mitarbeiterinnen/prof_hoerl.html
http://www.kolloquium-medienwissenschaft.de

--
rohrpost - deutschsprachige Liste zur Kultur digitaler Medien und Netze
Archiv: http://www.nettime.org/rohrpost 
http://post.in-mind.de/pipermail/rohrpost/
Ent/Subskribieren: http://post.in-mind.de/cgi-bin/mailman/listinfo/rohrpost/

Antwort per Email an