Die imaginäre Zukunft oder: wie Versionen der Zukunft aus der Vergangenheit die Gegenwart bestimmen.
Eine Rezension des Buches “Imaginary Futures” von Richard Barbrook. von Armin Medosch Als sich die USA in der Ära des Kalten Krieges auf eine Spirale des Wettrüstens mit der Sowjetunion einließen, tobte zugleich auch ein ideologischer Kampf. Die Führungsschichten beider Seiten versuchten, indem sie den Anspruch auf die Zukunft erhoben, auch die Gegenwart zu dominieren. Die Sowjetunion hatte dabei den Vorteil, das von einer Befreiungs-Utopie geprägte Geschichtsbild des Marxismus auf ihrer Seite zu haben. Und in den frühen 1960er Jahren übte diese Zukunftsvorstellung eine große Anziehungskraft aus – sowohl auf die sich gerade aus der Kolonialherrschaft befreienden armen Nationen Asiens und Afrikas, als auch auf die Jugend des Westens. Mit dem “Sputnik-Schock” und der in den Weltraum fliegende Hündin Laika sah es auch für kurze Zeit so aus, als habe die Sowjetunion in Schlüsseltechnologien die Nase vorne. Mit der Gründung der ARPA unternahm die USA eine gewaltige Anstrengung, den eingebildeten oder realen technischen Vorsprung der UdSSR auf- und zu überholen. Zugleich konstruierten Ex-Marxisten in den USA eine nicht-marxistische Ideologie des aufgeklärten Konsumerismus und erhoben damit den Anspruch, nicht nur wirtschaftlich und militärisch, sondern auch intellektuell jene Macht zu sein, der die Zukunft gehörte. In der Entwicklung dieser Theorien stützten sie sich auf die Ideen von Marshall McLuhan über die weltverändernde Macht der elektronischen Medien. Das dabei entwickelte Leitmotiv der computertechnisch vernetzten Informationsgesellschaft hat seither unsere Vorstellungen von der Zukunft dominiert und fährt, nach dem Ende der Sowjetunion, fort, die einzige 'Vision' einer Zukunft zu sein, die wir im Westen haben. “Wir sind Gefangene einer Zukunftsvorstellung, die bereits Mitte der 1960er Jahre auf der Höhe des Kalten Kriegs entwickelt wurde und deshalb seien wir nicht in der Lage eigene, alternative Zukunftsvorstellungen zu entwickeln”, so etwa lautet zusammengefasst die Grundthese des Buches “Imaginary Futures” von Dr. Richard Barbrook, bohemianhafter Internet-Intellektueller und Lektor an der Westminster University, London. Erschienen im Pluto Verlag am Beginn dieses Sommers, ist “Imaginary Futures” eine dringend benötigte Abrechnung mit dem ideologischen Gehalt der Informationsgesellschaft. Kaum jemand ist besser dazu in der Lage als Barbrook. Full Text http://www.thenextlayer.org/node/167 Veranstaltungsinformation http://lab.netculture.at/
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