Liebe Leute,
Ich muss mich da nach einiger Zeit Mitlesen mal einmischen. Huhu Liste.
Zum einen wurmt die Frage: Wieso Geldsystem? Man könnte auch sagen
Arbeitssystem, Profitsystem, Wertvergesellschaftung oder
Kapitalismus. Jeder Begriff nimmt ein bestimmtes Merkmal der
bezeichneten Sache als das entscheidende in den Mittelpunkt, hier also
das Geld. Wieso? Kann man alle mit Geld operierenden Systeme von der
Antike über den Feudalismus bis heute über einen Kamm schweren und
anhand des Mediums charakterisieren? Ich meine nicht und würde stark
machen wollen, dass Geld nur eine Form ist, die das Kapital im Prozess
der Verwertung annimmt und dieser Prozess für die Welt, in der wir
leben, allemal entscheidender ist, als das Geld.
Dann Thema asymetrische Märkte: Ja, Aldi hat im Kapitalismus einen
Vorteil gegenüber Imbissbude. Aber ist das wirklich das Grundübel des
Kapitalismus? Wäre ein System, in dem wirklich alle die selben
Informationen und Chancen hätten, so viel besser? Klar, es würden dann
diejenigen verhungern, die es wirklich verdient hätten. Das wäre
gerecht, aber wäre es auch gut? Ich finde, nicht.
beste grüße
michel
Am Sonntag, den 15.01.2012, 11:14 +0100 schrieb Franz Ablinger:
Lieber Martin,
ja, fast alle Systeme sind gerechter als das, das wir haben. In der
aktuellen Situation ist es utopisch, aber ich gebe dir Recht: Über
die Einführung von Alternativsystemen kann und muss man nachdenken.
Im Kapitalismus sind die Märkte leider per se asymmetrisch - große
Marktteilnehmer haben immer einen Informationsvorsprung - ein Grundübel,
das mit dem Internet nur ansatzweise etwas geglättet wird. Da gibt es
natürlich noch viel Arbeit.
Mein Mail zielt jedoch auf anderes: WARUM verflixt noch mal funktioniert
ein System, das hunderte Jahre funktioniert, plötzlich nicht mehr? Was
hat sich verändert - was wurde verändert? Ich will das verstehen. Am
Anfang hab ich mich in esoterische Dualismustheorien geflüchtet: Wenn
der Kommunismus zusammenbricht, muss auch sein Widerpart zusammenbrechen.
Aber diesen Gegenspieler gab es ja bei weitem nicht so lange wie das
Original. Das ist es wohl nicht.
Warum dann? Gier? Im 18. und 19. Jahrhundert waren die Leute noch viel
gieriger als heute - nur im Zeitalter des Internets erfahren wir von jedem
einzelnen Grasser. Das ist zwar gut so, aber das kann nicht die Ursache
sein. Wenn das Geldsystem so kranken würde wie es in den Medien klingt,
dann hätten wir keine Inflation von 2% sondern 2000%. So krank ist das
System nun doch nicht.
Gut, dann lügen und betrügen die Banken vielleicht und sagen einfach nicht,
dass sie mehr Geld herausgeben, als sie haben. Stimmt so auch nicht, weil die
Banken, die derart schweren Betrug begehen, halten sich nicht lang (obwohl,
Lehmann... Na, ja.). Es kommt zumindest innerhalb einer Generation mal auf.
Wäre ein guter Teil der Banken so böse, würde das Gesamtkonstrukt schon
längst zusammengefallen sein. Ich unterstellen niemandem von vornherein,
abgrundtief böse zu sein. Auch keiner Bank.
Vielleicht schummeln wie du sagst die Banken bei ihren Bilanzen? Ja, schon.
Aber nicht so, wie du annimmst. Googeln wir Wirtschaftstheorie zum Thema
Geldschöpfung und ihre Darstellung in Bilanzen:
In einem Mischgeldsystem resultiert die Geldschöpfung bzw.
Geldvernichtung in einer Änderung des Bestandes an Giralgeld der
Geschäftsbanken im Bereich der Nichtbanken. Sie schlägt sich in einer
Bilanzverlängerung oder -verkürzung nieder. Bilanzverlängerung heisst:
Aktiva und Passiva ändern sich in gleichem Maße - das Schlagwort dazu
ist aufgeblasene Bilanz. Bei Geldschöpfung ändern sich immer beide
Seiten der Bilanz, daher fällt es in einer Bilanzpressekonferenz nicht
auf. Aber freies Erfinden von Kapital ist das nicht. Dafür gibt es ja
eine Bilanz, um das zu verhindern. Lehmann hat seine Löcher übrigens
immer tageweise über die Bilanztermine drübergehoben, bis der Brocken
mit 600 Mrd US$ zu groß zum Verstecken wurde. Das ist aber auch nicht
das gesuchte Problem.
Wo ist dann das Problem?
Die Geldschöpfung passiert in den einander konkurrierenden Banken nach
ihrem freien, unregulierten und unkontrollierten Willen. Manche nennen
das Marktwirtschaft, aber das ist einfach nur Blödsinn. Niemand kann die
Basis eines Austauschs ändern, ohne das Austauschsystem zu gefährden.
Und im Moment schöpft jede Bank wie sie gerade lustig ist. Und zwar so,
wie es ihnen - so glauben die Banken - am Besten nützt: Freudig in
Boomphasen und sehr zurückhaltend in Krisen. Obwohl man genau das
Umgekehrte machen müsste. Somit gilt das Fazit: Könnte die Zentralbank
auch die Giralgeldschöpfung kontrollieren, wäre das Problem vom Tisch.
Und endlich habe ich ein medientaugliches Schlagwort dafür:
Verstaatlicht das Geld, nicht die Banken!
fra
Weiterführendes: Einfach Vollgeld googeln.
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