Re: Argument gegen das kleinere Übel

2011-06-08 Diskussionsfäden Bernhard Reiter
Am Samstag, 4. Juni 2011 15:12:21 schrieb Fabian Keil:
 Solange ich selbst ein kleineres Übel wähle, kann ich aber
 kaum guten Gewissens Nutzern proprietärer Betriebssysteme damit
 kommen.

 Und auch wenn mir der Einsatz proprietärer Firmware keine schlaflosen
 Nächte bereitet und ich nicht jeden Tag mit meinem Kompromiss hadere,
 würde ich behaupten, dass ich ihn nicht vergessen habe.

Gut gesagt, ich glaube jemand der Freie Software födern möchte,
geht bewusst so weit in die Richtung Freiheit, wie er kann.
Als FSFE müssen wir mehr Menschen dazu bringen,
die jeweils für sich nächsten Schritt zu tun und dann weitere.
Das bedeutet aber auch die Anerkennung, dass diese Schritte für jeden 
verschieden sind, auch verschieden schwierig.
Wie sehr sich jemand moralisch gut verhält läßt sich nicht
anhand einer absoluten Skala ablesen, sondern muss im Angesicht der 
persönlichen Anstrengung und Lage bewertet werden.

 Abgesehen davon werden Vergleiche, die in irgendeinem Zusammenhang
 mit Nazis stehen, schnell von politischen Gegnern bewusst als
 Nazi-Vergleich fehlinterpretiert und ausgeschlachtet.

Das halte ich auch für eine Gefahr.

Trotzdem kann das Argument für Kenner von Hannah Arendt
sicher interessant sein.

Gruß,
Bernhard

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Argument gegen das kleinere Übel

2011-06-02 Diskussionsfäden Leena
Hi,

ich lese gerade ein Buch über Verantwortung und finde da zwei Textstellen von 
Hannah Arendt, die sehr schön zur Argumentation für Freie Software 
herangezogen werden können.
Sie bezieht sich dabei zwar auf die Frage, wie die Deutschen mit den Nazis 
umgegangen sind, doch lest selbst:

Hannah Arendt bezeichnet es als Beobachtungstatsache, daß diejenigen, die das 
kleine Übel wählen, rasch vergessen, daß sie sich *für* ein Übel entscheiden. 
Dadurch gewöhnt man sich und andere daran, das Übel an sich zu akzeptieren.

Aus Hannah Arendt Persönliche Verantwortung in der Diktatur. In dies.: 
Israel, Palästina und der Antisemitismus. Aufsätze. Hg v.E. Geisel und K. 
Bittermann
auf den Seiten 27 und 29 zu finden.

Im Bezug auf Software finde ich das sehr treffend: 
1) Bei Fragen, ob jetzt Mac oder Windows besser ist, wenn man schon 
proprietäre Software nutzt.
2) Bei der Abwägung, dass man sich ja bewusst sei, dass proprietäre Software 
doof sei, aber doch immerhin das kleinere Übel gewählt habe.
3) Dass bei der Abwägung zwischen FS und proprietärer Software, letztere ein 
geringeres Übel darstellte, weil man sich damit nicht so viel rumärgern 
muss. 

Bestimmt gibt es noch mehr Argumentationsschemata, die damit zu tun haben, das 
Nutzen von proprietärer Software zu relativieren. Überall dort hilft das 
Argument, dass auch das kleinere Übel ein Übel ist. Und dass man sich somit 
nur daran gewöhnt, Übel zu akzeptieren. Wenn man dazu noch Hannah Arendt 
erwähnt, hat man ein perfektes Autoritätsargument, klingt schlau und hat eine 
der wenigen PhilosophINNEN, die bekannt sind genannt.

Liebe Grüße, Leena
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Re: Argument gegen das kleinere Übel

2011-06-02 Diskussionsfäden Michael Kesper
Hallo Leena,

On Thu, Jun 02, 2011 at 05:46:54PM +0200, Leena wrote:
 Hannah Arendt bezeichnet es als Beobachtungstatsache, daß diejenigen, die 
 das 
 kleine Übel wählen, rasch vergessen, daß sie sich *für* ein Übel 
 entscheiden. 
 Dadurch gewöhnt man sich und andere daran, das Übel an sich zu akzeptieren.

 Im Bezug auf Software finde ich das sehr treffend: 
 1) Bei Fragen, ob jetzt Mac oder Windows besser ist, wenn man schon 
 proprietäre Software nutzt.
 2) Bei der Abwägung, dass man sich ja bewusst sei, dass proprietäre Software 
 doof sei, aber doch immerhin das kleinere Übel gewählt habe.
 3) Dass bei der Abwägung zwischen FS und proprietärer Software, letztere ein 
 geringeres Übel darstellte, weil man sich damit nicht so viel rumärgern 
 muss. 

Vielen Dank für die Weitergabe dieses Funds!
Ich finde deine Punkte sehr gut und zutreffend. :)

Viele Grüße
Michael
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