For those who read German, a new illustrated biography of Celan. And for those who do not, at least the photos should be of interest): the photos did not past in properly, but you can find them at the link.
Jim https://www.nzz.ch/feuilleton/paul-celan-und-sein-leben-vergegenwaertigt-in-einer-monumentalen-bildbiografie-ld.1768890 Eine grosse Bildbiografie Paul Celans holt Unbekanntes ans Licht, auch das klandestine Leben des Erotomanen Über das Leben und Werk des in Czernowitz geborenen Dichters ist fast alles gesagt. Eine monumentale Sammlung an Fotografien zeigt Celan nun auch im Alltagsleben. Paul Jandl11.12.2023, 05.30 Uhr5 min Hören Merken Drucken Teilen Paul Celan in der Rue de Longchamp, wo er bis 1967 mit seiner Ehefrau Gisèle Lestrange und dem 1955 geborenen Sohn Eric wohnte. (Aufnahme um 1958/59) Paul Celan in der Rue de Longchamp, wo er bis 1967 mit seiner Ehefrau Gisèle Lestrange und dem 1955 geborenen Sohn Eric wohnte. (Aufnahme um 1958/59) Privatnachlass Paul Celan, Gisèle Celan-Lestrange / Privatbesitz Éric Celan Am Ende ist da diese Uhr. Ein Geschenk der Mutter. Paul Celan hat sie jahrzehntelang getragen, bis er sie im späten April 1970 in Paris zum letzten Mal abnahm. Die Uhr sollte nicht mit ihm versinken in der Seine, sollte seinen Freitod überleben. Wenn man sie eines Tages bei ihm zu Hause finde, dann sei das ein Zeichen, dass er nicht mehr wiederkomme, hat Celan einmal zu seiner Frau Gisèle Lestrange gesagt. Auf ewig wird der Chronograf der Marke Doxa auf halb neun stehen, aber in Bertrand Badious monumentaler neuer Bildbiografie zu Celan ist er Teil einer ganz anderen Zeit. Das Leben des Schriftstellers läuft hier auf kaskadenhaftem Weg noch einmal ab, setzt sich aus Fotos, Briefen und Objekten neu zusammen, ohne dass es einen Anspruch auf interpretatorische Vollständigkeit geben könnte. Zu Paul Celan gibt es genug mythisierend-biografische Literatur, in der ein Dichter die Düsternis des 20. Jahrhunderts auf sich genommen zu haben scheint und düstere Gedichte schreibt. Bei Bertrand Badiou, der sein Buch in enger Zusammenarbeit mit Celans Sohn Eric gestaltet hat und auf unveröffentlichtes Material aus dem Nachlass zugreifen konnte, sieht man auch einen anderen Menschen. Einen, der versucht, ins Leben zu fliehen. Man sieht den Bohémien, den Familienvater und den Affärenkünstler Celan mit all seinen Tricks der Verführung und der Täuschung, die er ein Leben lang anwendet. Mit den bisher unbekannten Dokumenten, die Bertrand Badiou aus den Phasen der Wahnanfälle des Dichters zusammengetragen hat, sieht man auch diesen Aspekt in einem neuen Licht. Wie ein Pendel gleitet Badious Buch in Celans Leben, um im Gegenschwung wieder beim Werk zu landen. Es ist genau diese Methode, mit der sich seiner angeblichen Hermetik begegnen lässt. Was manche für tote Chiffren gehalten haben, verwandelt sich dann zu Lebenschiffren. In den Gedichten steht, was in Celans oft wenig alltäglichem Alltag geschieht. Paul Celan mit Sohn Eric auf dem Balkon an der Rue de Longchamp, 1958. Paul Celan mit Sohn Eric auf dem Balkon an der Rue de Longchamp, 1958. Privatnachlass Paul Celan, Gisèle Celan-Lestrange / Privatbesitz Éric Celan Ungestüme Begierde Die Eltern waren 1942 aus Czernowitz in Lager in Transnistrien deportiert und dort ermordet worden. Paul Celan selbst war ab 1941 in Arbeitslagern in Fălticeni und Tăbărești. Ein anderer Insasse erinnert sich an Celans traurigen, in sich gekehrten Blick und daran, wie er in einem Heft Notizen macht. In welcher Verfassung war der damals 23-Jährige, als er 1944 das rumänische Zwangslager hinter sich lassen konnte? Bisher wenig erforscht ist die Zeit des Schriftstellers in Bukarest, wo er sich mit dem jüdisch-rumänischen Übersetzer Petre Solomon anfreundet und offenbar seine Freude an surrealen Spässen und den realen Reizen der Stadt hat. Petre Solomon hat sich an das bittere Lächeln des jungen Mannes erinnert und an die gleichzeitig «ungestüme Begierde, endlich leben zu können». Vieles im Buch Bertrand Badious spiegelt diese beiden Pole wider. Als wäre zwischen Herkunft und erhoffter Ankunft ein Seil bis zum Zerreissen gespannt. Nicht ohne Grund nimmt die politische Hellhörigkeit Paul Celans in der Bildbiografie einigen Raum ein. Sein Auftritt bei der Gruppe 47 in Niendorf 1952 endet nach Sottisen von Hans Werner Richter in einem inneren Tumult Celans. Ob es tatsächlich antisemitische Vorfälle gegeben hat, ist bis heute ungeklärt. In einem Brief an seine Frau nach der Tagung hat sich der Schriftsteller wenig eindeutig geäussert. Paul Celan in Bukarest im Herbst 1947. Paul Celan in Bukarest im Herbst 1947. Pariser Privatnachlass Paul Celan / Privatbesitz Éric Celan Heftig reagiert Paul Celan auf Rezensionen reaktionärer Kritiker, die ihre erkennbar antisemitische Stossrichtung mit ästhetischen Einwänden zu bemänteln versuchen. Frühe Kritiken in Zeitungen hat Celan mit der Schreibmaschine abgetippt und archiviert. Und dann ist da noch die Affäre Goll. Claire Goll, die Witwe des Dichters Yvan Goll, hat in den fünfziger Jahren Celan vorgeworfen, Gedichte ihres Mannes plagiiert zu haben. Bis an Celans Lebensende bleibt Claire Goll als Nemesis präsent. Als eine reale und zugleich phantasmagorische Figur, die nicht unwesentlich zu den existenziellen Erschütterungen des Dichters beigetragen hat. Celans Doppelleben Dem anderen Paul Celan, dem unerschütterten, begegnet man bei Bertrand Badiou allerdings oft genug: Man sieht ihn schlafend im Bukarest der späten vierziger Jahre. Einer der Freunde muss das Foto gemacht haben. Eine Mittagspause im Gras, bei der Celan und Gisèle vertraut nebeneinandersitzen, ist im Familienalbum mit dem Vermerk «Juli 1952» versehen. Fünf Jahre später sitzt die Familie Celan aufgereiht am Esstisch. Der Sohn Eric ist schon mit dabei. Diese Simulationen des Glücks brauchen keine Chiffren. Umso mehr verschlüsselt Paul Celan ein Doppelleben, das ihn vielleicht phasenweise wirklich glücklich gemacht hat. Die berühmte und mittlerweile oft genug abgehandelte Affäre mit Ingeborg Bachmann nimmt in Bertrand Badious Buch vergleichsweise wenig Platz ein. Mit hermeneutischem Interesse und in aller Diskretion wird dagegen aufgedeckt, was in Celans Werk seinen Niederschlag gefunden haben könnte. Brigitta Eisenreich, eine österreichische Studentin in Paris, lernt der Schriftsteller kurz nach seiner Heirat mit Gisèle Lestrange kennen und hat mit ihre eine zehn Jahre dauernde Affäre. Ein «Kreidestern», wie er auch in Celans Gedichten vorkommt, ist die Signatur dieser Beziehung. Hochzeitsfoto von Gisèle Lestrange und Paul Celan, 23. Dezember 1952. Hochzeitsfoto von Gisèle Lestrange und Paul Celan, 23. Dezember 1952. Privatnachlass Paul Celan, Gisèle Celan-Lestrange / Privatbesitz Éric Celan Später ist es Ariane Deluz, die Frau des Celan-Freundes Isac Chiva, mit der der Schriftsteller eine Amour fou beginnt. Über Isac Chiva hatte Celan auch Gisèle Lestrange kennengelernt. Nach kurzer Zeit trifft er neben Ariane Deluz auch die deutsche Studentin Gisela Dischner. Wenn Celan in Frankfurt bei Suhrkamp ist, schickt er ihr Nachrichten, allerdings mit dem Hinweis: «Bitte nicht im Verlag anrufen.» Das Gedicht «Du stehst, ich weiss, zu» ist Gisela Dischner gewidmet. Erst geht es darin um die Möwen am Main und dann um etwas anderes: «So lieg zu mir, / zu mir lieg, / mir lieg zu.» Auch mit der Schauspielerin Inge Waern, die er in Stockholm getroffen hat, unterhält Paul Celan ein Verhältnis, das zu mehreren Gedichten führt. Bertrand Badious Buch ist ein grandioses Bild-Text-Puzzle, in dem der Erotomane Celan ohne Zweifel einer der schillerndsten Teile ist. «Vielleicht / war ich jeder», schreibt der Schriftsteller in einem Gedicht-Typoskript, das er im März 1968 an Ariane Deluz schickt. Schon 1962 haben jene Augenblicke der Persönlichkeitsspaltung begonnen, die Celan selbst als «Wahnanfälle» kategorisiert. In den französischen Alpen hält er einen Passanten für einen Komplizen Claire Golls, später wird er Gisèle Lestrange mit einem Messer angreifen, ein andermal auch sich selbst verletzen. In der Klinik unterstreicht Paul Celan Sätze aus einem Buch Paul Éluards: «Messer, so scharf, so stark, dass sie nichts mehr wiegen / Messer wie Statuen des Zorns.» Die Bildbiografie von Bertrand Badiou endet mit einem Inventar. Der Dichter hat vor seinem Gang in die Seine nicht nur seine Uhr abgelegt, sondern auch seine Manteltaschen geleert. Im Buch sieht man Celans Ausweise und Fotos seiner Frau Gisèle und vom Sohn Eric. Es ist ein Stillleben, das an das Stillstehen der Zeit erinnert. Nichts Reales ist mehr wichtig. Schon gar nicht, dass im Kalender für den 20. April 1970 eingetragen ist: «16 h Dentiste». Paul Celan in Montana, Weihnachten 1961. Paul Celan in Montana, Weihnachten 1961. Privatnachlass Paul Celan, Gisèle Celan-Lestrange / Privatbesitz Éric Celan Paul Celan. Eine Bildbiografie von Bertrand Badiou. Suhrkamp-Verlag, Berlin 2023. 580 S., Fr. 93.90. * ******************************************************************************* This moderated discussion group is for information exchange on the subject of Czernowitz and Sadagora Jewish History and Genealogy. The opinions expressed in these posts are the opinions of the original poster only and not necessarily the opinions of the List Owner, the Webmaster or any other members or entities connected with this mailing list. 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