Radio Vatikan, 25.5.17

http://de.radiovaticana.va/news/2017/05/25/indonesien_religionsfreiheit_in_gefahr/1314726


Indonesien: Religionsfreiheit in Gefahr

Betroffenheit in Indonesien: Kurz vor Beginn des muslimischen Fastenmonats 
Ramadan haben 
in der Hauptstadt Jakarta zwei Selbstmordattentäter drei Polizisten getötet. 
Zehn weitere 
Personen seien bei dem Doppelanschlag an einer belebten Bushaltestelle verletzt 
worden, 
erklärten die Sicherheitskräfte an diesem Donnerstag. Zwei Attentäter zündeten 
im Abstand 
von wenigen Minuten an einer belebten Bushaltestelle Nagelbomben, ein 
Zusammenhang mit der 
Terrororganisation Islamischer Staat gilt als wahrscheinlich.

Der Angriff galt eindeutig den Menschen, die sich einer Radikalisierung in der 
Gesellschaft Indonesiens entgegen stemmen. Dieser Ansicht ist Yenny Zannuba 
Wahid, 
Direktorin des in Jakarta ansässigen Wahid Institute. Das Institut fördert den 
interreligiösen Dialog und will religiöser Radikalisierung vorbeugen, außerdem 
beobachtet 
es Verstöße gegen die Religionsfreiheit in Indonesien. Am Rand eines Seminars 
zur 
Förderung von religiösem Pluralismus in Indonesien, das am Mittwoch in Rom 
stattfand, 
sprachen wir mit Yenny Wahid über den jüngsten Terrorakt in Jakarta.

„Das ist wirklich eine Tragödie, aber die Indonesier haben keine Angst, und 
gleich nach 
dem Anschlag ging eine Mobilisierung gegen diese Art von Attacken los – in 
Social Media, 
Twitter, senden die Leute Nachrichten: Wir haben keine Angst! Wir werden nicht 
durch Angst 
gelähmt werden, wir werden damit umgehen. Terroristen werden uns niemals Angst 
einjagen.“

Terroristen wollen Gesellschaft destabilisieren

Hinter dem Attentat steckten Terroristen, die die Gesellschaft destabilisieren 
wollen, ist 
sich Yenny Wahid sicher. Indonesien, der Staat mit der größten muslimischen 
Bevölkerung 
weltweit, galt lange als  Beispiel für religiöse Toleranz und friedliches 
Zusammenleben 
der Religionen. Doch in jüngster Zeit häufen sich die Anzeichen dafür, dass 
auch in 
Indonesien radikales Gedankengut Fuß fasst. Moderate Muslime versuchen, gegen 
diese 
Entwicklung zu arbeiten und geraten damit ins Fadenkreuz der Terroristen, meint 
Wahid:

„Indonesien ist ein Bollwerk von Pluralismus und Mäßigung. Moderne Muslime sind 
gegen 
Terror und Radikalismus. Insbesondere mit den beiden größten islamischen 
Organisationen, 
Nahdlatul Ulama (NU) und Muhammadiyah, stellen wir uns der Radikalisierung 
entschieden 
entgegen. Auch wir haben schon Drohungen erhalten. Wir sind daran gewöhnt. Doch 
diese Art 
von Anschlägen ist barbarisch! Wir werden nicht aufhören, sie zu bekämpfen.“

Dabei sei es unerlässlich, den Weg des Dialogs zu beschreiten, ist die 
Aktivistin 
überzeugt. „Dialog gemeinsam mit einem sicherheitsorientierten Ansatz ist der 
Weg, 
voranzugehen. Denn nur mit einem sicherheitsorientierten Ansatz kann man das 
Problem nicht 
lösen. Das heißt Dialog ist nötig. Er ist nötig, um Menschen davon abzuhalten, 
sich zu 
radikalisieren. Und Dialog ist auch nötig dafür, mehr Verständnis unter den 
Menschen zu 
schaffen sowie den Willen dafür, gemeinsam in friedlicher Koexistenz zu leben. 
Dialog ist 
nicht nur eine Option, sondern ein Muss.“

Indonesischer Kurienpriester: „Wir wollen, dass so etwas nie wieder passiert“

Dialog, der jedoch nicht zum Selbstzweck verkommen darf, mahnt der Steyler 
Missionar 
Markus Solo vom Päpstlichen Rat für Interreligiösen Dialog. Er ist selbst 
Indonesier, die 
Nachricht von dem jüngsten Attentat nahm er mit Bestürzung zur Kenntnis. Er 
fordert am 
Rande der von ihm moderierten Veranstaltung zu religiösem Pluralismus in 
Indonesien 
konkrete Schritten bei der Bekämpfung von religiösem Radikalismus:

„Ein derartiges Attentat passiert leider nicht zum ersten Mal in Indonesien. 
Gleich im 
Anschluss melden sich dann die religiösen Führer zu Wort und verurteilen die 
Tat. Aber wir 
wissen, dass solche Worte und Aktionen nicht viel Veränderung gebracht haben. 
Deshalb ist 
es am wichtigsten, diese Worte in die Tat umzusetzen. Und das können sie nicht 
nur in 
einem solchen Forum sagen, sondern sie müssen mit ihrer eigenen Gemeinde 
anfangen, konkret 
zu handeln. Das erwarten wir immer wieder. Wir wollen, dass so etwas nie wieder 
passiert. 
Sonst verlieren die Worte ihre Bedeutung.“

Der Fall Ahok: Verletzung der Religionsfreiheit

Aufsehen hatte erst vor Kurzem ein Gerichtsurteil gegen einen indonesischen 
Politiker 
erregt: Der christliche Gouverneur von Jakarta Basuki Tjahaja Purnama war 
Anfang Mai zu 
zwei Jahren Haft verurteilt worden, weil er während des Wahlkampfes um das 
Gouverneursamt 
blasphemische Äußerungen gemacht haben soll. Der Ahok genannte Politiker hatte 
die 
Stichwahl gegen seinen muslimischen Gegenkandidaten deutlich verloren, wohl 
auch wegen des 
Prozesses. Beobachter sind sich einig darin, dass das schließlich gesprochene 
Urteil 
politisch motiviert und unnötig hart ausgefallen ist, begünstigt durch radikale 
Strömungen 
in der Gesellschaft, die hartnäckig für eine Verurteilung des 
chinesisch-stämmigen 
Politikers Stimmung machten.

„Es handelt sich hier um Verletzung der Religionsfreiheit,“ meint auch Yenny 
Wahid, die 
mit ihrer Organisation Verletzungen der Religionsfreiheit in Indonesien 
beobachtet. „Für 
uns war der Fall von Anfang an grundlos. Wir denken nicht, dass Ahok irgendeine 
Art von 
Blasphemie, welcher Religion auch immer gegenüber, begangen hat. Er hat 
vielleicht ein 
wenig unbedacht gesprochen, politisch unkorrekte Dinge gesagt, doch sicher 
keine 
Blasphemie begangen. Wir haben das als Fall von Verletzung der 
Religionsfreiheit bewertet.“

Verzicht auf Berufung

Unter Tränen gab die Frau des verurteilten Politikers vor zwei Tagen bekannt, 
ihr Mann 
werde gegen das Urteil keine Berufung einlegen, um zur Beruhigung der 
angespannten Lage 
beizutragen. Für Yenny Wahid ist das trotz der tragischen Situation ein 
richtiger Schritt, 
denn Ahoks Fall könnte noch weitere Kreise ziehen, gibt sie zu bedenken:

„Wir schätzen Ahok sehr für seine Bereitschaft, sich selbst zu opfern, um 
Frieden zu 
erhalten und um Ruhe einkehren zu lassen. Denn wenn er Berufung einlegen würde, 
was 
natürlich sein Recht ist, dann würde das eine politische Auswirkung auf 
Präsident Joko 
Widodo haben. Er wäre das nächste Opfer. Im Moment steht er bereits dafür in 
der Kritik, 
dass er Ahok zu sehr geschützt habe. Und ich denke, der Präsident ist sehr 
engagiert 
dabei, Demokratie und Pluralismus in unserem Land zu garantieren – doch auch er 
könnte ein 
Opfer von Angriffen wie denjenigen auf Ahok werden.“

Amnestie für Ahok? „Unwahrscheinlich“

Eine Amnestie für Ahok hält sie aus diesen Gründen trotz der internationalen 
Aufmerksamkeit für den Fall für unwahrscheinlich. Denn, so ihre Einschätzung, 
in diesem 
Fall müssten hunderte von Menschen begnadigt werden, die unter den gleichen 
oftmals allein 
auf Behauptungen beruhenden Umständen wegen Blasphemie in Haft sind. Der 
einzige Weg sei 
die Abschaffung oder eine Änderung des Gesetzes, das diese Art von Urteilen 
ermöglicht.

„Wir, meine Organisation, mein Vater (der ehem. indonesische Präsident 
Abdurrahman Wahid, 
der 2004 das Wahid Institut gegründet hat, Anm.), ich selbst, haben schon 
versucht, ein 
Gerichtsurteil zu erwirken, das Blasphemiegesetz zu kippen. Wir haben verloren. 
Die 
einzige Chance ist das Parlament. Nicht einmal der Präsident kann einschreiten. 
Unabhängig 
davon, was wir über all das denken: die Gesetze müssen geachtet werden.“

(rv 25.05.2017 cs)


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