Eine Ausstellung über den Gestalter des Schutzumschlags von Jünger GÄRTEN UND 
STRASSEN. Herzl.Gruß, TW

DER TAGESSPIEGEL, 08.06.2004

Eierbecher zu Schnapsgläsern
Horst Michel entwarf den DDR-Alltag - gegen den Widerstand der SED. Eine 
Ausstellung in Berlin
Von Bodo Mrozek

Die DDR gilt im Rückblick nicht gerade als ein Hort der schönen Form. Plaste 
und Elaste aus Schkopau, Wartburg und Schlagersüßtafel: Den meisten 
gestalterischen Errungenschaften des real existierenden Sozialismus trauern 
allenfalls hart gesottene Ostalgiker hinter her. Wer verstehen will, warum der 
Sozialismus sein avantgardistisches Erbe von Rodschenko bis zum Bauhaus mit 
Füßen trat, kommt an Horst Michel nicht vorbei.

Der ostdeutsche Grafiker und Produktdesigner (1904–1989), an den die Sammlung 
Industrielle Gestaltung nun mit einer Retrospektive erinnert, war nicht nur 
eine zentrale Figur des DDR-Designs. Durch seine Biografie verlaufen auch 
idealtypisch die folgenschweren Brüche und Verwerfungen, die zur deutschen 
demokratischen Formgebung in all ihrer Zwiespältigkeit führten.

Michel begann 1924 mit Textilentwürfen und Typografie: Die mit feinem 
Pinselstrich gezogenen Krawattenmuster und rot karierten Herrentaschentücher 
sind kleine filigrane Meisterwerke. Auf Buchumschlägen des Gustav Kiepenheuer 
Verlages findet sich Michels Signatur „hm“ immer wieder: neben antiken 
Heldenhelmen auf den Geschichtsbüchern Leopold von Rankes, auf Ernst Jüngers 
„Gärten und Straßen“ oder Arnold Gehlens „Der Mensch“. Irritierend wirkt ein 
brauner Ornamentbogen von 1943 mit heraldischen Adlern, die deutliche Anklänge 
an die NS-Symbolik zeigen. Zwar erklärte Michel nach 1945, niemals Mitglied 
einer NS-Organisation gewesen zu sein. Doch sein Werk ist nicht frei von 
Einflüssen brauner Symbolik. Die Ausstellung beleuchtet erstmals auch diese 
Zeit, die vorhergehende Werkausstellungen unterschlagen hatten.

Als nach dem Krieg das Bauhaus zunächst in Weimar neu aufgebaut werden sollte, 
beauftragt man ausgerechnet den Bauhaus-fernen Michel mit Entwürfen für ein 
neues Logo. Es entstehen drei stilisierte Ziegelsteine in schwarz und rot. 
Hatte er bis dahin nur in der Fläche gewirkt, so gestaltet er nun erstmals 
räumliche Objekte. Eine der ersten Nachkriegsarbeiten ist das Re-Design der 
Schreibmaschine „Optima“. Der Vorgängertyp M8 stand in den Amtsstuben der 
Nazis. Michel rundet die Form zu einem weniger technokratischen Gehäuse ab.

Solche frühen Entwürfe befanden sich noch auf Augenhöhe mit dem internationalen 
Design. Warum es anders kam, illustriert die Geschichte des Misserfolgs des 
Mehrzweck-Geschirrs „Angelika“. Die Garnitur folgte Michels vom Weben 
abgeleiteten Anspruch an Materialgerechtheit und industrielle Technik. Die 
leicht konkaven Deckel der in Wagenfeld’scher Schlichtheit gehaltenen Behälter 
ließen das beim Brennen typische Einsinken zu und vereinfachten so die 
Produktion. Tassen dienten im Kühlschrank als Vorratsdosen, Kannen als 
Blumenvasen und Eierbecher als Schnapsgläser.

Eine Kommission schmetterte den Entwurf 1951 ab: Die Nachkriegszeit mit ihren 
Notlösungen sei vorbei, der Bauer wolle seinen Schnaps nicht aus Eierbechern 
trinken, und auch für den Arbeiter sei „das Beste gerade gut genug“. Michels 
Entwurf im Stil der klassischen Moderne sehe aus „wie Hitlers 
Kantinengeschirr“. Der Sozialismus verlange aber nach einem schönen Geschirr 
und einem „noch schöneren am Sonntag“. Dieses Verdikt folgte der unseligen 
Formalismusdebatte. Es markierte den Beginn eines neuen realsozialistischen 
Biedermeier – und das Ende für „Angelika“.

 Michel ging den Weg der Anpassung. Welche ästhetischen Opfer er bringen 
musste, beweist das Schicksal einer Blumenvase von 1946. Die klassisch 
proportionierte weiße Form wurde mit bäuerlichen Blümchenornamenten 
verunstaltet. Der Folklorismus entsprach den stalinistischen Geschmacksvorgaben 
und wurde – ebenso wie Stechschritt und preußische Uniformen – als 
antiwestliche Rückbesinnung auf nationale Traditionen propagiert. Es wirkt wie 
der Beleg einer alltagsästhetischen Totalitarismusthese, dass Michel moderne 
Entwürfe in der Schublade lassen musste und stattdessen Ornamente aus brauner 
Zeit neu auflegen durfte: schlichte Balkenmuster, erdige Farbtöne und florales 
Gekräusel.

Im „Neuen Deutschland“ plädierte noch 1962 die Brecht-Sängerin Gisela May in 
einem Leserbrief: „Wir lieben den Sozialismus. Aber lasst uns auch graue Farben 
und weiße Vasen und asketische Stühle.“ Trotz solcher Proteste wirkten die 
Grundsätze des „Formalismusplenums“ von 1950 bis weit in die Sechzigerjahre 
hinein. Das DDR-Design erholte sich davon nie wieder völlig. Michel schuf sich 
mit den „Gelben Heften“ für Design zwar ein Forum, in dem er den Kitsch 
geißelte und eigene Entwürfe propagierte. Doch auch seine zusammenklappbaren 
Möbel für den neuen Plattenbau wurden nicht verwirklicht – man zog die 
Schrankwand vor.

Michels bekannteste Objekte sind rote und blaue Kerzenleuchter, deren 
transparenten Körpern die organische, spätpsychedelische Formensprache der 
Siebziger eingeschrieben ist. Die Ausstellung, darin auch der herausragende, 
beflochtene Stahlrohrstuhl für die Decks des FDGB-Ferienschiffs 
„Völkerfreundschaft“, bietet aber weit mehr als ein ostalgisches Wiedersehen. 
Sie erklärt, warum der sozialistische Alltag oft so aussah, als sei er aus der 
Zeit gefallen.<BR><BR>1904 wird Horst Michel in Neumark geboren.

1943 wird er Professor an den Vereinigten Staatsschulen in Berlin.

1945 gründet er die Fachklasse für Industrielle Formgebung in Weimar.

1951-69 Direktor am Institut für Innengestaltung in Weimar

1961-70 Michel ist Vorsitzender der Sektion Formgestalter im Verband Bildender 
Künstler und gibt die „Gelben Hefte“ heraus.

1989 stirbt Horst Michel am 21. April in Weimar.

AUSSTELLUNG
Sammlung Industrielle Gestaltung, Kulturbrauerei, Knaackstr. 97 (Prenzlauer 
Berg),
bis 5. September, Mi – So 13 bis 20 Uhr.

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