Liebe Jünger-Freunde,

hier noch eine Rezension zum Briefband Jünger / Andres von Matthias Pierre 
Lubinsky auf webcritics.de
Schöne Grüsse rundum, 
Ihr / Euer
tw

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webcritics.de 26.04.2007 
Matthias Pierre Lubinsky



Am 1. August 1937 nimmt der 31jährige Stefan Andres mit einem Brief Verbindung 
zu Ernst Jünger auf. Er war mit seinem Studium der Germanistik, Kunstgeschichte 
und Philosophie gerade von Köln für ein Semester nach Jena gewechselt. In tief 
katholischem Milieu aufgewachsen, hatten seine Eltern für ihn eigentlich die 
Priesterlaufbahn vorgesehen. In Wahrheit war Andres längst produktiver Autor: 
drei Romane, mehrere Erzählungen und ein kleiner Gedichtband waren bereits 
erschienen. Jedoch besagt dieser biographische Eckpfeiler wenig über Andres 
wirkliche Lebenssituation zu dieser Zeit. Diese war von bitterer Armut und 
täglichem Überlebenskampf bestimmt. Zwei Töchter wollten ernährt werden; Anfang 
1935 war er wohl aufgrund seiner politischen Gesinnung als freier Mitarbeiter 
vom Reichssender Köln entlassen worden. Außerdem fühlte sich Andres im 
nationalsozialistischen Deutschland unwohl und gefährdet. 1936 ging er mit 
seiner Familie nach München in der Hoffnung, hier Anschluss an die 
Künstlerszene zu finden, um aus seiner bedrückenden Isolation herauszukommen. 
Dies misslang gründlich. Andres selbst resümierte später: »Ich hatte nämlich 
den Makel einer halbjüdischen Frau an mir und überdies neigte ich dazu, wenn 
ich auf gefühlsbetonte und zugleich arrogante, also typisch deutsche Dummheit 
stieß, unmittelbar zu explodieren.« In dieser existentiellen Lebenskrise stößt 
er auf zwei Bücher: »Das abenteuerliche Herz – Aufzeichnungen bei Tag und 
Nacht« und »Blätter und Steine« von Ernst Jünger. Die Wirkung auf den massiv 
Bedrängten ist phänomenal. Andres selbst spricht in einem Schreiben an Jünger 
von einer »Begegnung im Buch«. Jüngers Bücher sind für Andres mehr als Trost. 
Tiefe Übereinstimmung, ein Gefühl des Nicht-Alleinseins mit seiner Wahrnehmung.

Der vorsichtige und etwas untertänige erste Brief sollte der Beginn einer 
Freundschaft sein, die weit mehr war als eine reine Brieffreundschaft, - auch 
wenn teils jahrlange Unterbrechungen geschahen. Dennoch ist die Beziehung, in 
der auch die beiden Ehefrauen eingebunden waren, durch einen liebevollen 
gegenseitigen Respekt geprägt, der sich über die insgesamt 33 Jahre bis zu 
Andres Tod nicht erschöpfte. Man verfolgte aufmerksam die gegenseitigen 
Veröffentlichungen; Andres bat regelmäßig den 11 Jahre älteren 
Schriftsteller-Kollegen um ein Urteil über seine Autorschaft. Ein interessantes 
Detail ist, dass Jünger Andres einmal um einen Rat bittet: Wie hoch sind 
eigentlich die Tantiemen bei einer Gesamtausgabe?

Eine Begegnung im Buch, - mit dieser schönen Formulierung hat Andres die 
Überschrift geliefert, die heute über der Veröffentlichung dieses Briefwechsels 
stehen könnte. Andres war zutiefst geprägt durch seine Herkunft aus dem 
idyllischen und katholischen Moseltal, in das die Moderne brutal einbrach: Da 
man ab 1910 im Drohntal das Wasser zur Erzeugung von Strom nutzte, nahm man den 
Müllern, wie Andres Vater, die Existenz. So musste die Familie, als er vier 
Jahre alt war, den angestammten Lebensmittelpunkt aufgeben. Die Familie zog vom 
Dorf in den Ort.

Während eines Besuches des Ehepaars Jünger bei den Andres 1968 in Italien 
charakterisierte Jünger seinen Gastgeber: »Andres ist einer der Moselaner, die 
sich im Süden wohler fühlen als bei uns. Bei ihnen findet man auch ausgeprägte 
Physiognomien; ich denke an Stefan George und Carl Schmitt. Unser Landrat sagte 
mir einmal nach einem Besuch von Andres: Der hat keinen Kopf; er hat ein 
Haupt.’ Dem entspricht die mimische Kraft.«

Eine Begegnung im Buch, - das verdeutlicht in anschaulicher Weise Jüngers 
Perzeption des Seins, des Hier-Seins und Lebens. Denn Jünger betonte stets, für 
ihn gebe es mehrere Welten. Neben der, die für viele Menschen die einzige ist, 
hatte er mindestens noch die der Lektüre und die der Annäherung an andere 
Seinszustände mittels Drogen. So ist der tiefe Farbton dieser Korrespondenz 
eine warme Behaglichkeit. Mit einem Wort: Freundschaft. Vieles muss gar nicht 
ausgesprochen werden; häufig genügen Stichworte oder Andeutungen. Wesentliches 
wird dann im persönlichen Gespräch erläutert. Jünger an Andres am 12. April 
1947: »[…] Das fordert zu näherer Ergründung bei kontemplativer Trinkung 
heraus.«

Dennoch ist der Gewinn an Erhellendem für Interessierte gewaltig. Der Leser ist 
ja grundsätzlich nur Zaungast. Er darf auf das Blicken, was ihm der Autor zuvor 
sorgfältig ausgebreitet, ausgewählt hat. Die Briefe, die Jünger an seine 
Freunde und Bekannten schrieb, sind nicht für eine Veröffentlichung 
geschrieben, sondern für den Empfänger und zum gegenseitigen Austausch. Daher 
gewähren sie einen Einblick in die Gedanken- und Gefühlswelt, der die primären 
Werke noch besser verstehen lässt. So lernen wir mit jedem weiteren 
Briefwechsel auch in gewisser Hinsicht einen neuen Jünger kennen.

Seit dem Tode Ernst Jüngers im Jahr 1998 ediert sein Verlag, Klett-Cotta, mit 
dieser Korrespondenz nun bereits den sechsten Briefwechsel. Wir sind gespannt 
auf alle weiteren.



-- 
Tobias Wimbauer | Wimbauer Buchversand
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