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 Typisch deutsch: Karrieren zwischen Geist und Ungeist
Martin Heidegger und die Jünger-Brüder von 1920 bis 1960
© Die Berliner Literaturkritik, 22.06.07

Als vor nunmehr 62 Jahren der Krieg endete, da wurde die Amnesie eine 
Modekrankheit in Deutschland. In der „Stunde Null“ waren die Jahre vor und 
während des Nationalsozialismus mit einem Mal vergessen, und es hieß, sich an 
den Wiederaufbau zu machen. Lehrer, Beamte, Unternehmer, Mediziner, Juristen 
und andere Gruppen zeigten sich dabei äußerst anpassungsfähig an das neue 
System, in dem sie bald einen neuen Karrierefrühling erlebten. Einer Gruppe 
jedoch fiel der Wechsel besonders schwer – den Intellektuellen.

Im Gegensatz zu den übrigen Berufsgruppen, konnten sich die Intellektuellen als 
professionelle Deuter der Gesellschaft nicht mit der üblichen Behauptung aus 
der Verantwortung stehlen, sie wären im „Dritten Reich“ lediglich einer mehr 
oder minder technischen Arbeit nachgegangen. Auch machte es ihnen ihr Status 
als Besserwisser von Berufswegen schwer, einen Denkirrtum zuzugestehen. Das 
traf vor allem auf jene rechtskonservativen Intellektuellen zu, die sich 
während der Weimarer Republik und zu Beginn der Diktatur als Schrittmacher 
einer neuen Zeit gerierten. Sie hatten damit nicht nur der Weimarer Demokratie 
die bitter nötige Zustimmung verwehrt, sondern den Nationalsozialismus als 
angeblich erneuernde Bewegung zumindest aufgewertet.

Die Demokratie muss weg

Wie diese Geistesarbeiter, die nicht selten auch Gedankentäter waren, mit den 
Folgen der Niederlage und ihrer Schuld umgingen, ist bisher nur vereinzelt 
erforscht worden. Dirk van Laak hat in „Gespräche in der Sicherheit des 
Schweigens“ exemplarisch den Fall Carl Schmitts erforscht. Der „Kronjurist des 
Dritten Reichs“ durfte zwar keine zweite Karriere in der Bundesrepublik 
erleben, sich aber immerhin mit einer Renaissance seiner Werke gerade bei 
jungen Intellektuellen trösten. Besser erging es dagegen den Brüdern Ernst und 
Georg Jünger sowie Martin Heidegger. Ihren erfolgreichen Übergang vom 
Radikalismus der Weimarer Jahre hin zu einer konsensfähigen Kulturkritik in der 
frühen Bundesrepublik zeichnet Daniel Morat in seiner Dissertation „Von der Tat 
zur Gelassenheit“ nach.

Der Göttinger Historiker sieht die Vermittlung zwischen „Geist“ und „Tat“ als 
das zentrale Problem jener Intellektuellen, die in der Weimarer Republik unter 
dem so umstrittenen wie unklaren Begriff der „Konservativen Revolution“ 
firmierten. Dem Sammelsurium aus Einzeldenkern, Zirkeln und Bünden aller 
politischen Glaubensrichtungen reichte es nicht, die Gesellschaft lediglich zu 
reflektieren und zu kommentieren. In der überhitzten Atmosphäre der Weimarer 
Jahre glaubten sie vielmehr an die Notwendigkeit einer radikalen Umgestaltung.

Bezeichnend hierfür war der Aktivismus der Gebrüder Jünger. Als sie aus dem 
Ersten Weltkrieg zurückkehrten, suchten sie nach einem Sinn für all die 
vergeblichen Opfer. Sie fanden ihn bald in einem metaphysisch übersteigerten 
Nationalismus, den sie in Form eines aggressiven und autoritären Staates zu 
verwirklichen suchten. Aus ihm heraus würde ein aktiver Menschentypus die Welt 
verändern. Sie glaubten, seine Geburt im Krieg erkannt zu haben und tauften ihn 
„Frontsoldat“, später allgemeiner „Arbeiter“. Diese Überlegungen mündeten in 
Ernst Jüngers 1932 erschienenen Traktat „Der Arbeiter“, ein Buch, das kaum 
jemand verstand, aber dessen Stoßrichtung klar war: Die Demokratie muss weg.

Gescheiterte Tat

Was den Brüdern Jünger ihre nationalistische Publizistik, das war Heidegger 
sein hochschulpolitisches Engagement zu Beginn des Nationalsozialismus. Auch er 
zog die Tat dem Geist vor und wurde im April 1933 zum Rektor der Universität 
Freiburg gewählt, dem im Mai der Eintritt in die NSDAP folgte. In seiner 
berüchtigten Rektoratsrede forderte er einen Umbau der Universitäten zu 
geistigen Führungseinrichtungen, in denen das Führerprinzip gelten solle. Damit 
die Studenten nicht vergeistigten, sollten sie sich durch Arbeitsdienst der 
„Volksgemeinschaft“ annähern, die sie später führen würden. Wie sein Schüler 
Karl Jaspers kommentierte, beabsichtigte Heidegger „den Führer zu führen“. Sein 
politisches Engagement endete allerdings bereits 1934, als Universität und 
Partei ihm die Unterstützung entzogen. Wie die Jüngers nach 1934, so zog auch 
Heidegger sich bis zum Ende des „Dritten Reichs“ in die „innere Emigration“ 
zurück.

In dieser Zeit, so Morat, hätten die Drei ihre „denkbiographische Abstandnahme“ 
von dem Radikalismus der Weimarer Jahre eingeleitet. Die Tat war gescheitert: 
Heidegger konnte seine Universitätsreform nicht durchsetzen und die beiden 
Jünger empfanden den nationalsozialistischen Staat nicht als Verwirklichung 
ihrer Ideen, sondern als Herrschaft des Pöbels. In der Folge stilisierten sie 
sich zu bloßen Beobachtern und hellsichtigen Propheten. Die Entwicklungen, die 
sie soeben noch in ihrem „heroischen Realismus“ bejaht und vorangetrieben 
hatten, wurden nun zum Gegenstand besorgter, gleichwohl distanzierter 
Anschauung. Diese Position fällt am stärksten bei Ernst Jünger auf: Im 
Gegensatz zu seinem Bruder und Heidegger wurde er als Offizier der Wehrmacht 
mit Kriegsverbrechen und Holocaust konfrontiert. Wie seine nach dem Krieg 
veröffentlichten Tagebücher belegen, reagierte Jünger mit Ästhetisierung der 
beobachteten Gewalt, Bibelexegese und ausgedehnten Streifzügen durch Pariser 
Salons und Antiquariate.

Bis zu diesem Punkt fällt Morats Studie konventionell aus und reproduziert 
größtenteils die bisherige Forschung. Das ist wenig verwunderlich, wenn man 
sich deren starke Fixierung auf die aktiven Jahre der drei Intellektuellen 
zwischen 1920 und 1945 bewusst ist. Hier ist mit neuen Erkenntnissen kaum mehr 
zu rechnen. Auch sind diese Jahre vielen Interpreten noch immer ein 
ideologisches Schlachtfeld. So erregte vor zwei Jahren die kritische Studie des 
Franzosen Emmanuel Faye die Gemüter, weil sie nationalsozialistische Elemente 
in Heideggers Denken behauptete und diese so zu diskreditieren suchte. Morat 
entgeht diesen Dauerdebatten, indem er im zweiten Teil seines Buches zeigt, wie 
die drei Intellektuellen nach 1945 ihren Weg zurück in die Öffentlichkeit 
fanden – ohne ihre politischen und intellektuellen Fehler zu widerrufen oder zu 
korrigieren.

Geheime Gegenöffentlichkeiten

Unter den unmittelbar nach Kriegsende einsetzenden Vorwürfen seitens der 
Alliierten und der deutschen Presse hatte vor allem Ernst Jünger zu leiden. Er 
wurde zum exemplarischen „Fall“ erklärt, verweigerte sich aber der 
„Entnazifizierung“ ebenso wie der öffentlichen Debatte um ihn. Wie Heidegger 
und sein Bruder zog er sich in ein weit verzweigtes Netzwerk von Kontakten 
zurück und überwinterte dort die feindliche Atmosphäre der unmittelbaren 
Nachkriegszeit. Unter Freunden und Adepten frönten die Drei einem Elitenkult 
und verstanden sich dabei wie Ernst Jünger als „Seismograph“, auf den nach dem 
Erdbeben eingeschlagen würde.

Die kleinen Kreise dienten indes nicht allein dem Rückzug. Ernst Jünger und 
Heidegger nutzten sie vielmehr als geheime Gegenöffentlichkeiten, in denen sie 
sich letztlich auf ihre Rückkehr in den öffentlichen Raum vorbereiten konnten. 
In Briefen, Gesprächsabenden und Vorträgen vor geschlossenen Gesellschaften 
erprobten und tauschten sie ihre Ideen aus, ohne auf allzu kritische Fragen 
eingehen zu müssen. In der Zwischenzeit arbeiteten die vielen Unterstützer an 
der Rehabilitation ihrer Helden. Vor allem im Falle Ernst Jüngers, der bis 1949 
Publikationsverbot erhielt, leisteten sie kaum zu überschätzenden 
Hilfsleistungen und bereiteten so den Boden für sein späteres Comeback.

Inhaltlich blieb das Denken Heideggers und der Brüder Jünger nach 1945 eine 
entschärfte Fortführung der Zeitdiagnosen, die sie bereits in ihrer aktiven 
Phase entwickelt hatten. Allerdings beklagten sie nun offen den in jener Zeit 
noch herbeigesehnten Zustand und nannten ihn zeittypisch Nihilismus. Statt sich 
ihm zu stellen, empfahlen sie wie etwa Ernst Jünger den „Waldgang“, das heißt 
eine Abkehr vom politischen Geschehen. Damit fanden sie bei der konservativen 
Kulturkritik der Adenauerzeit ebenso Anklang wie durch ihre erfolgreich 
praktizierte Vergangenheitsverdrängung. Heidegger nahm für sich das Recht auf 
einen politischen Irrtum in Anspruch und schwieg ansonsten beharrlich. Ernst 
und Friedrich Georg Jünger gingen einen Schritt weiter, indem sie unter dem 
Deckmantel einer umfassenden Technikkritik die Besonderheit der deutschen 
Schuld verneinten: Auschwitz, Hiroshima und die Vertreibung waren ihnen 
allesamt Symptome einer nihilistischen Rationalität, die die Welt verziffere.

Es sind letztlich die erfolgreich vollzogenen „Denkwege“ dreier stark 
belasteter Rechtsintellektueller, die das eigentliche Problem, ja den Skandal 
ihrer Biographien ausmachen. In der deutschen Tätergesellschaft nach 1945 war 
dies akzeptabel, wenn nicht gar gefragt. Morats umfangreicher Studie kommt das 
Verdienst zu, diese Kontinuitäten und Ähnlichkeiten im Denken der drei 
Intellektuellen klar herausgestellt zu haben.

Von Thomas Hajduk

Literaturangaben:
MORAT, DANIEL: Von der Gelassenheit zur Tat. Konservatives Denken bei Martin 
Heidegger, Ernst Jünger und Friedrich Georg Jünger 1920-1960. Wallstein, 
Göttingen 2007. 592 S., 48 €.

Verlag:

    * Wallstein Verlag


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