Liebe Jünger-Freunde,

in der "Jungen Freiheit" vom 23. Februar 2007 findet sich nachstehender Beitrag 
zu Jünger. Autor ist Rainer Hackel, zu ihm vgl. Siebzig verweht III (5. Oktober 
1985: der "Anonymus"), IV (30. März 1988) und Band V (28. Oktober 1992).
Schöne Grüsse rundum,
Ihr / Euer
tw



S. 15 KULTUR

Rainer Hackel : Scheitern als Chance
Die Kunst der Niederlage: Zum Todestag Ernst Jüngers


Als Ernst Jünger 1982 den Goethe-Preis der Stadt Frankfurt am Main erhielt, 
wurde er von seinen Gegnern als Kriegsverherrlicher, Antisemit und Wegbereiter 
des Faschismus angeprangert. In Frankreich dagegen hatte man Jünger schon 
länger als kühlen Zeitdiagnostiker und großen Stilisten geschätzt.

Die damaligen Proteste vor der Paulskirche und in den Medien standen auch im 
Widerspruch zum Stand der literaturwissenschaftlichen Forschung, denn Karl 
Heinz Bohrer hatte in seinem 1978 erschienenen Buch „Ästhetik des 
Schreckens“ gezeigt, daß Jüngers Frühwerk in der produktiven 
Auseinandersetzung mit Autoren der Décadence wie Poe, Rimbaud, Huysmans und 
Baudelaire entstanden ist und kulturkritische Relevanz besitzt. Bohrers 
Unterfangen, Jünger als Repräsentanten der literarischen Moderne zu 
interpretieren, leitete einen Paradigmenwechsel in der Beurteilung des 
Schriftstellers ein. Dem folgte nicht nur Martin Meyer mit seiner 1990 
veröffentlichten Monographie über Jünger, sondern auch die Autoren des Bandes 
„Ernst Jünger. Politik-Mythos-Kunst“ schließen sich in 
differenzierter Weise der neuen Deutung an.

Der bei de Gruyter erschienene und von dem Literaturwissenschaftler Lutz 
Hagestedt (46) herausgegebene Sammelband enthält die Beiträge des im November 
2002 in Marburg abgehaltenen internationalen Ernst-Jünger-Symposiums. Die 
Autoren setzen sich mit einzelnen Werken des am 17. Februar 1998 verstorbenen 
Jahrhundertschriftstellers auseinander, vergleichen Jünger mit anderen 
zeitgenössischen Schriftstellern wie Gottfried Benn und Bert Brecht oder 
versuchen, die Kontinuität von Grundmotiven und Gedankenfiguren im Gesamtwerk 
Jüngers nachzuweisen.

Uneins sind sich die Autoren in der Frage nach der Aktualität von Jüngers 
Autorschaft. Während Tom Kindt und Hans-Harald Müller zu dem Schluß gelangen, 
daß Jünger „uns nicht mehr viel zu sagen hat“, weist Karl Prümm 
darauf hin, daß Jünger in der neueren Medientheorie nicht nur höchst präsent 
ist, sondern sogar „zum Kronzeugen der heraufziehenden Medienmoderne und 
zur Stifterfigur eines ganz spezifischen Mediendenkens erhoben“ wird, das 
durch Autoren wie Paul Virilio, Norbert Bolz und Friedrich Kittler 
repräsentiert werde. Der französische Philosoph Virilio etwa bezieht sich bei 
seiner Analyse der visuellen Gewalt moderner Medien ausdrücklich auf Jüngers 
„In Stahlgewittern“.

Ernst Jüngers Tagebücher, Essays, Romane und Erzählungen enthalten eine schier 
unüberschaubare Fülle an Beobachtungen, Einsichten, Reflexionen, Perspektiven 
und Figuren. Dennoch gelingt es den Autoren aufzuzeigen, daß Jüngers Gesamtwerk 
von wiederkehrenden Gedankenfiguren durchzogen ist.

So spricht Steffen Martus von Jüngers Kunst der Niederlage, die darin bestehe, 
Mißerfolge in Erfolge umzumünzen. Zwar habe Deutschland den Ersten Weltkrieg 
verloren, doch antizipiere der aus den Materialschlachten hervorgegangene 
Frontsoldat den soldatisch disziplinierten Typus des Arbeiters, der in Zukunft 
den Lauf der Geschichte lenken werde. Aber nicht nur in Jüngers 
zeitdiagnostischen Essays sei die Kunst der Niederlage die zentrale 
Gedankenfigur, auch in seinen Erzählungen und Romanen begreife Jünger das 
Scheitern seiner Protagonisten zugleich als deren Chance eines Neubeginns. Das 
gelte für die „Afrikanischen Spiele“ und die 
„Mamorklippen“, aber auch für späte Romane wie „Die 
Zwille“ und „Eumeswil“.

Die Frage nach dem Wesen der modernen Technik spielt in Jüngers 
„Arbeiter“ (1932) eine entscheidende Rolle. Reinhard Wilczek weist 
in seinem Aufsatz über Fritz Langs „Metropolis“ und Jüngers 
„Arbeiter“ nach, daß sich viele Beschreibungen der technischen Welt 
aus Jüngers Essay auf Sequenzen des fünf Jahre zuvor gedrehten Metropolis-Films 
zurückführen lassen. Entsprechungen, so Wilczek, fänden sich aber auch im 
Hinblick auf den kultischen Charakter der mit der Technik verbundenen Arbeit. 
Sei für Jünger das Technische eine Macht, „in der das Kultische der 
Religion aufgeht“, so besitze die Maschine in Langs Film einen 
„kultischen Grundzug“, da sie von den Arbeitern mit 
„religiöser Inbrunst“ bedient werde.

Rainer Zuch untersucht in seinem Beitrag „Kunstwerk, Traumbild und 
stereoskopischer Blick“ Jüngers Verhältnis zur Kunst. Jünger habe sich 
nicht nur mit Malern der Vergangenheit wie Bosch, Breughel und Goya befaßt, 
sondern immer auch die Auseinandersetzung mit zeitgenössischen Künstlern 
gesucht, die er oft persönlich kannte. Zu nennen sind hier Kubin, Schlichter, 
Picasso und Nay.

Zuch betont, daß Jüngers Interesse an der Bildenden Kunst weniger 
kunstgeschichtlicher als geschichtsphilosophischer Natur gewesen sei. In einem 
Maler wie Picasso habe Jünger einen Magier am Werk gesehen, der „eine 
symbolische Verdichtung der unsichtbaren treibenden Kräfte des 
Weltgeschehens“ zuwege gebracht habe. So habe Jünger nach seinem Besuch 
bei Picasso in Paris am 22. Juli 1942 in sein Tagebuch notiert, daß der Maler 
mit dem Blick in die Zukunft „das Bild des Menschen magisch voraus“ 
sehe.

Der Sammelband „Ernst Jünger. Politik-Mythos-Kunst“ ist nach den 
Arbeiten von Karl Heinz Bohrer und Martin Meyer ein weiterer Meilenstein in der 
modernen Jünger-Forschung. Jeder Kenner des Jüngerschen Werkes wird die 
Beiträge des Bandes mit Gewinn lesen.

Lutz Hagestedt (Hrsg.): Ernst Jünger. Politik-Mythos-Kunst. Walter de Gruyter, 
Berlin 2004, gebunden, 540 Seiten, 17 Abbildungen, 98 Euro


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Tobias Wimbauer / Wimbauer Buchversand
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