taz vom 11.1.2006, S. 13, 241 Z. (Interview), MATHIAS BRÖCKERS

"Das LSD ist zu mir gekommen"
Am 19. April 1943 kommt ein Schweizer Chemiker zufällig mit einer Substanz in 
Berührung, deren Wirkung nicht nur sein eigenes Bewusstsein nachhaltig 
beeinflussen wird: LSD. Ein Gespräch mit Albert Hofmann, der heute 100 Jahre 
alt wird
Interview MATHIAS BRÖCKERS

taz: Was uns alle am meisten interessiert: wie man 100 Jahre alt wird. Welche 
Methoden - oder Tricks - haben Sie angewendet, um ein solches Alter zu 
erreichen und so rege und geistig wach zu bleiben? Hat auch das LSD dabei eine 
Rolle gespielt?

Albert Hofmann: Ich müsste zwei Leben haben, um das zu beantworten: eines mit 
und eines ohne LSD - dann könnte man das wissenschaftlich beurteilen. So kann 
ich das ja nicht. In meinem LSD-Buch "LSD - Mein Sorgenkind" steht ja am Anfang 
dieses mystische Naturerlebnis als Kind, das ja absolut einem LSD-Erlebnis 
glich, dieses Einssein mit der Natur. Irgendwie, glaube ich, war mir das 
angeboren.

Sie haben ja schon öfter gesagt, und auch in diesem Buch geschrieben, dass Sie 
das LSD nicht entdeckt haben, sondern dass es zu Ihnen gekommen sei.

Absolut. Das ist tatsächlich so gewesen. Nur weil ich, und ich weiß bis heute 
nicht wie, beim Herstellen der Substanz damit in Kontakt kam, habe ich die 
Wirkung bemerkt. Und bin dann nach Hause, habe mich hingelegt und hatte diese 
wunderbaren Träume - alles, was ich mir dachte, sah ich im Bild. Ich überlegte, 
mit was ich im Labor zu tun gehabt hatte.

Und?

Das Lysergsäure-Diethylamid hatte ich ja nur umkristallisiert und nichts davon 
eingenommen, und du arbeitest doch absolut sauber, dachte ich mir - wenn es das 
gewesen sein sollte, müsste es ja geradezu saumäßig wirksam sein. Als ich 
Montag wieder im Labor war, nahm ich dann die kleinste Menge davon ein, die man 
sich überhaupt denken kann - und das war, wie sich später herausstellte, noch 
fünfmal zu viel und brachte mich dann auf einen Horrortrip.

Das war die Entdeckung von LSD?

Dazu kann ich nur sagen: das LSD hat mich gerufen, ich habe es nicht gesucht. 
Es ist zu mir gekommen, es hat sich gemeldet.

Ein paar Millionstelgramm LSD verändern die Wahrnehmung dramatisch …

Es ist nicht nur einfach das bekannte Bild, ein bisschen verzerrter oder 
bunter, es ist ein völlig anderes Programm. Und das deshalb, weil LSD unsere 
Sinne verändert, man sieht besser, man hört besser, alles wird intensiviert - 
insofern hatte auch Timothy Leary Recht, wenn er behauptet, es sei auch das 
größte Aphrodisiakum. Der Mechanismus des LSD ist ganz einfach: die Tore der 
Wahrnehmung werden geöffnet und wir sehen plötzlich mehr - von der Wahrheit.

Und das ist manchmal sehr verwirrend.

Ja, man erschrickt. Man hat ein völlig anderes Bild, und das kann einen 
furchtbar erschrecken. Deshalb sagen die Indianer ja: bevor ich den heiligen 
Pilz nehme, muss ich fasten, muss beten, muss rein sein - dann bringt mich der 
Pilz dem Göttlichen näher. Und wenn ich das nicht mache, tötet er mich oder 
macht mich wahnsinnig. Das haben die Indianer gesagt - und die amerikanische 
Jugendbewegung, die es ja gut meinte, hat sich daran nicht gehalten, sie haben 
es zu oberflächlich genommen, sie haben sich nicht vorbereitet.

Tim Leary und seine Kollegen in Harvard, Ralph Metzner und Richard Alpert, 
haben auf die Wichtigkeit von "Set & Setting" hingewiesen und das alte 
Ritualwissen gewissermaßen in die Neuzeit transportiert.

Aber Leary hat LSD gleichzeitig auch, typisch amerikanisch, angepriesen wie ein 
Wanderprediger oder Handelsvertreter. Er hat es ja jedem geradezu aufgedrängt - 
etwas, was ich nie getan habe. Dennoch bin ich überzeugt, dass die Menschheit 
lernen wird, damit umzugehen in Zukunft.

Arthur Koestler, ein Freund von Aldous Huxley, hat sich einmal kritisch 
geäußert und LSD mit einem Skilift verglichen.

Ja, die Geschichte mit dem Bergsteiger, der zu Fuß zum Gipfel aufsteigt, der 
den Berg erobert, und dem anderen, der einfach mit dem Lift hinauffährt. Nach 
Koestlers Ansicht muss man all die Qualen auf sich nehmen, um das richtige 
Gipfelerlebnis zu haben - aber Huxley erwiderte, dass die Aussicht dieselbe sei.

Wie sehen Sie das?

Man muss schon wandern. Man muss sich innerlich vorbereiten, und das allein ist 
oft schon schwer genug. Viele Leute wissen ja gar nicht, was Meditation ist.

Mit Laura Huxley, der Frau von Aldous Huxley, verbindet Sie eine lange 
Freundschaft. Sie gab ihrem Mann, als er starb, auf seinen Wunsch LSD. Huxley 
benutzte es sozusagen zum Übergang in einen anderen Bewusstseinszustand, er war 
überzeugt, dass die Seele nach dem Tod weiterlebt. Wie stehen Sie zu dieser Art 
von LSD-Verwendung, gewissermaßen als Sterbehilfe?

LSD wurde schon vor Jahrzehnten in dieser Richtung verwendet, bei sterbenden 
Krebskranken, wo selbst Morphine nicht mehr gegen die Schmerzen wirkten. Ich 
bin überzeugt, dass das künftig auch ein Thema werden wird. Irgendwann hat 
jemand Ernst Jünger gefragt: "Glauben Sie, dass das Leben nach dem Tod 
weitergeht?", und er antwortete: "Nein, ich weiß es!" Und das kann man auch als 
Naturwissenschaftler verstehen: Nichts kann aus dem Nichts entstehen. Und aus 
etwas, was ist, kann nicht Nichts werden - es gibt nur Umwandlungen. Wir können 
nicht sagen, woher wir kommen - dass irgendeine Supermaterie am Anfang stand 
und dann knallte und den Raum erzeugte, das ist doch alles dummer Mist. Darüber 
wissen wir nichts, das ist das große Wunder. Aus unseren Erfahrungen können wir 
nur sagen: Es gibt nichts, das aus Nichts entsteht, und nichts, das zu Nichts 
zerfällt. Es gibt immer nur den Wandel. Und wenn man die Naturwissenschaft und 
alle ihre Entdeckungen weiter denkt, stößt man immer wieder auf ein Geheimnis.

Ich habe unlängst eine CD mit den Vorträgen Einsteins gehört, dort spricht er 
auch darüber, und er sagt wörtlich, ich habe mir den Satz gut gemerkt: "Das 
Schönste und Tiefste, was ein Mensch erfahren kann, ist das Gefühl des 
Geheimnisvollen."

In den ersten zehn Jahren nach seiner Entdeckung galt LSD, unter dem 
Arzneinamen "Delysid", als wahres Wundermittel in der Psychotherapie. Dann kam 
das Verbot, die Dämonisierung als Teufelsdroge - und jetzt scheint das Pendel 
wieder zurückzugehen, zu größerer Akzeptanz. Selbst an der Harvard- Universität 
finden wieder LSD-Studien statt.

Ja, das habe ich verfolgt. Es ist sicher ein Wandel. Vor allem weil man 
entdeckt hat, dass diese Pflanzen, in denen man schon vor 3.000 Jahren Stoffe 
wie LSD oder Psilocybin gekannt und benutzt hat, mit den Substanzen in unserem 
Gehirn, wie Serotonin, sehr eng verwandt sind. Die Pflanzen geben uns Nahrung, 
sie geben uns Heilmittel und sie geben uns auch Medikamente für das 
Bewusstsein. Die Pflanze produziert aus dem Sonnenlicht unsere Nahrung und 
unsere Atemluft. Und unser Bewusstsein ist letztlich nichts anderes als die 
höchste Umwandlung dieser Sonnenenergie. Wir sind Sonnenkinder!

Warum das?

Unsere menschliche Energie ist Sonnenenergie - entstanden aus dem Atomreaktor, 
den der Herrgott genügend weit weg gesetzt hat, dass er uns nicht gefährlich 
werden kann. Nur das Gute kommt von der Sonne, der Ballast, der Atommüll bleibt 
oben - nur der Mensch, dieser Idiot, glaubt, er müsste die Sonne auf die Erde 
holen und hier Atomkraftwerke bauen. Es ist Prometheus, der den Menschen sagt, 
dass sie die Sonne nicht brauchen und er ihnen das Feuer vom Himmel holt - und 
für diesen Übermut wird er von Zeus bestraft und muss unendliche Schmerzen 
erleiden, weil er den Schöpfer beleidigt hat. In diesem Mythos ist schon alles 
erzählt - die Griechen waren ein geniales Volk. Doch die Menschheit ist dabei, 
sich mit diesem Geschenk des Prometheus selbst zu eliminieren, mit dem Feuer 
aus Öl und Kohle das Klima und die globalen Kreisläufe zu ruinieren und mit 
Atomkraft Leben auf Jahrtausende zu vernichten. Als ich in einem Buch einmal 
über den "Atomreaktor Sonne" geschrieben habe, erhielt ich eine Einladung von 
Atomphysikern, darüber einen Vortrag zu halten. Die wussten das ja alles schon, 
aber sie hatten dieses ganz Einfache aus dem Blick verloren, sie konnten es 
nicht formulieren.

Sollen wir vielleicht mal eine Pause machen?

Wie ihr wollt. Ich hab den Tag für euch reserviert und stehe zur Verfügung. 
Aber wir müssen auch unbedingt noch einmal raus! Ich will euch ja mein Paradies 
zeigen, da müsst ihr auch noch Aufnahmen machen. Die Rittimatte hier war ja die 
wichtigste Entdeckung in meinem Leben überhaupt.

Siehe auch: Detlef Kuhlbrodt über "Die Drogentristesse der Steppenwölfe", im 
Kulturteil.

Das Interview führten Mathias Bröckers und Roger Liggenstorfer im August 2005. 
Das ganze Gespräch erscheint, ungekürzt und unredigiert, in ihrem Buch "Albert 
Hofmann und die Entdeckung des LSD" (AT-Verlag).




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