[Un appassionato articolo sulla parabola del "Tribunale per i crimini commessi 
sul territorio della ex-Jugoslavia" dell'Aia. Ricordiamo che Jugocoord Onlus ha 
lanciato il concorso “Giuseppe Torre” per elaborati critici su questo tema:  
http://www.cnj.it/home/it/diritto-internazionale/8684-premi-giuseppe-torre-per-elaborati-critici-sul-tribunale-per-la-ex-jugoslavia.html
 
<http://www.cnj.it/home/it/diritto-internazionale/8684-premi-giuseppe-torre-per-elaborati-critici-sul-tribunale-per-la-ex-jugoslavia.html>
 ]

Aufmerkung: Um die Frage des "Jugoslawien-Tribunals" fördert der italienische 
no-profit Verband Jugocoord Onlus ein Wettbewerb namens << “Giuseppe Torre” 
Prizes for Critical Studies about the Tribunal for the ex Yugoslavia (YU) >>: 
http://www.cnj.it/home/sr-yu/medjunarodno-pravo/8686-giuseppe-torre-prizes-yu.html

http://www.ossietzky.net/25-2017&textfile=4201

Ossietzky (Berlin), 25 / 2017

Juristischer Quantensprung
(Ralph Hartmann)

Im nüchternen, mit hochmoderner Computertechnik ausgestatteten ersten 
Gerichtssaal des Haager Jugoslawien-Tribunals am Churchillplatz Nr. 1 ist das 
Licht ausgegangen. Die Richter in respektheischenden roten Roben auf blauen 
Sesseln vor blauem Hintergrund haben ihre Arbeit eingestellt. Der 1993 
geschaffene Gerichtshof ist nach fast 11.000 Prozesstagen Geschichte. Der 
Berliner Jurist Wolfgang Schomburg, der hier sieben Jahre lang Richter war, zog 
Bilanz: »Es ist ein Quantensprung auf dem Weg zu mehr Gerechtigkeit gewesen, 
dass dieses Gericht eingerichtet wurde.« So zitierte ihn der Tagesspiegel, um 
selbst festzustellen: »Das UN-Tribunal für das ehemalige Jugoslawien in Den 
Haag war für die internationale Justiz ein Riesenschritt.« Spiegel online stand 
dem Blatt nicht nach und meinte, es habe »ein wegweisendes Kapitel in der 
Weltjustizgeschichte« geschrieben. Und die Frankfurter Rundschau sah die 
Bedeutung des Tribunals noch globaler, denn es »machte die Gerechtigkeit zum 
Faktor in der Weltpolitik«.

Wie weit der »Quantensprung« und der »Riesenschritt« reichten, wie groß die 
»Gerechtigkeit« war, zeigten viele der 161 vor allem gegen Serben geführten 
Prozesse. Keiner aber offenbarte exemplarisch den wahren Charakter des 
Gerichtshofes so wie das Verfahren gegen den ehemaligen Präsidenten 
Jugoslawiens und Serbiens, Slobodan Milošević. Beginn und Ende des Prozesses 
seien in Erinnerung gebracht.

Am Dienstag, dem 12. Februar 2002, exakt um 9.30 Uhr war es soweit. Der Vorhang 
hob sich und der »Prozess der Prozesse« begann. Milošević war angeklagt in 66 
Punkten der Verbrechen gegen die Menschlichkeit und schwerer Kriegsverbrechen. 
1200 Medienvertreter aus aller Welt hatten sich eingefunden, die Mehrzahl von 
ihnen verfolgte das Geschehen in Nebenräumen auf großen Bildschirmen. Nach der 
Eröffnung durch Richter Richard George May verlas die Chefanklägerin Carla Del 
Ponte ihre einleitende Erklärung. Sie, die es vehement abgelehnt hatte, die 
Kriegsverbrechen der NATO im 78-tägigen Bombenterror gegen Jugoslawien zu 
ermitteln, beschrieb den Angeklagten als machtbesessenen Kriegsherrn ohne 
Ideale, dessen Verbrechen an eine »nahezu mittelalterliche Barbarei« erinnerten.

Anschließend hielt der Staatsanwalt Geoffrey Nice, ebenso wie Richter May aus 
dem NATO-Land Großbritannien kommend, ein endlos langes Eröffnungsplädoyer, in 
dem er nachzuweisen versuchte, dass den Untaten des Expräsidenten »das 
Verbrechen der gewaltsamen Beseitigung der Nichtserben« zugrunde liegt, »damit 
Milošević einen zentralistisch-serbischen Staat erhält und kontrolliert«. Mit 
Tonaufzeichnungen, Fotos und Videos machte er seine Anklage streckenweise zu 
einem Lichtbildervortrag über die in Jugoslawien während der Bürgerkriege 
geschehenen Gräuel, für die Milošević verantwortlich sei. Nices Plädoyer war 
ausschließlich darauf gerichtet, den Angeklagten als »Balkanmonster« 
hinzustellen, denn dessen Gegner in den NATO-Metropolen hatten ihm nie 
verziehen, dass er seinen sozialistischen Idealen treu geblieben war, 
konsequent für den Erhalt der multinationalen jugoslawischen Föderation 
eintrat, der Weltbank, dem Internationalen Währungsfonds und der NATO die Stirn 
bot. So hatten sie ihn ausgerechnet während der verbrecherischen Aggression des 
Kriegspaktes gegen Jugoslawien angeklagt.

Am dritten Prozesstag erhielt Milošević das Wort. Nachdrücklich und 
wohlbegründet kennzeichnete er die Beschuldigungen als ein »Meer von Lügen und 
bewussten Fälschungen, die das Opfer einer kriminellen Aggression als 
kriminellen Täter darstellen sollen«. Seiner aussichtslosen Lage war er sich 
bewusst. »Dieser Prozess ist nicht fair: Auf der einen Seite steht ein riesiger 
Apparat, sind die Medien und (Nachrichten)-Dienste, und ich habe nur eine 
öffentliche Telefonzelle. Sie möchten, dass ich mit gebundenen Händen und Füßen 
an einem Schwimmwettkampf über 100 Meter teilnehme. Dies ist ein Wettkampf 
zwischen Recht und Unrecht.« Aus guten Gründen ging er detailliert auf den 
Angriff der NATO-Staaten ein, »die zusammen 676-mal stärker als Jugoslawien 
sind« und warf ihnen »Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und 
Verstöße gegen die Genfer Konvention« vor. Dem Beispiel des Anklägers folgend, 
untermauerte er seine Darlegungen mit Fotodokumenten über die NATO-Verbrechen: 
zerstörte Gebäude, Fabriken, Krankenhäuser, Leichen, Leichenteile, verkohlte 
Körper, von Raketen zerfetzte albanische Flüchtlinge.

Sein erster Auftritt war so beeindruckend, dass selbst zahlreiche 
Korrespondenten aus NATO-Staaten feststellten, dass Milošević so vom 
Angeklagten zum Ankläger wurde. So blieb er es auch an den folgenden 247 
Verhandlungstagen. Der Expräsident, der sich selbst verteidigte, führte die 
Kreuzverhöre der 300 Zeugen der Anklage so überlegen, dass alle Anschuldigungen 
zusammenbrachen. Darunter makabererweise auch die Verhöre mit den für den 
brutalen Luftkrieg gegen Jugoslawien maßgeblich verantwortlichen NATO-Generälen 
Wesley Clark und Klaus Naumann.

Der Prozess drohte für die Anklage zu einem Debakel zu werden. Die Drahtzieher 
gerieten in Verwirrung. Unter Berufung auf ein Gespräch mit dem 
stellvertretenden US-Außenminister John Bolton verfasste Jeffrey Kuhner, einer 
der führenden Ideologen der Republikanischen Partei, einen Beitrag, den die 
Washington Times am 24. Oktober 2004 veröffentlichte. Darin wurde Alarm 
geschlagen: »Die Bush-Administration fordert jetzt, dass die Hauptanklägerin … 
Del Ponte, ihre Fälle vor dem Gericht zu Ende bringt ... Washington hat jetzt 
in der Tat verstanden, dass es ein Frankenstein-Monster geschaffen hat ... Das 
Tribunal hat einen Misserfolg erlitten...«

Was tun? Miloševićs angeschlagene Gesundheit bot einen Ausweg. Bereits 2002 
hatte ein vom Gericht bestellter niederländischer Kardiologe bei dem 
Angeklagten einen extrem hohen Bluthochdruck mit sekundärem Organschaden, 
Erweiterung der linken Herzkammer, diagnostiziert. Er warnte, dass der Druck 
des Verfahrens zu extremer Erschöpfung, zu Gehirnschlag, Herzinfarkt und Tod 
führen könnte. Dessen ungeachtet lehnte das Tribunal eine Behandlung durch 
Miloševićs Belgrader Ärzte ab und verweigerte ihm die von diesen verordneten 
Medikamente. Im Gegenteil, man verabreichte ihm kontraindizierte. Damit nicht 
genug, seinem Antrag, sich wegen seiner akuten Leiden am weltbekannten Moskauer 
Bakuljew-Zentrum von russischen Herzspezialisten behandeln zu lassen, wurde 
nicht stattgegeben, obwohl die russische Regierung schriftliche Garantien für 
seine Rückführung nach Den Haag gegeben hatte. Auch ein Wiedersehen mit seiner 
Frau Mira verweigerte das Tribunal ihm. Noch einen Tag vor seinem Tod hatte 
Milošević seinem Rechtsberater Zdenko Tomanovic gesagt, dass man ihn vergiften 
wolle, worüber der Berater umgehend das holländische Justizministerium, die 
Polizei und die russische Botschaft mit einem handschriftlichen Brief 
Miloševićs an Außenminister Lawrow informierte. Es war zu spät. Am Morgen des 
11. März 2006 wurde Milošević tot in seiner drei mal fünf Meter großen 
Einzelzelle im Scheveninger Gefängnis nahe Den Haag aufgefunden. Seine 
Angehörigen baten, eine Obduktion in Moskau durchführen zu lassen. Das Tribunal 
lehnte das ab. Warum wohl? Die vom Gericht angeordnete Untersuchung des 
Leichnams ergab, dass der langjährige Präsident Jugoslawiens und Serbiens an 
einem Herzinfarkt gestorben war.

Einen Tag vor seinem Tod hatte Milošević in einem Telefongespräch mit dem 
stellvertretenden Vorsitzenden der Sozialistischen Partei Serbiens (SPS), 
Milorad Vucelic, gesagt: »Sie werden mich nicht brechen können.« Das waren 
seine letzten überlieferten Worte. Mit ihnen hat er Recht behalten. Sie haben 
ihn nicht gebrochen, zu Tode gebracht haben sie ihn.

Von den insgesamt 161 angeklagten Personen wurden 84 verurteilt. Das letzte 
Strafverfahren endete am 29. November 2017. Zum 31. Dezember 2017 wird der 
Strafgerichtshof offiziell geschlossen.

Keines der in Den Haag geführten Verfahren hat so anschaulich und überzeugend 
gezeigt, dass das Jugoslawien-Tribunal ein »Quantensprung«, ein 
»Riesenschritt«, ein »wegweisendes Kapitel in der Weltjustizgeschichte« war, 
wie der Schauprozess gegen Slobodan Milošević. Nur unverbesserliche Ignoranten 
könnten dem widersprechen.


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