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-------- Original-Nachricht --------
Betreff: [Newsgroup] Fwd: WG: Call for Paper "Sozialismus?"
Datum: Wed, 17 Sep 2008 15:00:52 +0200
Von: [EMAIL PROTECTED]
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An: [EMAIL PROTECTED]

-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: Nuss, Sabine
Gesendet: Donnerstag, 11. September 2008 13:09
An: alle
Betreff: Call for Paper "Sozialismus?"

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

in meiner Funktion als PROKLA-Redakteurin sende ich euch hiermit den
Call for Paper für das Heft "Sozialismus?", da sich möglicherweise
unter euch oder in euren Kreisen interessierte potentielle
Schreiberlinge befinden.

Daher könnt ihr den Call auch gerne verbreiten. Über
Manuskript-Einsendungen freuen wir uns. Nähere Angaben dazu finden
sich unten,

herzlichen Gruss
Sabine Nuss
PS: Sollte Interesse an der Aufnahme in den Verteiler der PROKLA
bestehen, bitte eine Mail an: [EMAIL PROTECTED]


Dr. Sabine Nuss
Wissenschaftliche Referentin für Politische Bildung bei der
Rosa-Luxemburg-Stiftung Redakteurin PROKLA, Zeitschrift für kritische
Sozialwissenschaft

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PROKLA 155
"Sozialismus?"
(Heft 2, Juni 2009)


In den sozialen Bewegungen verbreitet sich die Einsicht, dass die
Kritik am Neoliberalismus und an der Globalisierung, wenn sie radikal
ist, also der Sache an die Wurzeln geht, in eine Kritik des
Kapitalismus münden muss. Doch was folgt daraus für die Diskussion
über politische Alternativen? Ist es noch realistisch, den
"rheinischen" Kapitalismus gegen den angelsächsischen zu verteidigen?
Ist die von vielen geforderte Rückkehr zu einem stärker politisch
regulierten und sozial eingehegten Kapitalismus überhaupt möglich bzw.
den Problemen angemessen? Müsste nicht - in Anbetracht der Ausbeutung
der Lohnabhängigen, der Produktion von Arbeitslosen und Überflüssigen,
der Hungernden, der Kriege und der rücksichtslosen Zerstörung der
natürlichen Lebensgrundlagen - endlich wieder eine Diskussion über
eine sozialistische Alternative zum Kapitalismus geführt werden?

Nun, diese Diskussion findet ja in gewisser Weise bereits statt: die
Linke diskutiert über solidarische Ökonomie, über das bolivarianische
Projekt des "Sozialismus im 21. Jahrhundert", und auch DIE LINKE hat
das Wort Sozialismus nach kontroverser parteiinterner Diskussion in
ihren programmatischen Eckpunkten beibehalten. Dennoch scheint uns,
dass die Diskussion über ein sozialistisches Entwicklungsmodell erst
am Anfang steht. Für viele ist Sozialismus nicht viel mehr als der
konsequente Einsatz für Demokratie, Freiheit und Gleichheit, für die
bürgerlichen Werte also, dort wo sie von der Bourgeoisie negiert
werden. Viele halten an dem Wort "Sozialismus" fest, propagieren aber
im Grunde nur linkskeynesianische Reformkonzepte oder akzeptieren
sogar neoliberale "Sachzwänge", wenn Regierungsbeteiligungen winken.
Andere vermeiden aufgrund der Erfahrungen mit dem "real existierenden
Sozialismus" Begriffe wie Sozialismus oder Kommunismus, vertreten
jedoch Alternativkonzepte, die einen Bruch mit der kapitalistischen
Produktionsweise implizieren (z.B. Michael Albert mit dem Konzept der
"partizipatorischen Ökonomie"). Wiederum andere halten jede
modellhafte Konzeptualisierung von Alternativen für im schlechten
Sinne utopisch und plädieren dafür, die Klärung der Probleme einer
sozialistischen Alternative der Zukunft zu überlassen. Bei einem
linken "Bilderverbot" kann es freilich nicht bleiben, denn Mehrheiten
für eine sozialistische Alternative können nur gewonnen werden, wenn
deren Machbarkeit plausibel gemacht werden kann und von vielen
getragene Strategien der Transformation entwickelt werden. Dies gilt
erst recht nach dem Scheitern des "real existierenden Sozialismus". Um
nicht im schlechten Sinne utopisch zu sein, müssen Konzeptionen des
Sozialismus von den Erfahrungen des Scheiterns und den Möglichkeiten
ausgehen, die sich in der gegenwärtigen kapitalistischen Gesellschaft
entwickelt haben. Dies führt unter anderem zu folgenden Fragen:

- Was wurde historisch in der Linken überhaupt unter Sozialismus bzw.
Kommunismus verstanden? Was wird heute darunter verstanden? Was war
bzw. ist daran problematisch? Was ist heute noch haltbar?

- Wenn der Sozialismus aus der Kritik der bestehenden Verhältnisse
hervorgeht, so kann diese Kritik sich nicht nur auf einzelne
Kapitalismen beschränken, sondern muss sich auf "den" Kapitalismus
insgesamt beziehen. Allerdings genügt auch nicht die Kritik an der
kapitalistischen Produktionsweise in ihrem "idealen Durchschnitt".
Heute ist es möglich, die Kritik an Ausbeutung, Herrschaft und
gesellschaftlichen Naturverhältnissen viel umfassender zu
artikulieren. Dementsprechend ergeben sich auch reichhaltigere
Bestimmungen für den Sozialismus als "bestimmte Negation" dieser
Verhältnisse. Welche Anforderungen an eine sozialistische Alternative
ergeben sich aus kritischer Gesellschaftstheorie im weiteren Sinne,
d.h. über die Kritik der politischen Ökonomie hinausgehend?

- Bis heute gibt es in der Linken keinen Konsens darüber, was der
"real existierende Sozialismus" war. Was sind die Stärken und
Schwächen der verschiedenen kritisch-marxistischen Analysen des "real
existierenden Sozialismus", d.h. der Konzepte des "degenerierten
Arbeiterstaats", des "Staatskapitalismus" oder der neuen
Produktionsweise jenseits von Kapitalismus und Sozialismus? Inwieweit
hat die Aufarbeitung der osteuropäischen Erfahrungen seit dem Fall der
Mauer unser Verständnis des "real existierenden Sozialismus"
bereichert und inwieweit erscheinen dadurch frühere kritische Analysen
in einem neuen Licht? Woran sind die "Übergangsgesellschaften"
gescheitert? Welche Fehler sind zukünftig zu vermeiden?

- Was ist vor dem Hintergrund der Kritik der politischen Ökonomie und
der Marx'schen Kritik an Proudhon von Konzepten einer sozialistischen
Marktwirtschaft oder eines Marktsozialismus zu halten? Die älteren
Debatten über Planwirtschaft und Sozialismus, angefangen mit der
"Kalkulationsdebatte" der 20er und 30er Jahre, dürften den wenigsten
heute noch geläufig sein. Im angelsächsischen Bereich hat sich vor und
nach 1989 eine lebhafte Debatte über "Marktsozialismus" entwickelt.
Marktsozialistische Konzepte gehen davon aus, dass auch im Sozialismus
die Effizienz und die Koordinierungsleistung von Märkten ausgenutzt
werden sollte. Märkte würden nicht notwendigerweise wie
kapitalistische Märkte funktionieren. Vor diesem Hintergrund stellt
sich die Frage, ob die vermeintlich positiven Funktionen der Märkte
ohne ihre negativen Effekte zu haben sind bzw. inwiefern es legitim
ist, diese in einer marktsozialistischen Konzeption nicht zu
berücksichtigen. Des weiteren stellt sich die Frage, inwieweit
überhaupt von Märkten bzw. deren Funktionsfähigkeit gesprochen werden
kann, wenn die Konzeptionen doch davon ausgehen, dass die
kapitalistische Produktionsweise eben nicht mehr herrscht, d.h. der
Ökonomie eine grundlegend andere Funktionsweise unterstellt werden
muss und die Märkte derart reguliert sind, dass negative Folgen
vermieden werden können. Was sind die Erträge dieser Debatten? Was
sind die Argumente pro und contra Planwirtschaft oder Marktsozialismus
bzw. sozialistische Marktwirtschaft?

- In der Diskussion über solidarische Ökonomie spielen
Genossenschaften und Kooperativen eine wichtige Rolle. In diesem
Zusammenhang wäre eine Aufarbeitung dieser verschiedenen historischen
Erfahrungen interessant. Was hat zum Niedergang des
gewerkschaftseigenen gemeinwirtschaftlichen Sektors geführt? Was hat
zum Niedergang der Kooperativen und Genossenschaften geführt, die im
Kontext der Alternativbewegung der 70er und 80er Jahre gegründet
wurden? Was geht auf das Konto der "unsichtbaren Hand" des Marktes,
der die Genossenschaften unterworfen blieben, und was geht auf andere
Unzulänglichkeiten zurück? Wie könnte die Koordination zwischen
Genossenschaften im Sozialismus jenseits von Markt und autoritärer
Zentralverwaltung aussehen?

- Sofern überhaupt noch von Sozialismus gesprochen wird, spricht man
oft lieber von "demokratischem Sozialismus" (oder auch von "socialism
from below"), weil der Terminus Sozialismus als solcher offenbar als
problematisch oder als nicht aussagekräftig genug gilt. Andererseits
macht der Zusatz "demokratisch" die Sache auch nicht unbedingt klarer.
Dessen ungeachtet stellt sich durchaus die Frage, in welchen Formen
die gesellschaftliche Willensbildung im Sozialismus stattfinden soll,
wie partikulare Interessen mit der Herausbildung eines
Kollektivwillens vermittelt werden sollen. Wie sind die historischen
Lösungsansätze für diese Probleme ("Diktatur des Proletariats",
"Rätedemokratie" etc.) zu bewerten? Welche Gesichtspunkte ergeben sich
durch die neuere demokratietheoretische Diskussion?

- Wie kann das Verhältnis von kurz-, mittel- und langfristigen Zielen,
von Reform und Revolution bestimmt werden? Welche Gesichtspunkte sind
dazu in der marxistischen Debatte, von Bernstein und Luxemburg bis
heute, entwickelt worden? Was wären in der gegenwärtigen Situation
sinnvolle "Übergangsforderungen"?

Die Redaktion lädt zur Einsendung von Exposés von 1-2 Seiten bis zum
26. Oktober 2008 ein. Die späteren Texte müssen bis zum 15. Februar
2009 vorliegen und sollten einen Umfang von 15-25 Seiten (ca. 50.000
Zeichen inkl. Leerzeichen und Fußnoten) haben. Zusendungen bitte an
[EMAIL PROTECTED], weitere AutorInnen-Hinweise unter www.prokla.de


----- Ende der weitergeleiteten Nachricht -----

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