IPS--Inter Press Service Nachrichtenagentur
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15. April 2012

Strahlender Abraum

Kritik am Uranbergbau in Namibia

Boden-, Wasser- und Luftproben zeigen erhöhte radioaktive Belastung.
Nuklearphysiker der Organisation CRIIRAD kritisiert lasche Handhabung des
Uran-Abraums

Französische Nuklearexperten und eine örtliche Umweltorganisation warnen vor
den Gesundheitsgefahren durch den Uranabbau in Namibia. Einem vorläufigen
Bericht zufolge liegt die Strahlung beispielsweise auf dem Parkplatz der
Rössing-Uranmine um 600 Prozent über der natürlichen radioaktiven Belastung.
An anderen Stellen unterhalb der Uranminen Rössing, der größten offenen
Uranmine der Welt, und Langer Heinrich wurden ebenfalls deutlich über der
natürlichen Strahlung liegende Radioaktivitätswerten registriert. Diese
beiden Minen decken zusammen mit der kleineren Trekkopje-Mine rund zehn
Prozent des globalen Uranbedarfs ab.

Zwischen dem 22. September und 2. Oktober 2011 hatten die Organisation
CRIIRAD (Commission de Recherche et d'Information Indépendantes sur la
Radioactivité - Kommission für unabhängige Forschung und Information über
Radioaktivität) und die lokale Partnerorganisation Earthlife Namibia an
verschiedenen Standorten im Umfeld der Minen sowie ober- und unterhalb der
Betriebsgelände insgesamt vierzehn Bodenproben, dreizehn Proben der obersten
Sedimente der Flüsse Swakop, Gawib und Khan, elf Proben des Grundwassers aus
tieferen Sedimentschichten des Swakop und des Khan sowie Leitungswasser aus
der Stadt Arandis genommen. Außerdem wurde das radioaktive Gas Radon und die
Gamma- und Betastrahlung des Abraums gemessen. Die Proben wurden in
Frankreich im CRIIRAD-Labor, das von der französischen Nuklearen
Sicherheitsbehörde anerkannt ist, untersucht.

Die Ergebnisse gelten als vorläufig, sie sollen später mit Messungen der
Minengesellschaften verglichen und mit Experten der Unternehmen, des
Staates, des industrienahen Uranium Institutes, der örtlichen Bevölkerung
sowie interessierten Nichtregierungsorganisationen diskutiert werden, heißt
es in einer Presseerklärung [1] der CRIIRAD.

Es wird vermutet, dass die sechsfach höhere Strahlenbelastung (0,9 µSv/h
gegenüber 0,15 µSv/h) auf dem Rössing-Parkplatz auf den dort zur Befestigung
der Parkfläche verwendeten Abraum und den Schlämmen aus der Uranmine
zurückgeht. Ein Beweis dafür stehe aber noch aus, heißt es in dem Bericht
[2].

Mit der Einheit Sievert (Sv) wird die Strahlenbelastung biologischer
Organismen beschrieben, wobei dabei die zeitliche Dauer wichtig ist. In
Deutschland gilt eine Strahlendosis von 0,1 µSv (ein Mikrosievert = ein
Tausendstel Millisievert oder ein Millionstel Sievert) pro Stunde, die zu
der natürlichen Strahlenbelastung hinzukommt, als unbedenklich.

Der Leiter des CRIIRAD-Labors und Autor der Studie, der Nuklearphysiker
Bruno Chareyron, schließt aus der Uranzusammensetzung, dass der Staub
vermutlich nicht vom natürlichen Fels abgetragen wurde, sondern vom Abraum
stammt. Denn darin liegt das Uran 238, das für die Urananreicherung benötigt
und herausgezogen wird, in geringerer Menge vor als das Radium 226.
Allerdings betonte Chareyron am 11. April auf einer Pressekonferenz zur
Vorstellung der Studienergebnisse in Windhoek, dass eine exakte Zuordnung
letztlich schwierig sei. Es gebe "Hinweise, dass ein Problem vorliegen
könnte" [3].

Chareyron fordert einen besseren Umgang mit dem Abraum aus der
Urangewinnung. Er kritisiert, dass ein Teil des Gesteins ohne jeden Schutz
oder irgendeine Absperrung am Ufer des Khan abgekippt wurde und eine Gefahr
für Mensch und Umwelt bildet. Es seien zwar noch weitere Untersuchungen
erforderlich, aber man könne schon jetzt sagen, dass die Staubpartikel bei
Regen abgewaschen und in den Sedimenten des Khan eingelagert werden. Proben,
die unterhalb der am Khan gelegenen Rössingmine genommen wurden, zeigten
eine zehnfach höhere Radioaktivität als Proben von oberhalb der Mine.

Auch die Gamma- und Beta-Strahlenmessungen des Abraums, die mit Hilfe eines
elektronischen Dosimeters durchgeführt wurden, deuten auf teils sehr hohe
radioaktive Belastungen - angegeben wird in dem Bericht ein Wert von 130
µSv/h der Beta-Gamma-Belastung der Haut, was 1300 mal über der natürlichen
Strahlung läge. Nach Berechnungen der CRIIRAD erhalten Personen, die sich
über einen Zeitraum von 30 Minuten bis 35 Stunden in einer Entfernung von
bis zu 25 Metern vom Abraum aufhalten, eine Strahlenbelastung, die über der
natürlichen Strahlenbelastung von zehn Mikrosievert pro Jahr liegt. Diese
Strahlenquelle habe die NECSA (Nuclear Energy Council of South Africa) in
ihrem radiologischen Gutachten zu den möglichen Gesundheitsrisiken durch die
Erweiterung der Rössing-Uranmine nicht berücksichtigt, lautet einer der
Kritikpunkte der CRIIRAD.

In weiteren Messungen wurde die Belastung mit Radon erforscht. Demnach lag
die Belastung mit diesem radioaktiven Gas in unmittelbarer Nähe des Abraums
bis zu 48 mal über dem natürlichen Wert. Nach Einschätzung der
Weltgesundheitsorganisation ist Radon nach Rauchen der zweitwichtigste
Auslöser von Lungenkrebs.

Was der CRIIRAD-Forscher Bruno Chareyron und Bertchen Kors von der 1990
gegründeten NGO Earthlife Namibia berichten, ist in ähnlicher Form auch von
anderen Uranminen nicht nur in Afrika bekannt. An den verschiedenen Stufen
der Urangewinnung und -anreicherung, vom Abbau des Natururans über das
Zermahlen des Gesteins bis zu ihrer Aufbereitung, entstehen große Mengen an
Staub. Auch der Abraum sowie die bei der Erzgewinnung anfallenden Schlämme
sind noch uranhaltig. Und wenn diese austrocknen, kann der Staub
davongetragen werden.

Wind und Wetter sowie die vielfältigen Bergbauaktivitäten verfrachten die
radioaktiven Partikel, die sich dann in der Umwelt aufkonzentrieren können,
über große Strecken. So kann aus einem nur sehr geringfügig radioaktiv
belasteten Staub ein stärker belastetes Flusssediment, eine Uferböschung
oder ein radioaktiv kontaminierter Brunnen werden. Auf einem ungleich
höheren Strahlenniveau zeigt aktuell die Havarie des japanischen
Atomkraftwerks Fukushima Daiichi, wie solche Radionukleotide in der Umwelt
akkumulieren.

Die Untersuchungen der CRIIRAD in Namibia werden von EJOLT [4]
(Environmental Justice Organizations Liability and Trade) gefördert. Dabei
handelt es sich um ein Projekt [5] des von 2011 bis 2015 dauernden
Forschungsprogramms FP7 der Europäischen Union. CRIIRAD zählt zu den
Environmental Justice Organizations (EJOs), die weltweit Untersuchungen zum
konfliktreichen Rohstoffabbau durchführen und eigenen Angaben zufolge das
Ziel der Umweltsicherheit und Verteidigung der grundlegenden Menschenrechte
verfolgen.

Die Gesundheits- und Umweltschäden aus dem Uranbergbau sind seit Jahrzehnten
bekannt, das gilt auch für Namibia. Wenn in Umweltverträglichkeitsprüfungen
bislang der Eindruck erweckt wurde, dass der Abbau und die Anreicherung des
radioaktiven Erzes unbedenklich ist, dann liegt der Verdacht nahe, dass es
sich um Gefälligkeitsgutachten von Lobbyeinrichtungen, die auf entsprechende
Aufträge aus der Wirtschaft angewiesen sind, handelt. Und der Staat, der am
Uranabbau beteiligt ist, wägt dann potentielle Gesundheitsschäden aufgrund
der Umweltbelastung gegen den ökonomischen Nutzen für die Gesellschaft ab.
Weil in diesem Beispiel die Europäische Union hinter der Arbeit von CRIIRAD
und Earthlife Namibia steht, dürften die Untersuchungsergebnisse nicht so
leicht unter den Teppich zu kehren sein wie frühere Beschwerden über die
radioaktive Belastung von Luft, Wasser und Boden. Mit einer grundlegenden
Entlastung der Bewohner der Uranbergbaugebiets ist allerdings auch nicht zu
rechnen, denn dazu müsste Namibia vermutlich gänzlich auf den Bergbau
verzichten. Als Folge der globalen Energieknappheit dürfte der
Weltmarktpreis für Uran und damit auch die mit dem Abbau einhergehenden
Umweltbelastungen in den nächsten Jahren weiter steigen. [AFRIKA/2063]

Fußnoten:

[1] "Preliminary results of CRIIRAD radiation monitoring near uranium mines
in Namibia - Press Release", 11. April 2012
http://criirad.org/actualites/dossier2012/namibie/CRIIRAD-namibia-press.pdf

[2] "CRIIRAD Preliminary Report No. 12-32b. Preliminary results of radiation
monitoring near uranium mines in Namibia", 5. April 2012
http://criirad.org/actualites/dossier2012/namibie/CRIIRAD-namibia-prelim.pdf

[3] "Concerns about Rössing´s radiation levels", The Namibian, 13. April
2012
http://tinyurl.com/dyzufjq

[4] http://www.ejolt.org/

[5] http://cordis.europa.eu/search/?fuseaction=proj.document&PJ_RCN=11986917




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