Klimaretter.info http://www.klimaretter.info/wirtschaft/hintergrund/11020
Sonntag, 22. April 2012, 16:07 Uhr Nichts als Versprechen Die Rede von der grünen Wirtschaft, der "Green Economy" hat Hochkonjunktur und macht auch vor der Umweltbewegung nicht Halt. Nichts als leere Versprechen und bloße Diskursfloskel, schimpft Ulrich Brand auf dem McPlanet-Kongress. Gemeinsam mit Aktivisten aus Afrika und Lateinamerika richtet er den Scheinwerfer auf unliebsame Wahrheiten. Aus Berlin Eva Mahnke Wenn man Ulrich Brand Glauben schenken darf, jagt die Menschheit derzeit einem Versprechen hinterher, das sich nicht erfüllen lässt: der Verheißung einer Wirtschafts- und Lebensform, die weniger Energie verbraucht und weniger Ressourcen und die, ganz im Einklang mit der Natur, keinen Schaden anrichtet. "Die Rede von der 'Green Economy' ist ein riesiges Versprechen", warnt der Politikprofessor eindringlich. "Einlösen wird es sich nicht. Die 'Green Economy' ist nur ein Diskurs." Will heißen: Sie ist als Mode in aller Munde, aber grüner wird es dadurch auch nicht. Eher vereinzelt hat es die Teilnehmer des McPlanet-Kongresses [1] am Sonntagmorgen um zehn Uhr in der Früh in den ehrwürdigen Hörsaal der Technischen Universität Berlin getrieben. Und auch in der Öffentlichkeit dürfte das, was der so ganz unprofessoral und jugendlich wirkende Ulrich Brand zu sagen hat, nicht gern gehört werden. Ging es gestern auf einer Veranstaltung des Bewegungskongresses McPlanet noch leidenschaftlich um die Frage, wie dezentral die Energiewende in Deutschland denn nun verlaufen könne und solle, entzieht das Podium ihr heute die legitimatorische Grundlage: Auch eine grüne Wirtschaft verbraucht Ressourcen. Lithium [2] und Kobalt [3] für Batterien in Elektroautos, Neodym [4] für Windräder und jede Menge Stahl, Kupfer, Aluminium. Das aber zieht Folgen nach sich, die ökologisch und menschenrechtlich oft mehr als fragwürdig sind. "Wir müssen das Konzept der 'Green Economy' ganz genau hinterfragen", fordert Nnimmo Bassey, Gründer von Friends of the Earth Nigeria. "Wer profitiert hier eigentlich? Und welche Folgen zieht das nach sich?" Bassey kennt sich aus mit Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung, die am Ressourcenabbau hängen. 2010 hat er für das Aufzeigen der Folgekosten der Ölförderung in seinem Land den Alternativen Nobelpreis erhalten. Afrika sei schon immer Rohstofflieferant gewesen und wolle das auch weiter ausbauen, zeigt Bassey den gegenwärtigen Trend auf. Von der Entwicklung profitieren zunächst einmal die, die bisher immer profitiert haben, "die Kapitalinteressen" nennt Ulrich Brand sie. Aber auch die Staaten, die über die neuerdings so heiß begehrten Rohstoffe verfügen, gewinnen - und mit ihnen ihre Bürger. Lithium etwa findet sich vor allem Chile, Argentinien und Bolivien. Dass sich mit dem Abbau von Rohstoffen auch für den Staat ganz neue Einnahmequellen erschließen, lässt hier den "neuen Extraktivismus" erblühen. "Der Neo-Extraktivismus ist ein Modell sozialer Entwicklung, das auf dem Verkauf von Ressourcen beruht", erläutert Brand. Die Staaten Lateinamerikas werden sich diesen neugewonnen Handlungsspielraum kaum nehmen lassen. In Bolivien etwa haben sich die Sozialausgaben in den vergangenen vier Jahren verdoppelt. Da fällt es weniger stark ins Gewicht, dass in einem Land wie Bolivien, das durch den Klimawandel unter erheblicher Trockenheit leidet, beim Abbau von Lithium erhebliche Mengen an Wasser verbraucht werden. Der Präsident Ecuadors Rafael Correa hat gar schon ein uraltes Gesetz gegen Terrorismus hervorgeholt und stempelt damit Kritiker im Land als Kriminelle ab. "Was wir brauchen, ist eine globale Kampagne gegen die Idee der grünen Wirtschaft", fordert deshalb Camila Moreno, die sich als Koordinatorin der Heinrich-Böll-Stiftung in Brasilien unter anderem mit den sozialen Auswirkungen von Biotechnologie und Agrotreibstoffen befasst. "Wir müssen die Argumente dagegen sammeln und verbreiten und die Strategien der sozialen Bewegungen vereinheitlichen." Dabei müsse man dann aber erst einmal die eigene Bevölkerung überzeugen, die sich danach sehne, mit einem großen Fernseher und eigenem Auto endlich in die Mittelschicht aufzusteigen. Die allgegenwärtigen Telenovelas, die den westlichen Konsumstil predigen, tun hier ihr Übriges. "Eben deshalb ist es so wichtig, den gesamten Diskurs mit all seinen Versprechungen zu hinterfragen", sagt Ulrich Brand, der als Sachverständiger auch in der Enquetekommission Wachstum des Bundestages sitzt. "Eine 'grüne Wirtschaft' wird es auf jeden Fall nicht geben." Wenn sonst alles beim Alten bleibe, werde es höchstens hier und da ein paar kleine Ergrünungen geben, wenn es im Profitinteresse der Wirtschaft liege. Im Text verwendete Links: [1] http://www.klimaretter.info/protest/nachricht/11014 [2] http://de.wikipedia.org/wiki/Lithium [3] http://de.wikipedia.org/wiki/Cobalt [4] http://de.wikipedia.org/wiki/Neodym -------------------------------------------------------------------------- nd online http://www.nd-online.de/artikel/224920.html 23.04.2012 / Inland David muss stärker werden McPlanet.com zu Globalisierung, über Umweltbewegung und für weltweite Gerechtigkeit Von Eva Mahnke Die Symbolik ist drastisch, es geht ums Ganze. »Too big to fail« - zu groß zum Scheitern - mahnten am Wochenende zahlreiche Plakate, auf denen die Weltkugel abgebildet war, von den Wänden der Technischen Universität Berlin. »Wir sind David gegen Goliath«, meint Barbara Unmüßig, Vorstandsmitglied der Heinrich-Böll-Stiftung, die in diesem Jahr mit sieben weiteren Umwelt- und globalisierungskritischen Bündnissen den Bewegungskongress McPlanet.com organisiert hat. Die Szene - darunter Aktivisten vom BUND, von attac und terre des hommes - diskutiert nicht nur über die traurige 20-Jahres-Bilanz des Erdgipfels in Rio de Janeiro, sondern fragt sich vor allem auch, wie David gestärkt werden könnte. Von Freitag bis Sonntag luden acht Umwelt- und globalisierungskritische Organisationen nun schon zum fünften Mal zum Kongress McPlanet.com ein. Während der Finanz- und Wirtschaftskrise diente der Slogan als Argument für die teure Rettung sogenannter systemrelevanter Banken. McPlanet aber stellte die Frage nach der Systemrelevanz sehr viel grundsätzlicher. Zwanzig Jahre nach dem UN-Erdgipfel in Rio de Janeiro und kurz vor dem Jubiläumsgipfel Rio+20 im Juni will die Bewegungsszene Bilanz ziehen: Warum wurden die sozialen und ökologischen Probleme trotz verheißungsvoller Versprechungen noch immer nicht gelöst? Immer wieder angegriffen wird das Wortungetüm der Nachhaltigkeit, das auf dem Gipfel von 1992 so vollmundig verkündet wurde. »Das Konzept ist von einer monumentalen Leere«, kritisiert Barbara Unmüßig. Nachhaltige Entwicklung könne eben beides heißen: mehr Wachstum oder mehr Gerechtigkeit. Wie die Verteilung von lebenswichtigen Ressourcen und Wohlstand gesteuert werde, ob Wachstum auch tatsächlich Entwicklung bringe und wer von ihr profitiere, ist mit einem wohlklingenden Begriff noch lange nicht zum Guten entschieden. Nun macht sich die Umwelt- und globalisierungskritische Szene auch daran, die nächste Worthülse als leer oder gar schädlich zu entlarven: das Konzept der »Green Economy«, das die Vereinten Nationen als Allheilmittel auf die Agenda gesetzt haben. Der Reiz des Konzeptes liegt in seinem Versprechen, dass alles beim Alten bleiben könne, wenn die Wirtschaft nur grüner würde. Das wollten viele auf dem Kongress so nicht glauben, was vor allem den Veranstaltungen zu Lebensstil und Konsumkritik volle Säle bescherte. Anders muss es werden, so die einhellige Meinung. Überhaupt sollte es auf dem fünften McPlanet-Kongress weniger darum gehen, das Bestehende wieder und wieder zu kritisieren und sich »an der Gegenseite abzuarbeiten«. Stattdessen geht es um Energiedemokratie und demokratische Stadtwerke, solidarische Landwirtschaft und das Teilen der Ernte sowie um Gemeingüter und eine neue Politik jenseits von Staat und Markt - kurz: um Ideen für eine alternative Welt. Die nehmen Aktivisten wie etwa die 27-jährige Elke, die in Halle ehrenamtlich bei Greenpeace arbeitet, nun als neue Impulse mit. »Ich wollte das Thema Landwirtschaft im größeren wirtschaftlichen Kontext verstehen. Dazu habe ich hier einiges gelernt.« Auf globaler Ebene, so die große Hoffnung, soll Rio+20 die entscheidende Trendwende bringen. »Wir brauchen eine große Transformation unseres Produktions- und Konsummodells«, brachte Barbara Unmüßig die Mammutaufgabe auf den Punkt. In den Foren und Panels wurden allerdings immer wieder Zweifel laut, ob das gelingen kann. Umso wichtiger, dass die Bewegungsszene sich nicht nur über Alternativkonzepte den Kopf zerbricht. »Wie kann die Bewegung ihren Einfluss auf die Politik zurückgewinnen?« fragten sich die Kongressorganisatoren in einem eigenen Forum. »Wir müssen viel stärker Finanzmarktfragen und wirtschaftspolitische Themen angehen, forderte Attac-Aktivist Chris Methmann. Nur so könne man mit seinen Themen den Zeitgeist treffen. Das allein reicht aus Barbara Unmüßigs Sicht jedoch nicht aus. »Wir müssen solche Themen wählen, die zeigen, wie die verschiedenen Krisen wie die Klima-, Nahrungs- und Wirtschaftskrise zusammenhängen. Ein guter Aufhänger wäre zum Beispiel das Thema Agrarspekulation.« Zudem müsse man sehr viel strategischer vorgehen. »Wir sind sowie schon David gegen Goliath. Mit mehr Strategie könnten wir aber ein größerer David werden.« ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° Ende der weitergeleiteten Nachricht ° Alle Rechte bei den AutorInnen Unverlangte und doppelte Zusendungen bitten wir zu entschuldigen Abbestellen: mailto:greenho...@jpberlin.de?subject=unsubscribe ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° Greenhouse Infopool Berlin greenho...@jpberlin.de www.twitter.com/greenhouse_info www.freie-radios.net www.coforum.de ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° "Klimaschutz muss als Bewegung von unten kommen." http://energiewende.wordpress.com http://klima-der-gerechtigkeit.de
_______________________________________________ Pressemeldungen mailing list Pressemeldungen@lists.wikimedia.org https://lists.wikimedia.org/mailman/listinfo/pressemeldungen