Süddeutsche Zeitung
http://www.sueddeutsche.de/muenchen/schwarzfahren-1.2231677

21. November 2014 

Schwarzfahren im Nahverkehr 

"Ich fahre umsonst"

Dirk Jessen aus Gilching bei München fährt regelmäßig schwarz. Damit das
auch jeder mitbekommt, hat er stets ein Schild dabei. Das könnte ihn nun
sogar vor einer Geld- oder Haftstrafe bewahren

Von Marco Völklein

Dirk Jessen aus Gilching fährt regelmäßig schwarz. Er macht es gerne und er
hat sogar stets ein Schild dabei. Auf dem steht: "Ich fahre umsonst." Damit
will Jessen auf sein Anliegen aufmerksam machen: nämlich dass Fahrkarten
abgeschafft gehörten. Und er will einen juristischen Kniff ausnutzen, um
kostenfrei fahren zu können, ohne am Ende eine Geld- oder gar Haftstrafe zu
riskieren.

Am Mittwoch hat Jessen einen Termin am Amtsgericht Starnberg. Kontrolleure
der Deutschen Bahn hatten ihn im Frühjahr in einer S-Bahn erwischt und ihn
wegen Schwarzfahrens angezeigt. Den Strafbefehl über 400 Euro will Jessen
nicht akzeptieren. Denn mit dem "Ich fahre umsonst"-Schild habe er seine
Absicht, die S-Bahn gratis zu nutzen, von Anfang an kundgetan, argumentiert
Jessen. Er habe sich die Fahrt also gar nicht "erschlichen". Dies aber wäre
laut Paragraf 265a Strafgesetzbuch Voraussetzung dafür, dass er bestraft
werden kann - mit einer Geld- oder einer Haftstrafe von bis zu einem Jahr.

"Wenn so ein Hinweis offenkundig ist, ist die Sache unstreitig."

Vertreter der Verkehrsbranche kennen diese Argumentation. Viele Gerichte
hätten sie bestätigt, sagt Thomas Hilpert-Janßen vom Verband Deutscher
Verkehrsunternehmen (VDV). "Wenn so ein Hinweis offenkundig ist, ist die
Sache unstreitig." Nur die 40 Euro "erhöhtes Beförderungsentgelt" muss der
Schwarzfahrer stets entrichten.

Gestritten wird in Fachkreisen aber, ob es genügt, ein Schild oder ein
T-Shirt mit dem Aufdruck "Ich fahre schwarz" zu tragen. Denn damit
signalisiere man lediglich anderen Passagieren seine Schwarzfahr-Absicht.
Einige Gerichte entschieden, der Schwarzfahrer müsse vielmehr dem
Betriebspersonal aktiv seine Absicht deutlich machen - also dem Busfahrer
oder Lokführer das Schild vor die Nase halten. "Dann aber dürfte die Sache
rasch beendet sein", sagt Hilpert-Janßen. Denn dann macht der Busfahrer vom
Hausrecht Gebrauch und schmeißt Schwarzfahrer plus Schild raus.

Strafbarkeit soll abgeschafft werden

Schwarzfahr-Aktivisten wie Jessen geht es jedoch weniger um die Details der
juristischen Debatte, sondern eher darum, eine Diskussion über "das
Fahrscheinwesen an sich" und die Strafbarkeit des Schwarzfahrens in Gang zu
setzen. Die Gefängnisse seien "bis zum Rand voll" mit Leuten, die wegen
Schwarzfahrens eingesperrt wurden, sagt Jörg Bergstedt, der sich mit anderen
vernetzt hat. Daher müsse die Strafbarkeit abgeschafft werden [1]. Außerdem
sollte die Benutzung von Bussen und Bahnen eh kostenfrei sein, auch "weil
Millionäre zum selben Preis fahren wie Hartz-IV-Empfänger", sagt Bergstedt.

Für einen kostenlosen Nahverkehr müsste die öffentliche Hand allein in den
Großstädten zwölf Milliarden Euro jährlich aufwenden, hält der VDV dagegen.
Und dass Schwarzfahren eine Straftat ist, "sollte auch so bleiben" und nicht
herabgestuft werden zur Ordnungswidrigkeit, findet Hilpert-Janßen. Zum einen
habe das "symbolischen Charakter". Zum anderen gebe es ein praktisches
Problem: Kontrolleure dürften Schwarzfahrer dann nicht mehr ohne Weiteres
festhalten, um die Personalien zu notieren.

[1] http://jetzt.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/526069/Schwarzfahrer




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