die tageszeitung
http://www.taz.de/1/archiv/?dig=2014/04/02/a0139

* 02.04.2014

AUSSTELLUNG 

"Murks ist Teil der Logik der Produktion"

Stefan Schridde sammelt im Murks-Showroom für die Mülltonne gemachte Gegenstände

INTERVIEW: PETER NOWAK

taz: Herr Schridde, in Ihrem Showroom [1] versammeln Sie alte Schuhe, kaputte 
Waschmaschinen und gebrauchte Zahnbürsten. Warum soll man sich das ansehen?

Stefan Schridde: Wir wollen auf die sogenannte geplante Obsoleszenz aufmerksam 
machen. Das ist der Oberbegriff für Strategien und Methoden, die Lebensdauer 
eines Produkts zu verringern, um durch einen Neukauf den Profit zu steigern. Es 
geht uns um Ursachen und Methoden einer Produktion, die am Markt vorbeizielen.

Wie sehen solche Methoden aus?

Eine kleine Kohlebürste am Elektromotor von Staubsaugern sorgt etwa dafür, dass 
die Geräte kaputtgehen. Wir alle kennen auch das Problem von Schuhsohlen, die 
so schnell abgetreten sind, dass die Schuhe nicht mehr getragen werden können. 
Wir rufen dazu auf, solche abgetretenen Schuhsohlen im Murks-Showroom 
vorbeizubringen. Am Ende soll ein Kunstwerk der geplanten Obsoleszenz entstehen.

Die Ausstellung findet im Haus der IG Metall statt. Viele Unternehmen, die in 
der Gewerkschaft organisiert sind, dürften ebenfalls ihren Teil zur 
Wegwerfproduktion beitragen.

Wir haben mit der IG Metall Berlin-Brandenburg-Sachsen eine Partnerschaft 
geschlossen, um auch in den Betrieben über die geplante Obsoleszenz aufzuklären 
und Alternativen zu entwickeln. Denn der Murks, der produziert wird, ist nicht 
die Schuld der Beschäftigten, sondern Teil der herrschenden Produktionslogik.

Was hat Sie zu der Kampagne "Murks? Nein Danke!" bewogen?

Es waren vor allem ethische Gründe. Ich bin Vater zweier Kinder. Bei meinen 
Besuchen in Afrika habe ich gesehen, wie Kinder auf Müllhalden herumklettern, 
die aus ausrangierten Waren aus Europa bestehen. Da wurde mir klar, dass wir 
den AfrikanerInnen nicht nur ihre Ressourcen entwenden, sondern bei ihnen auch 
unseren gesundheitsschädlichen Müll abladen.

STEFAN SCHRIDDE, Jahrgang 1961, ist Betriebswirt und Initiator der 2012 
gegründeten Bürgerbewegung "Murks? Nein danke!", die sich für 
Ressourceneffizienz einsetzt.

Der Showroom im Haus der IG Metall, Alte Jakobstr. 149, ist bis zum 25. April 
geöffnet. Mo.-Do. 9-18 Uhr, Fr. 9-14.30 Uhr. Eintritt frei. Immer mittwochs von 
17 bis 19 Uhr gibt es vertiefende Fachvorträge

--

[1] http://www.murkseum.de/showroom/

--------------------------------------------------------------------------

Jungle World
http://jungle-world.com/artikel/2014/13/49567.html

27. März 2014

Immer mehr Geräte werden wegen kleiner Defekte verschrottet, schließlich wollen 
die Hersteller Neuware verkaufen. Die Kampagne »Murks? Nein danke!« will über 
die geplante Obsoleszenz informieren

VON PETER NOWAK

Wer in diesen Tagen durch das Schaufenster der Berliner 
IG-Metall-Verwaltungsstelle blickt, könnte denken, dort habe ein Umsonstladen 
sein Domizil gefunden. Ausrangierte Computer sind aufgestapelt, daneben finden 
sich zahlreiche Schuhe, deren Sohlen deutlich abgetragen sind, oder eine 
Waschmaschine mit ausgebauter Trommel. Doch die Gegenstände werden nicht 
getauscht oder verschenkt, bis zum 25. April will vielmehr der »Murks-Showroom« 
über Methoden der geplanten Obsoleszenz informieren.

»Das ist der Oberbegriff für Strategien und Methoden der Hersteller und des 
Handels, die mögliche Lebensdauer eines Produktes zu verringern, um durch 
schnelleren Neukauf den Profit zu steigern«, sagt Stefan Schridde, der 
Initiator der Kampagne »Murks? Nein danke!«. Er nennt Beispiele, die vielen 
schon im Alltag begegnet sein dürften. Schuhe, deren abgetretene Sohlen sich 
nicht mehr ersetzen lassen, sind ebenso exemplarisch wie ein Staubsauger, der 
wegen einer kleinen Kohlebürste am Elektromotor nicht mehr funktioniert. Gerne 
führt Schridde auch die Druckerpatronen an, die nach 1 500 Seiten ihren Betrieb 
einstellen, nicht weil sie leer sind, sondern weil der Zähler auf diese Menge 
eingestellt ist.

Bei Werkstattgesprächen, die jeden Mittwoch im »Showroom« stattfinden, werden 
vom Publikum weitere Beispiele für geplante Obsoleszenz genannt. Mittlerweile 
finden sich im Ausstellungsraum auch Gegenstände, die vom Publikum 
herbeigeschafft wurden. Schridde ruft dazu auf, abgetretene Schuhe 
vorbeizubringen, aus denen ein Kunstwerk der geplanten Murks-Produktion werden 
soll. Der umtriebige Betriebswirt hat es in den vergangenen Jahren verstanden, 
das Thema stärker an die Öffentlichkeit zu bringen. Er spricht vor 
Handwerksinnungen ebenso wie bei Verbänden der Industrie. Für den »Showroom« 
hat Schridde eine Partnerschaft mit der IG Metall Berlin-Brandenburg-Sachsen 
geschlossen, um auch in Betrieben über die geplante Obsoleszenz aufzuklären und 
dort Alternativen zu entwickeln. »Denn der Murks liegt nicht an den 
Beschäftigten, sondern an einer ressourcenvernichtenden Marktlogik«, betont er. 
Da wäre der Schritt zu Karl Marx eigentlich nicht weit. Schließlich hat der 
schon festgehalten, dass im Kapitalismus nicht Gebrauchsgegenstände hergestellt 
werden, sondern Waren, die sich verwerten müssen. Diesem Zweck stehen 
langlebige Gegenstände stärker im Weg als Waren, die schnell wieder 
verschrottet werden müssen, nur weil der Boden eines Computers oder Radios so 
verlötet wurde, dass ein dort verborgenes defektes Teilchen nicht ausgetauscht 
werden kann. Schridde stellt die nicht unberechtigte Frage, ob das 
Eigentumsrecht an einer Ware überhaupt dem Käufer übergeben wurde, wenn er sie 
nicht selbst reparieren kann, sondern an eine von der Firma benannte Werkstatt 
schicken muss.

Eine Kritik der kapitalistischen Warenproduktion wird man bei Schriddes 
Werkstattgesprächen jedoch nicht hören. Auf dem Informationstisch im »Showroom« 
findet sich kein Hinweis zu Marx, dafür gibt es Flyer vom esoterischen 
»Zeitgeist-Movement«. Natürlich fehlen auch Hinweise auf die Arbeiten von 
Wolfgang Pohrt und Hans-Jürgen Krahl, die in den vergangenen 50 Jahren die 
Marxsche Wertanalyse weiterentwickelt haben. So schrieb Krahl bereits vor einem 
Jahrzehnt: Menschliche Emanzipation sei »nur möglich über eine Denunziation der 
Dinge, des im Spätkapitalismus produzierten Schunds, in denen die Verhältnisse 
sich kristallisieren«.

Bei den Werkstattgesprächen wird hingegen die Frage diskutiert, ob deutsche 
Wertarbeit ein Mittel gegen Murks sein könne. Allerdings dürften nicht alle, 
die an der Kampagne »Murks? Nein danke!« beteiligt sind, so denken. Manche 
sehen in einer Regionalwirtschaft, in der die Produzenten noch bekannt sind, 
ein Mittel gegen Murks in der Produktion. So fügt sich die Kampagne in eine 
Szene ein, die mit Reparier- und Umsonstläden Symptome einer unvernünftigen 
Warenproduktion kurieren will, ohne die kapitalistischen Verwertungsinteressen 
grundlegend in Frage zu stellen.




° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° 
Ende der weitergeleiteten Nachricht ° Alle Rechte bei den AutorInnen 
Unverlangte und doppelte Zusendungen bitten wir zu entschuldigen 
Abbestellen: mailto:greenho...@jpberlin.de?subject=unsubscribe 


° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° 
Greenhouse Infopool baut um! 
Wir sind jetzt vor allem hier: 

Twitter: 
http://twitter.com/greenhouse_info 

RSS-Feed: 
http://tinyurl.com/greenhouse-feed

Facebook (Beta): 
http://www.facebook.com/mika.latuschek 

Twitter-News per E-Mail erhalten:
https://listen.jpberlin.de/mailman/listinfo/greenhouse-info



_______________________________________________
Pressemeldungen mailing list
Pressemeldungen@lists.wikimedia.org
https://lists.wikimedia.org/mailman/listinfo/pressemeldungen

Antwort per Email an