Gemeinsame Pressemitteilung von BUND, NABU und WWF
 
Lebendige Tideelbe statt Vertiefung!
 
Umweltverbände kritisieren deutsche Flusspolitik und reichen Klage
gegen die Elbvertiefung ein
 
Hamburg, 19.6.12 - Der BUND, der NABU und der WWF haben das
Aktionsbündnis „Lebendige Tideelbe“ gegründet, um sich gemeinsam für
eine ökologisch intakte Unterelbe mit den angrenzenden Lebensräumen
einzusetzen. Die Verbände nehmen die geplante Elbvertiefung zum Anlass,
den Umgang Deutschlands mit seinen Flüssen insgesamt zu kritisieren.
Gegen die Elbvertiefung werden BUND und NABU mit Unterstützung des WWF
nun Klage einreichen.
 
„Eine lebendige Tideelbe ist keine abwegige Utopie sondern gesetzlicher
Auftrag“, begründet Eberhard Brandes, Vorstand des WWF Deutschland, den
Zusammenschluss der drei Umweltverbände. „Die deutsche Bundesregierung
hat den europäischen Richtlinien zugestimmt und muss sie jetzt an den
eigenen Flüssen auch  umsetzen.“ Sowohl FFH- als auch
Wasserrahmenrichtlinie, aus denen große Teile des Unterelberaums und
andere Flusslandschaften bestehen, verbieten Verschlechterungen und
fordern konkrete Maßnahmen für die Erreichung eines günstigen
Erhaltungszustands der gefährdeten Lebensräume. So soll ein guter
ökologischer Zustand der Gewässer erreicht werden.
 
Anlässlich des Verfahrens zur Elbvertiefung kritisieren die drei
Umweltverbände den Umgang Deutschlands mit den europäischen Vorgaben
insgesamt. „Die Bundesregierung als Eigentümerin der Bundeswasserstraßen
muss endlich die eigene Nationale Strategie zur Biologischen Vielfalt in
den großen Flüssen umzusetzen“, fordert Eberhard  Brandes. „Dafür muss
sie ein Gegengewicht zu den Auswirkungen der Schifffahrt schaffen und
renaturieren.“ Stattdessen würden die deutschen Flüsse etappenweise
ausgebaut und jeder Ausbauschritt werde einzeln für sich betrachtet und
genehmigt.
 
„Die Behörden ignorieren, dass sich die Schäden an der Natur mit jedem
Eingriff potenzieren.“ Als Negativbeispiel führen die Umweltverbände die
Ems an. Die Unterems wurde zwischen Papenburg und Emden von 1984 bis
1995 für die Überführung von Kreuzfahrtschiffen vier Mal vertieft.
Infolgedessen kommt es in dem Fluss zu dramatischen
Sauerstoffmangelsituationen, und die Gewässergüte wurde im Zeitraum von
1984 bis 2000 
 um drei Güteklassen heruntergestuft.  „Die Ems ist mit der letzten
Vertiefung zum Sanierungsfall geworden, weil die Pufferkapazität des
Flusses endgültig überschritten wurde“, verdeutlicht Brandes. „Je größer
die Vorbelastung eines Ökosystems ist, desto sensibler und empfindlicher
reagiert es auf weitere Eingriffe.“
 
„Das europäische Recht gibt ganz klar ein Verschlechterungsverbot für
die ökologische Situation der Gewässer vor“, betont Sebastian Schönauer,
Sprecher des BUND-Bundesarbeitskreises Wasser. „Deutschland als
angeblicher Musterknabe im Umweltschutz hält sich aber nicht an diese
Vorgaben. Unter dem Deckmantel des „überwiegenden öffentlichen
Interesses“ wird der Gewässerschutz hinten angestellt und den Flüssen
weitere Belastungen zugemutet.“ Es sei bezeichnend, dass bis heute
gerade mal 10 Prozent der Flüsse die Zielvorgabe „guter ökologischer
Zustand“ bzw. „gutes ökologisches Potential“ erreicht haben. Dass die
Ziele nicht erreicht werden, hänge auch an den vielfachen Nutzungen an
unseren Flüssen und hier vor allem durch die Schifffahrt. Die starken
Eingriffe in die Gewässer und die damit verbundenen ökologischen
Schäden, aber auch die enormen Kosten zur Aufrechterhaltung einer
Schifffahrt mit immer größeren Schiffen seien in dem aktuellen Ausmaß
aber nicht mehr zu rechtfertigen. Schönauer betont: „Dies gilt für die
Elbe genauso wie für die Weser und die Donau. So soll derzeit erneut die
Unterweser vertieft werden, obwohl auch hier ein wirtschaftlicher Bedarf
nicht gegeben und die ökologische Gewässerqualität zwischen Bremen und
Bremerhaven bereits proble
matisch ist. Und an der Donau wird seit Jahren
von der zuständigen Wasser– und Schifffahrtsverwaltung entgegen den
wirtschaftlichen Tatsachen an völlig unsinnigen Ausbauplänen zwischen
Straubing und Vilshofen festgehalten. Wir brauchen dringend eine
Besinnung und Neuaufstellung der zuständigen Verwaltung, deren
gesetzlicher Auftrag auch  die „Ökologisierung der Schifffahrtswege“
beinhaltet.
 
„Wenn unsere Flüsse weiter so ausgebaut und vertieft werden wie bisher,
erreichen wir dort niemals einen ökologisch guten Zustand“, stellt
Jörg-Andreas Krüger, NABU-Fachbereichsleiter Naturschutz und
Umweltpolitik und Stellvertretender Bundesgeschäftsführer, fest. „Wir
befürchten, dass die nächste Elbvertiefung, vergleichbar mit der
Entwicklung an der Unterems, das gesamte Flussökosystem zum Kippen
bringen wird.“ Es müsse daher unbedingt verhindert werden, dass
Deutschland die zweite von seinen vier Flussmündungen zerstört, für
deren ökologischen Erhalt es gegenüber der Europäischen Union eine
besondere Verantwortung trägt. Krüger: „Deshalb haben wir uns
entschieden, im Rahmen unseres Bündnisses gegen den
Planfeststellungsbeschluss zur Elbvertiefung zu klagen.“
 
Die Umweltverbände bemängeln in ihrer Klage Verstöße gegen das
europäische Natur- und Gewässerschutzrecht: Ihrer Ansicht nach werden
sich die Wasserstände und der Tidenhub deutlich stärker ändern als
prognostiziert – mit allen negativen Folgen, wie die Verlandung von
Nebenflüssen, den Verlust von Flachwasserzonen und die Verschlechterung
der ökologischen Gewässerqualität (Stichwort: Sauerstoffmangel). Krüger
beanstandet weiter, dass es nie eine ernstzunehmende Prüfung von
Alternativen gegeben hat. Und die vorgeschlagenen Kompensationsmaßnahmen
seien auch nicht annähernd geeignet, den erheblichen Eingriff in die
Tideelbe auszugleichen. Krüger: „Wir gehen vielmehr davon aus, dass die
Schädigung des Flusses nicht ausgeglichen werden kann!“ Die Verbände
kritisieren weiter, dass die Möglichkeiten zur Vermeidung negativer
Auswirkungen auf die Umwelt, wie zum Beispiel im „Tideelbekonzept“ der
Hamburg Port Authority dargestellt, nicht ausgenutzt wurden. Krügers
Fazit: „Es wäre viel sinnvoller, die Schiffe an die Flüsse anzupassen,
als umgekehrt."
 
BUND, NABU und WWF sind zuversichtlich, dass vor dem Hintergrund der
erkennbar unzureichenden Umsetzung des europäischen Rechtes an
Deutschlands Flüssen und dem Baustopp an der Unterweser das
Bundesverwaltungsgericht ihrer Klage gegen die Elbvertiefung stattgeben
wird.
 
Für Rückfragen:

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