Feed: Klima der Gerechtigkeit
Posted on: Thursday, December 18, 2014 10:54 PM
Author: Lili Fuhr (f...@boell.de)
Subject: Die Lima-Lethargie

 


Das Schlussdokument der 20. Vertragsstaatenkonferenz der Klimarahmenkonvention 
(COP 20) mit dem Titel „Lima Call for Climate Action“ ist kein Weckruf, sondern 
ein Alarmzeichen für einen mauen multilateralen Klimaprozess, der unter 
politischer Taubheit leidet sowie arme und gefährdete Gemeinschaften mit den 
Auswirkungen des Klimawandels allein lässt.

von Lili Fuhr (Heinrich-Böll-Stiftung, Berlin), Maureen Santos 
(Heinrich-Böll-Stiftung, Rio de Janeiro), Liane Schalatek 
(Heinrich-Böll-Stiftung, Washington)

Der Klimagipfel in Lima ging am Sonntag, dem 14. Dezember, in den frühen 
Morgenstunden zu Ende. Nach zwei langen Verhandlungswochen verabschiedeten die 
Delegierten schließlich die sehr abgeschwächte und verwässerte 
Willenserklärung, den 2011 in Durban gestarteten Verhandlungsprozess für ein 
ein neues Abkommen ab 2020 fortzusetzen. Das Schlussdokument erhielt den 
hochtrabenden und irreführenden Titel „Lima Call for Climate Action 
<http://unfccc.int/files/meetings/lima_dec_2014/application/pdf/auv_cop20_lima_call_for_climate_action.pdf>
 “ und ist keineswegs als Erfolg, sondern vielmehr als ein sehr enttäuschendes 
Ergebnis zu bezeichnen.

Die Klimakonferenz in Lima wurde nicht einmal den ohnehinschon niedrigen 
Erwartungen gerecht. Eine unheilige Allianz von politischen und 
wirtschaftlichen Eliten aus Industrie- und Entwicklungsländern scheint zu 
glauben, dass einige – zu wenige und zu späte – magere freiwillige Zusagen 
ausreichen, ein Weiter-wie-bisher zu überwinden. Dabei trägt ihr Verhalten eher 
dazu bei, den Istzustand noch zu verfestigen.

Während die Rechte der Konzerne gestärkt und ihre Rolle und Sichtbarkeit in den 
Verhandlungen immer weiter zunimmt, unternahm die Lima-Konferenz so gut wie gar 
nichts für die Förderung von Menschenrechten, vor allem nichts für die 
Gleichstellung der Geschlechter und die Rechte indigener Bevölkerungsgruppen. 
Das steht nicht nur im krassen Gegensatz zu den realen Auswirkungen des 
Klimawandels in den einzelnen Weltregionen, sondern auch zu der wachsenden Zahl 
von Bürger/innen, sozialen Bewegungen und Organisationen, die überall, von New 
York <http://www.boell.de/de/node/283895>  bis Lima 
<http://corporateeurope.org/blog/streets-suites-protestors-call-climate-justice>
 , auf die Straße gehen, um wirklichen Klimaschutz und vor allem 
Klimagerechtigkeit zu fordern.

Statt den Fortschritt zu beschleunigen und höhere Ziele zu stecken, droht das 
dürftige Ergebnis von Lima, die UN-Klimaverhandlungen auf dem Weg zur 
Klimakonferenz im nächsten Jahr in Paris in ein Zeitlupentempo und einen 
Zustand der Lethargie zu versetzen. In Paris soll von den Regierungen ein neues 
globales Klimaschutzabkommen unterzeichnet werden. Mit dem „Lima Call for 
Climate Action“, der die Sprachlosigkeit der (Nicht-)Entscheidungsträger/innen 
spiegelt, ist die Zukunft der internationalen Klimapolitik auf 
besorgniserregende Weise ungewiss.

“Pledge and Chat“

Zwei Wochen lang rangen die Delegierten der Arbeitsgruppe zur Durban-Plattform 
(ADP) um verschiedene Beschlüsse, die ihre Arbeit weiter vorantreiben, mit 
denen ein Gerüst für ein erfolgreiches Ergebnis in Paris gebaut und die Weichen 
für die Klimaverhandlungen im Jahr 2015 gestellt werden sollten. Von all den im 
Vorfeld oder zu Beginn der Klimagespräche erörterten Optionen wurden im 
Abschlussdokument die ehrgeizigsten gestrichen. Man einigte sich stattdessen 
auf die schwächsten Optionen, die dadurch zum kleinsten gemeinsamen Nenner 
wurden. Außen vor blieb jegliche Bezugnahme auf feste, ehrgeizige und 
kontrollierbare Verpflichtungen, auf Gerechtigkeit und einen fairen 
Lastenausgleich sowie auf Menschenrechte. Im Folgenden geben wir eine kurze 
Einschätzung der grundlegenden Erwartungen und was aus ihnen wurde:

Die auf der COP 17 im Dezember 2011 im südafrikanischen Durban eingerichtete 
Ad-hoc-Arbeitsgruppe zur Durban-Plattform für verstärktes Handeln (ADP) ist ein 
Unterorgan der UN-Klimarahmenkonvention (UNFCCC). Das Mandat der ADP lautet, 
„ein Protokoll, ein anderes Rechtsinstrument oder ein einmütiges Ergebnis mit 
Rechtskraft unter dem Übereinkommen zu entwickeln, das für alle 
Vertragsparteien gilt“. Dieses Instrumentarium soll spätestens 2015 vorliegen, 
damit es 2015 auf der COP 21 in Paris verabschiedet und ab 2020 umgesetzt 
werden kann (Arbeitsstrang I der ADP). Gleichzeitig wurde auf der 17. Konferenz 
ein Arbeitsplan zur Verstärkung der Minderungsanstrengungen aufgelegt, um die 
Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit („Gigatonnen-Lücke“) noch vor 2020 zu 
schließen (Arbeitsstrang II der ADP). Auf der COP 19 in Warschau im letzten 
Jahr beschlossen <http://www.boell.de/de/node/280737>  die Regierungen, ihre 
„beabsichtigten national festgelegten Minderungsbeiträge“ (intended nationally 
determined contributions = INDCs) vorzulegen, die als Zusagen in das Abkommen 
von Paris eingehen sollen. Die Wortwahl dieser Vereinbarung stellt einen 
Kompromiss zwischen allen großen Emittenten dar, dass die Höhe der 
Minderungsbeiträge allein von der Bereitschaft der Länder aufgrund ihrer 
nationalen Umstände bestimmt und nicht aufgrund der auf globaler Ebene dringend 
notwendigen Emissionsreduktionen auferlegt wird. Das ist eine klare Absage an 
einen Top-Down-Ansatz mit verbindlichen und durchsetzbaren Verpflichtungen.

Von den Regierungen wurde erwartet, sich in Lima über Umfang, Format, 
zeitlichen Rahmen und Überprüfung der nationalen Beiträge (Zusagen) zu einigen, 
die zusammen das Pariser Abkommen ausmachen werden. Es bestand die Hoffnung, 
dass es bei den beabsichtigten national festgelegten Beiträgen (INDCs) nicht 
nur um Emissionsminderung, sondern auch um Anpassung und Finanzierung gehen 
würde, und dass die Beiträge einer Ex-Ante- und Ex-Post-Bewertung unterliegen 
würden, um nicht nur die Gesamtauswirkung einschätzen, sondern auch Ambition 
und Gerechtigkeit der jeweiligen nationalen Beiträge beurteilen zu können.

Zum Umfang: In dem Beschluss von Lima heißt es lediglich, dass die Parteien 
„gebeten“werden, ihre INDCs anzukündigen und dass „alle Parteien in Erwägung 
ziehen sollen, ihre Anpassungsmaßnahmen öffentlich zu nennen“; von Finanzierung 
ist im Zusammenhang mit den INDCs überhaupt keine Rede. Zum Format: Es bleibt 
ganz allein den Vertragsparteien überlassen, was sie in ihre INDCs aufnehmen 
und wie sie diese bekanntgeben wollen. Eine Übereinkunft über ein für alle 
geltendes Format für die Anforderung der Vorabbekanntgabe der INDCs galt im 
Vorfeld als wichtigstes Ergebnis von Lima, um die Vergleichbarkeit der 
nationalen Beiträge sicherzustellen. Jetzt werden die Ankündigungen in einem 
bunten Strauß von INDCs enden, wobei nicht garantiert ist, dass überhaupt alle 
Vertragsparteien mitmachen, und es auch keinen klaren Zeitrahmen gibt, wann 
diese Zahlenvorliegen müssen. Diejenigen, die „dazu bereit sind“, sind 
aufgefordert, sie im ersten Quartal 2015 einzureichen. Und schließlich wird es 
auch keine Ex-Ante-Bewertung der INDCs geben, sondern lediglich einen 
zusammenfassenden Bericht über die Gesamtauswirkung der INDCs, die bis Anfang 
Oktober vorliegen. Das ist nur wenige Wochen vor der Pariser Klima-Konferenz 
und damit bei weitem zu spät, um auf höhere Zielsetzungen zu drängen. Das lässt 
die Hoffnungen auf ein gutes Pariser Abkommen sinken und verbreitet die 
bedauerliche Botschaft und das deutliche Signal, dass es in dem Abkommen nicht 
um „Zusagen und Überprüfungsverfahren“ („Pledge and Review“) gehen wird, 
sondern nur um „Pledge and Chat“ („Versprechen und Geschwätz“).

Vielen Dank, Berlin!

Wie schon für die vorhergehenden Konferenzen galt auch für Lima, dass die 
Klimafinanzierung Dreh- und Angelpunkt für das Erreichen hochgesteckter 
Verhandlungsziele ist. Das Ergebnis von Lima bestätigt einmal mehr, dass diese 
Analyse, die zu einem Leitgedanken für die Vorhersage von erfolgreichen 
Konferenzen geworden ist, immer noch stimmt. Ohne die erste Geberkonferenz für 
den Grünen Klimafonds (GCF) Ende November in Berlin hätte die COP 20 in Lima 
rein gar nichts Bedeutsames zum Thema Klimafinanzierung zu berichten gehabt. 
Vielen Dank, Berlin.

Allerdings dienten die Zusagen für den GCF in Berlin den Regierungen der 
Industrieländer als Rechtfertigung, sich beim ADP-Beschluss zur Unterstützung 
ehrgeiziger INDCs von Entwicklungsländern gegen die Einbeziehung von 
Finanzierungsfragen zu sperren. Ebenso wehrten sie sich erfolgreich gegen die 
Forderung, sich schon vor 2020 auf einen Fahrplan festzulegen, wie die 
Bereitstellung der Klimafinanzierung bis 2020 auf jährlich 100 Mrd. USD 
gesichert werden kann. Statt also für die nächsten Jahre überprüfbare Ziele für 
die Aufstockung der Finanzierung durch neue, zusätzliche und vorhersehbare 
Mittel zu verankern, begnügte sich der Beschlusstext der Limakonferenz zur 
Langfristfinanzierung damit, den Beschluss von Cancúnzu wiederholen, jährliche 
Arbeitsrunden während der Konferenzen zu versprechen und die Zusagen für den 
Grünen Klimafonds „anerkennend zu begrüßen“.

Zum Hintergrund: Die von 29 Ländern – in Lima kamen Norwegen, Australien, 
Belgien, Peru undKolumbien als Geberländer dazu – für den Zeitraum von vier 
Jahren insgesamt zugesagten 10,2 Mrd. USD für den GCF sind zwar in der Tat 
begrüßenswert, aber doch nichts weiter als ein erster wesentlicher Schritt, den 
GCF als wichtigsten multilateralen Klimafonds zu etablieren. Und sie können 
auch nur als eine kleine erste Anzahlung von notwendigerweise langfristigen und 
sich ständig erhöhenden Zahlungen angesehen werden, die von den 
Industrieländern zu leisten sind, die unter Annex II der Konvention 
zahlungspflichtig sind, um die Minderungs- und Anpassungsbemühungen der sich 
entwickelnden Länder zu unterstützen.

Dass es hier trotz gegenteiligen Wehklagens der Annex-II-Länder um politischen 
Willen und nicht um angespannte Haushaltslagen geht, veranschaulicht ein gerade 
erschienener Bericht von Oil Change International, aus dem hervorgeht, dass 
dieselben Annex-II-Länder jährlich 26,6 Mrd. USD in die Suche neuer fossiler 
Brennstoffe pumpen – also fast das Dreifache der ersten Zahlungszusagen für den 
GCF, mit dem der Fonds vier Jahre lang auskommen muss. Natürlich ist mit Kurs 
auf Paris genau diese Verpflichtung der Annex-II-Länder zur Aufstockung der 
Finanzmittel unter Beschuss. In Lima drängten die Industrieländer „alle 
Vertragsstaaten, die dazu in der Lage sind“, für die Klimaschutzmaßnahmen der 
ärmsten Länder zu zahlen, während die Entwicklungsländer im Namen der 
Gerechtigkeit darauf pochen, dass die differenzierte Zahlungsverpflichtung 
(Pflichten nur für Annex-II-Länder) auch im neuen, ab 2020 geltenden Abkommen 
weiter festgeschrieben werden muss.

Trotz des Berichts über den Klimafinanzfluss, den der Ständige Ausschuss für 
Finanzen auf der Konferenz vorlegte, ist nach wie vor unklar, was genau als 
Klimafinanzierung zählt und welche Rolle dabei der Klimafinanzierung von 
öffentlicher und privatwirtschaftlicher Seite zukommt. Ebenso unklar ist die 
Zukunft der bisherigen unter der Konvention bestehenden Klimafonds, seit der 
GCF im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit steht. Da wäre vor allem der unter dem 
Kyoto-Protokoll eingerichtete Anpassungsfonds zu nennen, der den 
Entwicklungsländern einen direkten Zugriff auf Finanzmittel erlaubt („direct 
access“). In dieser bahnbrechenden Rolle wird er zwar von den Vertragsparteien 
anerkannt, aber er hat mit einem Mangel an nachhaltiger Unterstützung seitens 
der entwickelten Länder zu kämpfen. In Lima wurde diesem Fonds nun durch einen 
von Deutschland zugesagten Beitrag von 55 Mio. Euro kurzfristig neues Leben 
eingehaucht. Diese Summe liegt allerdings weit unter dem für die festgestellten 
Gigatonnen- und Anpassungslücken benötigten Finanzmittel, die im Grunde nur mit 
festgesetzten Pflichtbeiträgen der Annex-II-Länder gedeckt werden können. Die 
Debatte über Klimafinanzierung in Lima hat nichts dafür getan, dass 
Zahlungsverpflichtungen dieser Art im Klimaregime nach 2020 wahrscheinlicher 
werden.

Verloren und geschädigt

Verluste und Schäden („loss and damage“) sind die negativen Auswirkungen des 
Klimawandels, mit denen Menschen und Ökosysteme nicht fertig werden und an die 
keine Anpassung möglich ist. Zu den Klimawandelverlusten und -schäden gehören 
<http://www.lossanddamage.net> : Extremewetterereignisse (wetterbedingte 
Naturkatastrophen) und langsam einsetzende Veränderungen (Anstieg des 
Meeresspiegels, steigende Temperaturen, Versauerung der Meere, Rückgang der 
Gletscher und die damit verbundenen Auswirkungen, Versalzung, Boden- und 
Walddegradation, Verlust von Biodiversität, Wüstenbildung). Verluste und 
Schäden entstehen hier und jetzt: Im Jahr 2013 vertrieb der Taifun Yolanda 
(Haiyan) vier Millionen Menschen, zerstörte oder beschädigte eine Million 
Häuser, forderte mindestens 6.300 Todesopfer und verursachte auf den 
Philippinen Schäden in Höhe von etwa 2 Mrd. USD. Während der in Lima 
stattfindenden Verhandlungen traf der Taifun Hagupit auf die Philippinen. Dass 
dieser Taifun weniger Schaden anrichtete als Haiyan im Jahr zuvor ist nur 
darauf zurückzuführen, dass die in Friedenszeiten größte Evakuierungsmaßnahme 
der Geschichte durchgeführt wurde, für deren Kosten die philippinische 
Regierung allein aufkam.

Während die Philippinen die realen Auswirkungen des Taifun Hagupit erlebten – 
es war das dritte Jahr in Folge, das die Philippinen während einer 
Klimakonferenz von einem verheerenden Sturm getroffen wurden –,schaffte es die 
Thematik „Verluste und Schäden“ in Lima nicht einmal als eigenständiger Punkt 
für Handlungsbedarf in den ADP-Beschlusstext. Das Dokument Lima Call for Action 
erinnert lediglich an die Entscheidung des letzten Jahres 
<http://www.boell.de/de/node/280737> , den Warschauer Mechanismus für Verluste 
und Schäden einzurichten, aber erklärte den Umgang mit Verlusten und Schäden 
nicht zu einem Thema, das im Pariser Abkommen losgelöst von Anpassungsmaßnahmen 
behandelt werden sollte, und anerkennt auch nicht den zusätzlichen Finanzbedarf 
für Verluste und Schäden neben der erforderlichen Finanzierung zur Schließung 
der „Anpassungslücke“, wie sie in einem neuen UNEP-Bericht 
<http://www.google.com/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=3&ved=0CC4QFjAC&url=http%3A%2F%2Fwww.unep.http://www.unep.org/climatechange/adaptation/gapreport2014/portals/50270/pdf/AGR_FULL_REPORT.pdf>
  genannt wird. In Lima wurde das Thema Verluste und Schäden nur in technischen 
Details erörtert, als es um die Zusammensetzung des Exekutivkomitees des 
Warschauer Mechanismus und den von ihm vorgeschlagene Arbeitsplan für zwei 
Jahre ging.

Seit der Unterzeichnung der UN-Rahmenkonvention zum Klimawandel (UNFCCC) 1992 
hat sich die Welt dramatisch verändert, und es ist klar, dass es ohne 
Gerechtigkeit kein neues Abkommen geben wird. Es wurde erwartet, dass sich die 
Regierungen in Lima mit der Frage der Differenzierung zwischen Industrie- und 
Entwicklungsländern befassen würden. Ein von Brasilien unterbreiteter 
interessanter Vorschlag, bei dem alle Länder in konzentrischen Kreisen 
angeordnet sind und selbst über ihre Beförderung in den nächsthöheren Kreis 
entscheiden, wurde ausführlich diskutiert, aber nicht zur Abstimmung gebracht. 
Das Lima-Schlussdokument bestätigt lediglich das Prinzip der gemeinsamen, aber 
unterschiedlichen Verantwortung und der jeweiligen Fähigkeiten, ohne 
irgendwelche Hinweise zu geben, wie dies im Paris-Abkommen operationalisiert 
werden könnte.

Und nein, die Delegationen in Lima einigten sich nicht darauf, dass der fast 
40-seitige Annex zum Lima Call for Climate Action (mit dem Titel „Elemente für 
einen Entwurf des Verhandlungstextes“) tatsächlich einen 
Verhandlungstextentwurf darstellt, sondern wiederholten, dass es notwendig sei, 
einen solchen Entwurfstext vor Mai 2015 vorzulegen.

Schließlich sei daran erinnert, dass der in Paris zu unterzeichnende Vertrag 
erst nach 2020 in Kraft treten wird. Deshalb sah das Durban-Mandat einen 
zweiten Arbeitsstrang vor, der sich mit den Emissionsreduktionsmaßnahmen vor 
2020 befasst. In Lima wurden zu diesem Arbeitsstrang keinerlei Fortschritte 
erzielt. Ganz im Gegenteil: Mit dem Lima-Beschluss können sogar eine Menge 
problematischer Technologien und falscher Lösungen als Minderungsoptionen in 
Betracht gezogen werden, solange sie nur „hohes Minderungspotential“ aufweisen. 
Eine Klausel über technologische Bewertung oder solide ökologische und soziale 
Standards wären hier Mindestvoraussetzungen gewesen, wurden aber nicht in den 
Text aufgenommen.

Manch einiger mag sich verwundert fragen, was aus Ratifizierung der in Doha 
<http://www.boell.de/de/node/276935>  vereinbarten zweiten 
Verpflichtungsperiode zum Kyoto-Protokoll (KP) wurde. Eine Änderung am 
Kyoto-Protokoll, auf die man sich in Doha einigte, wird von Russland, der 
Ukraine und Weißrussland aufs heftigste bekämpft. Bei dieser Änderung geht es 
darum, die Schaffung neuer „heißer Luft“ zu verhindern. Genau aus diesem Grund 
sind die drei Länder auch so vehement gegen die neue Vereinbarung, denn sie 
haben eine Menge heißer Luft und würden diese nicht nur gern in die zweite 
Verpflichtungsperiode zum KP übertragen, sondern auch in die Zeit nach 2020. 
Bisher ist es ihnen gelungen, jedes Vorankommen in dieser Angelegenheit zu 
blockieren (sie ließen aufgrund dieser Problematik ganze Zwischenverhandlungen 
platzen). Ohne eine Lösung hinsichtlich dieser umstrittenen „Zombie-Kredite“ 
ist nicht garantiert, dass die KP-Vertragsparteien die in Doha beschlossenen 
Änderungen ratifizieren werden. Obwohl sich die EU und die Ukraine in Lima 
offensichtlich in letzter Minute auf einen Kompromiss einigen konnten, wollte 
ein überforderter peruanischer COP-Präsident angesichts all der ungelösten 
Fragen im ADP dieses Thema nicht nochmals aufgreifen. Daher bleibt es vorläufig 
ungewiss, ob die zweite Verpflichtungsperiode je ratifiziert wird. Derzeit 
haben lediglich 21 Vertragsparteien die in Doha ausgehandelten Änderungen 
akzeptiert <http://unfccc.int/kyoto_protocol/doha_amendment/items/7362.php>  – 
zu den neuesten Unterzeichnern gehören auch Nauru und Tuvalu, die nicht gerade 
für gigantische Emissionen bekannt sind. Damit die Veränderung in Kraft treten 
kann, müssen 144 Staaten unterzeichnen.

Wer stand zu wem in Lima?

Die Verhandlungsdynamik und die Gruppierungen der Länder in den Klimagesprächen 
sind genauso komplex und manchmal sogar so widersprüchlich wie die Politik in 
der realen Welt. Dazu hier nun einige bemerkenswerte Beobachtungen aus Lima:

Die Gruppe der Gleichgesinnten Entwicklungsländer (LMDCs) wurde bis zur 
Klimakonferenz in Warschau im letzten Jahr immer größer und ist für ihre rigide 
Haltung bekannt, unbedingt die „Brandmauer“ zwischen Industrie- und 
Entwicklungsländern zu bewahren. Nun hat sie kurz vor Lima ein Mitglied 
verloren, das für seine unverblümte Haltung in Klimaverhandlungen bekannt ist: 
die Philippinen. Insgesamt ist festzustellen, dass die G77 und China es bei 
allen wichtigen Fragen immer schwieriger finden, eine gemeinsame Position zu 
beziehen. Vor allem die Gruppe der afrikanischen Staaten und die Allianz der 
kleinen Inselstaaten (AOSIS) haben immer wieder Angelegenheiten in die eigenen 
Hände genommen, um die für ihre Zukunft wichtigen Belange voranzutreiben, 
insbesondere in Bezug auf Anpassung, Finanzierung und Verluste und Schäden. Und 
selbst die BASIC-Gruppe (Brasilien, Südafrika, Indien und China) spricht in den 
Verhandlungen nicht länger mit einer Stimme, auch wenn sie sich weiterhin als 
Gruppe treffen. Politisch überaus interessant und pikant ist die Tatsache, dass 
Russland, die Ukraine und Weißrussland – trotz realer geopolitischer 
Konfrontationspolitik – scheinbar weiterhin gemeinsam für die Beibehaltung der 
„heißen Luft“ im Kyoto-Protokoll eintreten. Die sehr konstruktive Rolle, die 
einige lateinamerikanische Länder in den Lima-Verhandlungen spielten (indem sie 
beispielsweise durch Finanzzusagen Verantwortung übernahmen und innovative 
Verhandlungsoptionen unterbreiteten), spiegelt sich im Schlussdokument nicht 
wider.

Von Lima nach Paris: Systemwandel statt Klimawandel

Das Jahr 2014 war der Höhepunkt zahlreicher Kämpfe für Klimagerechtigkeit rund 
um die Welt.Wie in Kopenhagen (2009), Cochabamba (2010) und Rio+20 (2012)hat 
die Mobilisierung diesen Moment als Teil eines Prozesses der kollektiven 
Mobilisierung erreicht. Durch Klimademonstrationen in New York (zum 
UN-Klimagipfel im September 2014), auf der Isla Margarita (SocialPreCOP in 
Venezuela, November 2014 <http://www.precopsocial.org/en> ) und insbesondere in 
Lima (zum COP 20) entsteht auf dem Weg nach Paris und darüber hinaus eine immer 
größere Bewegung, die sich für Klimagerechtigkeit einsetzt und eine gemeinsame 
Agenda entwickelt. Als Ausdruck der Mobilisierung und als Widerstand gegen die 
offizielle UNFCCC-Agenda fand in Lima vom 8. bis 11. Dezember ein alternatives, 
zivilgesellschaftliches Klimaforum (Gipfel der Völker) statt. Zu den Stimmen 
der von einem globalen Wirtschafts- und Kultursystem Ausgebeuteten, 
Unterdrückten und Ausgegrenzten gehörten Bauernbewegungen, indigene 
Bevölkerungsgruppen und traditionelle Gemeinschaften. Die Demonstration von 
etwa 20.000 Menschen am 10. Dezember forderte von den Regierungen, ihre 
Bevölkerungen zu respektieren und zum Schutz von Mutter Erde starke 
Klimaschutzverpflichtungen auszuhandeln und keine falschen Lösungen zu 
akzeptieren. Die in all diesen verschiedenen Prozessen, darunter der Erklärung 
von der Isla Margarita 
<http://www.precopsocial.org/sites/default/files/archivos/margarita_declaration_on_climate_change.pdf>
 , den Kernbotschaften 
<http://www.precopsocial.org/sites/default/files/key_messages_for_ministers_social_precop_2014.pdf>
  für die COP 20 und dem Ministertreffen auf der Socia lPreCOP 2014, erreichten 
Annäherungen spiegeln sich in der Erklärung von Lima 
<https://ia902709.us.archive.org/4/items/DeclaracionDeLima/CumbrePueblosDeclaracion.pdf>
  wider.

Während einer von der französischen COP-21-Koalition und ihren 
lateinamerikanischen Bündnispartnern in Lima organisierten gemeinsamen 
Versammlung wurden wichtige Daten für die globale Mobilisierung auf dem Weg 
nach Paris bekanntgegeben. Am 29. und 30. Mai 2015 wird es einen kollektiven 
Aufruf geben, in aller Welt für einen Wandel des Entwicklungsmodells zu 
demonstrieren. Am 13. und 14. Juni wird in Frankreich ein Vorbereitungstreffen 
für die Aktivitäten während der COP 21 stattfinden. Für den 26. September sind 
in ganz Frankreich Aktionen der „Alternatiba-Bewegung“ geplant. Der 29. 
November – der Eröffnungstag der Pariser Klimakonferenz – wurde als „Weltweiter 
Aktionstag“ zur COP 21 auserkoren. Auch am Ende der offiziellen 
COP-21-Verhandlungen wird es eine Reihe von Demonstrationen in Paris geben.

Unternehmensrechte gehen über Menschenrechte

Insgesamt sahen die Dinge vor Lima gar nicht so schlecht aus. Die EU hatte sich 
auf ein Klima- und Energiepaket für 2030 geeinigt. (Auch wenn es weder 
großartige Neuerungen noch verbindliche Ziele für Energieeffizienz und 
erneuerbare Energien enthält, so schrieb es doch zumindest das Ziel einer 
40%igen Emissionsreduktion innerhalb Europas fest.) Die USA und China 
unterzeichneten einen bilateralen Vertrag. Die darin vereinbarten Ziele bleiben 
zwar weit hinter dem zurück, was man für diese Länder einen gerechten Anteil 
nennen könnte, und sind auch weit davon entfernt, zur Einhaltung des 
2-Grad-Klimaziels beizutragen. Aber der Vertrag an sich ist diplomatisch 
bedeutsam.

Auf einem großen UN-Klimagipfel im September in New York, zu dem neben den 
Staats- und Regierungschefs auch Vertreter der Privatwirtschaft eingeladen 
waren, wurden seitens der Privatwirtschaft eine Reihe neuer Zusagen und 
Initiativen zur Stärkung des Klimaschutzes angekündigt. Damit signalisiert der 
Privatsektor erstmals, dass er das mit der „Kohlenstoffblase“ einhergehende 
Finanzrisiko verstanden hat und bereit ist, hier aktiv zu werden (zwei 
Beispiele: Der norwegische Staatsfonds zieht in Erwägung, nicht mehr in fossile 
Brennstoffe zu investieren <http://www.carbontracker.org/news/1072/>  und auch 
die Bank of England wird untersuchen 
<http://www.carbontracker.org/in-the-media/bank-of-englands-momentous-move-on-climate-change/>
 , welche Risiken für die Stabilität des Finanzsystems von Investitionen in 
fossile Brennstoffe ausgehen). Und nicht zuletzt erreichte der Grüne Klimafonds 
zum Ende von COP 20 sein Mindestziel von 10 Mrd. USD in seiner noch laufenden 
ersten Finanzmobilisierungsrunde. Wie und warum endete Lima also in einem 
solchen Desaster?

Zunächst einmal sahen die Erfolgsaussichten vielversprechender aus, als sie 
tatsächlich waren: Auch mit den bisherigen Einsparungszielen von EU, USA und 
China würden wir immer noch Kurs nehmen auf eine Erderwärmung um 3,8°C 
<http://www.chrishopepolicy.com/2014/11/the-us-china-climate-deal-dont-get-carried-away/>
 . So geht es aus dem kürzlich vorgelegten 5. IPCC-Sachstandsbericht hervor, 
der vor den unmittelbar Gefahren durch den Klimawandel und durch Untätigkeit 
beim Klimaschutz warnt. Die im Bericht ausgesprochenen Empfehlungen sind jedoch 
besorgniserregend und räumen dem Einsatz von riskanten und teils 
nicht-existenten Technologien („Technofixes“) einen höheren Stellenwert ein als 
den zur Abwendung des katastrophalen Klimawandels nötigen grundlegenden 
strukturellen Veränderungen und Reformen. Der Bericht zieht ernsthaft eine 
Überschreitung des Zwei-Grad-Limits und die Generierung „negativer Emissionen“ 
in Erwägung, um Netto-Null-Emissionen zu erreichen. Dies soll durch die 
risikoreiche und kostspielige Abscheidung und Speicherung von CO2 (Carbon 
Capture and Storage, CCS) und durch die Förderung noch nicht existierender 
Technologien aus dem Bereich des Geoengineerings (wie etwa Biomasse in 
Verbindung mit CO2-Abscheidung und -Speicherung (BECCS) bewerkstelligt werden. 
Diese Technologien werden als ernsthafte Optionen dargestellt, obwohl sie weder 
entwickelt noch erprobt sind und erhebliche soziale und ökologische Risiken 
beinhalten – und dienen letztlich nals Rechtfertigung, so weiterzumachen wie 
bisher. Kein Wunder also, dass die einzigen, die Lima mit einem zufriedenen 
Lächeln verließen, die Vertreter von allen Arten der CCS-Technologien waren.

Biomasse in Verbindung mit CO2-Abscheidung und -Speicherung (Bioenergy with 
Carbon Capture and Storage, BECCS) ist das Aushängeschild für den neuen Ansatz 
der Netto-Null-Emissionen, der die Überschreitung der Biokapazität 
rechtfertigen soll. BECCS beinhaltet die großflächige Anpflanzung von Gras und 
Bäumen, die Verbrennung dieser Biomasse zur Stromerzeugung und die Abscheidung 
des ausgestoßenen CO2 das anschließend in unterirdische geologische Reservoire 
gepumpt wird. BECCS würde erhebliche Auswirkungen auf die Entwicklung haben und 
ein Landgrabbing 
<https://www.project-syndicate.org/commentary/agricultural-investment-or-third-world-land-grab-by-peter-singer>
  in großem Stil nach sich ziehen, aller Voraussicht nach im globalen Süden. 
Das ist kein weithergeholtes Szenario; die steigende Nachfrage nach 
Biokraftstoffen spornt seit vielen Jahren verheerende Landaneignungen in 
Entwicklungsländern an, was zur Folge hat, dass Millionen der ärmsten Menschen 
ihre Existenzgrundlage verlieren und die Nahrungssicherheit weltweit gefährdet 
ist. Es wäre noch viel mehr Land nötig, um einen wesentlichen Anteil der 
CO2-Emissionen zu kompensieren. Tatsächlich müsste eine geschätzte Fläche von 
218-990 Millionen Hektar 
<http://dcgeoconsortium.org/2014/11/10/uncertainties-is-an-understatement-when-it-comes-to-beccs/>
  auf Rutenhirse umgestellt werden, um eine Milliarde Tonnen CO2 mithilfe von 
BECSS zu binden. Das ist 14-65-mal so viel Land wie die Vereinigten Staaten für 
den Anbau von Mais für die Ethanolgewinnung nutzen.

Eine der Hauptgründe dafür, dass auf der UNFCCC keine Fortschritte erzielt 
wurden (oder besser gesagt, dass Rückschritte gemacht wurden), liegt darin, 
dass sich die Wirtschaft den globalen Klimaverhandlungsprozess angeeignet hat. 
Viele der auf dem New Yorker Gipfeltreffen im September angestoßenen oder 
vorgeschlagenen Initiativen könnten vielleicht im engeren Sinne einer 
Emissionsreduzierung in einem bestimmten Bereich als „klima-smart“ erachtet 
werden. Aber einige andere stellen mit Sicherheit falsche Lösungen dar, die 
nicht nur den Klimawandel beschleunigen werden, sondern auch ernsthaft 
Menschenrechte unterminieren, planetare Grenzen überschreiten sowie soziale und 
ökologische Konflikte schüren.

Ein Beispiel dafür ist die „Global Alliance on Climate Smart Agriculture“. 
Dabei handelt es sich darum, eine im industriellen Maßstab betriebene 
Landwirtschaft mit hohem Ressourceneinsatz(darunter auch Düngemittel, die mit 
fossilen Brennstoffen erzeugt werden) in Monokulturen unter Verwendung von 
gentechnisch verändertem Saatgut als „klima-smart“ umzuetikettieren. 
Ökologische Alibiprojekte wie dieses durchdringen die Verhandlungen von New 
York bis Lima und darüber hinaus. Sie drängen die ebenfalls in Lima 
vorgestellte Beispiele einer agroökologischen Landwirtschaft mit niedrigem 
Ressourceneinsatz, niedrigeren Kosten, weniger Energieverbrauch, die näher an 
den Bevölkerungen und der Natur ist und tatsächliche Alternativen für die 
Menschen und den Planeten bietet, oft in den Hintergrund. Die PR-Maschinerie 
und die finanzpolitische Macht der Unternehmen stiehlt diesen Lösungen im 
kleinen Maßstab die Schau.

Eine reine CO2-Brille in der Klimapolitik wird vermutlich nie brauchbare 
Alternativen für die Menschheit liefern. Stattdessen dienen die so entwickelten 
„Lösungen“ den Interessen der alten Industrien. Das Scheitern des europäischen 
Emissionshandelssystems (EU-ETS) und des Clean Development Mechanismus (CDM) 
haben die Regierungen bisher nicht davon abgehalten, für das Pariser Abkommen 
andere nebulöse „Neue Marktmechanismen“ kreieren zu wollen. 
Einspeisevergütungen, die in vielen Ländern und Regionen in aller Welt gut 
funktioniert haben, sind jetzt unter heftigen Beschuss der fossilen Lobby 
geraten. Freihandelsabkommen (FTAs) und Bilaterale Investitionsverträge (BITs) 
gefährden jegliche sinnvolle Umweltgesetzgebung und ermöglichen es den 
Konzernen, Regierungen aufgrund sogenannter Investor-State Dispute Settlements 
zu verklagen. Einige der großen Konzernmanager forderten 
<http://www.ft.com/intl/cms/s/0/a422ac14-8021-11e4-acf3-00144feabdc0.html#axzz3LsKA4LYa>
  in Lima gar, statt des bloßen Beobachterstatus in den Klimaverhandlungen als 
„Co-Parteien“ mehr Mitspracherecht zu erhalten. Das wäre natürlich nichts 
weiter als eine Formalisierung der in vielen Bereichen schon vollendeten 
Tatsachen.

Die Tatsache, dass Unternehmen und Wirtschaft sich der internationalen 
Klimapolitik bemächtigt haben, hat dafür gesorgt, dass die Sprache der 
Menschrechte (beispielsweise Geschlechtergleichstellung und Rechte von Frauen, 
indigenen Bevölkerungen und Arbeitnehmer/innen) in den Lima-Dokumenten völlig 
in den Hintergrund gedrängt wurde. So diente Lima dazu, in der Vorbereitung für 
Paris die Rechte von Unternehmen zu stärken auf Kosten der Rechte von Menschen 
und unserem Planeten.

All das sollte nicht weiter überraschen, wenn man bedenkt, dass die gerade mal 
von 90 Unternehmen (den sogenannten „Carbon Majors“) geförderten Kohle-, Öl- 
und Gasmengen seit 1750 für 65% der weltweiten Kohlenstoffemissionen 
verantwortlich sind, und dass viele dieser Reserven an fossilen Brennstoffen im 
Besitz von Unternehmen sind, die Staatsbetriebe oder staatlich geleitete 
Betriebe sind. Ein Ende der Ära fossiler Brennstoffe würde auch das Ende dieser 
Unternehmen bedeuten und damit auch das Ende der wirtschaftlichen und 
politischen Macht einiger weniger sehr mächtiger Menschen. Das unterstreicht 
die Tatsache, dass hinter der Klimakrise weit mehr steckt als die Notwendigkeit 
einer Emissionsreduzierung und dass sowohl eine Umstrukturierung unseres 
gesamten Wirtschaftssystems als auch eine Umverteilung von Macht erforderlich 
ist.

Es lässt es auch vollkommen offensichtlich werden, dass ein 
Verhandlungsprozess, der sich nur um die Reduzierung von Emissionen kümmert und 
die bestehenden Finanz-, Handels- und politischen internationalen 
Governance-Strukturen außer Acht lässt (die Kurzsichtigkeit der Wall-Street, 
die Macht und Durchsetzungskraft von globalen Handels- und Investitionsabkommen 
sowie die Abkommen und die wirtschaftliche Führung von G7 und G20, in denen der 
Klimawandel eine Nebensächlichkeit scheint) und sich auch nicht ausdrücklich 
zur Anerkennung und zum Schutz der Menschenrechte bekennt, zum Scheitern 
verurteilt ist.

Letzteres wird durch die Diskussion in Lima über einen COP-Beschluss zu Gender 
und Klimawandel veranschaulicht. Bemühungen um eine Ausweitung des in Doha 
beschlossenen Mandats, eine ausgewogene Beteiligung von Männern und Frauen in 
den Konventionsverhandlungen und bei den Vertreter/innen der Vertragsparteien 
in den Konventionsorganen zu erreichen, stieß auf heftigen Widerstand seitens 
Saudi-Arabiens und fand bei vielen anderen Ländern nur sehr mäßige 
Unterstützung – trotz der international anerkannten Konventionen über die 
Gleichstellung der Geschlechter und der Rechte von Frauen als unveräußerliche 
Menschenrechte. Ein in Lima vereinbartes zweijähriges Arbeitsprogramm zur 
Förderung der Gleichstellung der Geschlechter und zur Erarbeitung eines 
geschlechtersensiblen Ansatzes in der Klimapolitik hat mangels eines klaren 
Bekenntnisses der Vertragsstaaten zu den Menschenrechten kaum Aussichten auf 
Erfolg. Auch andere Verhandlungsstränge, einschließlich der ADP, versäumten es, 
in die Beschluss-Texte von Lima ausdrückliche Verweise auf Menschenrechte sowie 
auf die Rechte von Frauen und indigenen Bevölkerungsgruppen aufzunehmen. 
Verweise dieser Art fehlen auch in den Textelementen, die das Gerüst für die 
Verhandlungen in Paris bilden. Es gibt nur wenige Länder, die bereit sind, für 
die Einbeziehung der Sprache der Menschenrechte ihre Stimme zu erheben und 
politisches Kapital zu investieren.

Wie geht es weiter?

Die ADP-Verhandlungen werden im Februar in Genf, im Juni in Bonn und vermutlich 
mindestens ein weiteres Mal vor Paris weitergeführt. Eine Sondierungsmission 
der UNFCCC wird das Angebot Marokkos untersuchen, die Vertragsstaatenkonferenz 
(COP 22) im Jahr 2016 auszurichten (eine Option, die vermutlich akzeptiert 
wird).

Aber nur wenige Menschen haben noch die Hoffnung, dass mit den UN-Konventionen 
wie der UNFCCC, dem Übereinkommen über die biologische Vielfalt (UNCBD) oder 
der Konvention zur Bekämpfung der Wüstenbildung (UNCCD) die Erderwärmung, der 
Verlust an Biodiversität und die Verringerung an landwirtschaftlich nutzbarem 
Boden und Wasser abzuwenden ist. Die Vereinten Nationen sind die Summe ihrer 
Mitgliedsstaaten und die Mitglieder verschiedener multilateraler 
Regierungsgruppen (wie G7, G20 oder BRICS) teilen die Haltung, dass sie nicht 
bereit sind, die fortschreitende Ressourcenverknappung einzudämmen. Ganz im 
Gegenteil: In ihrem Streben nach Ressourcensicherung untergraben sie sogar 
Menschenrechte sowie ökologische und soziale Standards, die im multilateralen 
UN-System vereinbart wurden.

Während der Multilateralismus in einer tiefen Krise steckt, steht der 
Pragmatismus hoch im Kurs, in Paris ein Abkommen auszuhandeln, wobei ehrgeizige 
Ziele beiseitegeschoben und die Vorherrschaft des kleinsten gemeinsamen Nenners 
schon so gut wie sicher ist. Leider ist jedoch selbst so ein pragmatisches 
Abkommen alles andere als sicher, weil der geopolitische und wirtschaftliche 
Hintergrund, vor dem die Verhandlungen stattfinden, immer komplizierter wird: 
Die Ukraine-Krise (die Europas Gaslieferungen aus Russland bedroht), das 
Schmelzen des arktischen Eises (was den Zugang zu neuen fossilen Ressourcen 
ermöglicht), die fortdauernde Wirtschaftskrise und Rezession in vielen Teilen 
der Welt sowie der enorme Preisanstieg bei Agrarprodukten sind nur einige der 
zentralen Faktoren, die die Regierungen daran erinnern, dass „sich über 
Ungewissheiten schlecht verhandeln lässt“ – weshalb auch das Ergebnis von Paris 
völlig ungewiss bleibt.


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<http://klima-der-gerechtigkeit.boellblog.org/2014/12/18/die-lima-lethargie/> 

 

 

 

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