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N A B U - P R E S S E D I E N S T  ----  NR. 54/12 ---- 21.5.2012 
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Umwelt/Naturschutz/Europa
NABU zieht Bilanz zum 20-jährigen Bestehen des europäischen
Schutzgebietsnetzes
Tschimpke: Natura 2000 darf nicht zum Papiertiger verkommen
 
Berlin – Mit einem hochrangig besetzten „Natura-2000-Gipfel“ hat der
NABU am heutigen Montag das 20-jährige Bestehen des europäischen
Schutzgebietsprogramms gefeiert. Das Programm, das mit Verabschiedung
der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH) der EU am 21. Mai 1992 in Kraft
trat, stellt heute fast ein Fünftel der EU-Landfläche unter Schutz, in
etwa die doppelte Fläche Deutschlands.
NABU-Präsident Olaf Tschimpke würdigte „die Weitsicht, mit der Europas
Regierungen vor zwei Jahrzehnten beschlossen haben, die wichtigsten
Naturschätze und einmalige Ökosysteme vor der Zerstörung zu sichern“.
Zugleich äußerte er seine Sorge darüber, das Netzwerk und sein Potenzial
könnten durch politische Kurzsicht verspielt werden. Fehlende Schutz-
und Managementmaßnahmen vor Ort sowie ein eklatanter Finanzmangel des
Programms, so Tschimpke, drohten das Netzwerk zum zahnlosen Papiertiger
zu machen.
Gerade in Deutschland, wo die Gesamtfläche der Schutzgebiete mit gut 15
Prozent weit unter dem EU-Durchschnitt von knapp zwanzig Prozent liegt,
fehlt es vielerorts an verbindlichen Schutzverordnungen und
Managementplänen. Zahlreiche Flächen sind durch unzulässige
Eingriffe, wie eine intensivierte Land- und Forstwirtschaft, bedroht.
Dies gilt in besonderem Maße für die Grünländer. Zur Gefährdung dieser
für den Natur- und Artenschutz unerlässlichen Flächen stellte der
NABU heute erste Ergebnisse einer Studie vor. Daten aus FFH-Gebieten in
Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz zeigen: Innerhalb von fünf Jahren
gingen in beiden Ländern durchschnittlich 36 Prozent Grünland verloren,
im FFH-Gebiet „Blumberger Pforte und Mittlere Wutach“ in
Baden-Württemberg sogar 76 Prozent. Die Gründe dafür liegen vor allem
in der Intensivierung, Beweidung und Umwandlung der Grünflächen in
Ackerland. Auch in Norddeutschlands Vogelschutzgebieten wurden ähnliche
Verluste registriert. So ist in Niedersachsen der Anteil an Grünland in
den EU-Vogelschutzgebieten in den vergangenen zwölf Jahren um 31 Prozent
gesunken. 
„Wiesen und Weiden sind als Lebensraum für Uferschnepfe, Bekassine,
Kiebitz und andere Wiesenbrüter unersetzlich, doch vielerorts werden sie
selbst innerhalb von Schutzgebieten in Äcker umgewandelt. So ist es
nicht verwunderlich, dass die dort lebenden Wiesenvögel immer seltener
werden“, erklärt Dr. Hermann Hötker, Leiter des für Vogelschutz
zuständigen Michael-Otto-Instituts im NABU. Hier seien vor allem die
Länder in der Pflicht, für den Erhalt der Grünländer zu sorgen. 
Von der Bunderegierung fordert der NABU, sich bei den derzeit laufenden
Haushaltsverhandlungen der EU für eine ausreichende Finanzierung des
Netzwerks stark zu machen. „Wer jetzt am Naturschutz spart, verursacht
durch die Umweltschäden ein Vielfaches an Folgekosten für die
öffentlichen Haushalte“, so Tschimpke. Die Europäische Kommission
schätzt, dass ein funktionsfähiges Netzwerk Umweltdienstleistungen
für Wirtschaft und Gesellschaft im Wert von 200 bis 300 Milliarden
Euro jährlich liefern kann und Millionen von Arbeitsplätzen stützt: bei
Kosten von nur etwa sechs Milliarden Euro. Drei Viertel dieses Bedarfs
könnten leicht durch die EU-Agrar-und Strukturfonds, sowie eine
Aufstockung des EU-Umweltfonds LIFE von derzeit 0,2 auf ein Prozent des
EU-Haushalts gedeckt werden. 
„Mit diesen kleinen Umschichtungen, die im Haushalt kaum spürbar wären,
könnte ein großer Effizienzgewinn für unsere Steuergelder erzielt
werden. Gerade im Agrarhaushalt der Europäischen Union müssen wir
endlich beginnen, für die Direktzahlungen a
n Landwirte auch
gesellschaftliche Leistungen einzufordern“, so der NABU-Präsident mit
Blick auf das Bundeslandwirtschaftsministerium, das bisher vor allem an
fragwürdigen Subventionen für die Agrarindustrie festhält.
Die ausführliche Studie zum Verlust von Grünland in deutschen
Schutzgebieten erscheint Ende Juni 2012. Grafische Darstellungen zu
Grünland-Verlusten sowie Fotos zu Grünlandumbruch und Wiesenbrütern
sind im Internet zu finden unter www.nabu.de/natura2000.
 
Für Rückfragen:
Dr. Hermann Hötker, Leiter Michael-Otto-Institut im NABU, mobil
0162-9098074
Konstantin Kreiser, NABU-Referent für internationale
Biodiversitätspolitik, mobil 0172-4179730
Claus Mayr, NABU-Direktor Europapolitik, mobil 0172-5966098
 
Im Internet zu finden unter www.NABU.de/naturagipfel (
http://www.nabu.de/naturagipfel ) 
 
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NABU-Pressestelle, Telefon: 0 30.28 49 84-1510, -1722, -1952
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Redaktion: Kathrin Klinkusch, Britta Hennigs, Iris Barthel
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