4. April 2016
Nr. 9/16

Reform der Tötungsdelikte: Gerechtere Urteile möglich
DAV: Chance auf einheitlichen Tötungstatbestand verpasst

Berlin (DAV). Der Deutsche Anwaltverein (DAV) stellt sich hinter die Pläne des 
Bundesjustizministeriums, die Strafvorschriften im Bereich der Tötungsdelikte 
zu reformieren. Um gerechtere Urteile zu finden, muss es auch Alternativen zur 
lebenslangen Freiheitsstrafe beim Mord geben. Nach Ansicht des DAV wird aber 
die Chance auf eine grundlegende Reform verpasst. Der DAV hatte bei seiner 
Initiative zu der Reform bereits 2014 einen einheitlichen Tötungsparagrafen 
vorgeschlagen.

"In Ausnahmefällen muss es Alternativen zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe 
geben", so Rechtsanwalt und Notar Ulrich Schellenberg, DAV-Präsident. Schon 
jetzt bemühten sich die Gerichte, in besonderen Einzelfällen eine lebenslange 
Freiheitsstrafe zu vermeiden, um ein gerechtes Urteil zu erzielen. Eine 
Abschaffung der lebenslangen Freiheitsstrafe würden die Pläne nicht vorsehen. 
Die in diese Richtung gehende Kritik an dem Reformvorschlag von 
Rechtspolitikern der CDU/CSU sei daher unbegründet. "Allerdings muss man sich 
von dem Dogma der zwingenden lebenslangen Freiheitsstrafe lösen", so der 
DAV-Präsident weiter.

Um unerwünschte Resultate zu vermeiden, würden  sich Gerichte in manchen Fällen 
kaum begründbar in die Annahme einer "verminderten Schuldfähigkeit" (§ 21 StGB) 
flüchten, die eine Reduzierung des Strafmaßes ermöglicht. Eine verminderte 
Schuldfähigkeit kann zum Beispiel angenommen werden, wenn beim Täter aufgrund 
einer seelischen Störung die sogenannte Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit 
erheblich vermindert ist. "Diese unwürdigen Prozeduren macht der jetzt 
vorliegende Vorschlag entbehrlich, indem er klare Rechtsgrundlagen dafür 
schafft, wie eine im Einzelfall ungerechte Verhängung lebenslanger 
Freiheitsstrafe bei Mordtaten verhindert werden kann", sagt Rechtsanwalt Prof. 
Dr. König, Vorsitzender des Strafrechtsausschusses des DAV.

Bislang sieht der Mordparagraf (§ 211 StGB) zwingend eine lebenslange 
Freiheitsstrafe vor. Nach den Plänen des Justizministers soll die lebenslange 
Freiheitsstrafe grundsätzlich bestehen bleiben. Nur in Ausnahmefällen soll 
künftig auch bei Mord eine Freiheitsstrafe von 5 Jahren oder mehr möglich sein. 
So zum Beispiel dann, wenn der Täter aus Verzweiflung handelt oder durch 
Misshandlungen durch die getötete Person zur Tat veranlasst wurde.

Hintergrund dieses Reformvorhabens sind Fälle, in welchen eine lebenslange 
Freiheitsstrafe nicht angemessen erscheint. Ein bekanntes Beispiel ist der 
"Haustyrannen-Mord": Eine über Jahre von ihrem Ehegatten misshandelte Frau 
tötet ihren gewalttätigen Mann im Schlaf, da sie  keine andere Möglichkeit 
sieht, sich der Übergriffe ihres Mannes zu entziehen. Das Gesetz sieht hierin 
das  Mordmerkmal der "Heimtücke" verwirklicht, so dass grundsätzlich die 
Verhängung der lebenslangen Freiheitsstrafe erfolgen müsste. Ein weiterer 
typischer Fall ist der des schwer kranken Rentners, der seine Ehefrau nach mehr 
als 60 Jahren Ehe aus Liebe tötet, indem er sie vergiftet. Der Mann kann es 
nicht ertragen, dass seine 85 Jahre alte Ehefrau, die unter Demenz leidet, nach 
seinem nahenden Tod alleine in einer Pflegestelle untergebracht werden soll. 
Auch hier liegt eine "heimtückische" Begehungsweise vor, die nach geltendem 
Recht zu lebenslanger Freiheitsstrafe führen muss, wenn keine Auswege gefunden 
werden, für die es derzeit an einer klaren gesetzlichen Grundlage fehlt.

DAV vermisst große Lösung bei dem Verhältnis von Mord und Totschlag

Neben der Strafzumessung will das Bundesjustizministerium auch die Mordmerkmale 
reformieren. Der DAV hält einen Verzicht auf Mordmerkmale für richtig und 
plädiert für einen einheitlichen Tötungstatbestand. Nach Ansicht des DAV lässt 
der Entwurf den politischen Willen vermissen, sich vom bestehenden Gesetz zu 
lösen und eine konsequente Reform durchzuführen. "Richtig wäre eine große 
Lösung in diesem Sinne. Die Beibehaltung von Mordmerkmalen desavouiert das 
Rechtsgut Leben, da zwischen verschiedenen, unterschiedlich strafwürdigen Arten 
des vorsätzlichen Tötens unterschieden wird", erläutert König die Bedenken.

Die geltende Rechtslage beruht auf einer Gesetzesfassung aus dem Jahre 1941. 
Wesentlicher Unterschied ist, dass Mord nicht mehr mit der Todesstrafe, sondern 
- zwingend - mit lebenslanger Freiheitsstrafe zu bestrafen ist. Das 
nationalsozialistische Gesetz von 1941 orientierte sich, 
nationalsozialistischer Ideologie folgend, an einem "Tätertyp". Das ist dem 
heutigen Strafrecht fremd. Es stellt auf die Strafbarkeit bestimmter Handlungen 
ab. Bundesjustizminister Maas hatte bereits zu Beginn seiner Amtszeit erklärt, 
diese Reste aus der Nazizeit aus dem Strafgesetzbuch entfernen zu wollen.


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Notar Ulrich Schellenberg, zur Verfügung.

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