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Parkplätze: Vergeudung von urbanem Raum

08. August 2018 

Eine bahnbrechende Untersuchung von 5 Städten in den USA stellt eine
luxuriöse Masse von Parkplätzen fest, die viele Ressourcen verschlingen

Florian Rötzer

Das Verkehrsproblem in Städten kennt jeder. Die Autos stehen fast den ganzen
Tag unbewegt auf Parkplätzen und fressen damit einen Großteil der
Verkehrsflächen des urbanen Raums. Diese sind aber in den Innenstädten zu
klein, weswegen ein guter Teil des Verkehrs, man spricht von etwa einem
Drittel, durch Parkplatzsuche verursacht wird, wodurch Lärm und
Luftbelastung entstehen und viel Benzin und Zeit verbraucht werden. Private
Parkplätze, Tiefgaragen und Parkhäuser können das Problem nicht lösen, zumal
es so zu sein scheint, dass ein größeres Angebot an Parkfläche - ebenso wie
an Straßen - das Verkehrsaufkommen erhöht.

Es ist nicht einfach abzuschätzen, wie viel Fläche der ruhende und der
bewegte Verkehr in einer Stadt benötigt. Man kann die Verkehrsfläche einer
Stadt mit der Zahl der Autos verbinden. Wenn man, wie das etwa auf ubeeqo.de
[1] gemacht wurde, von einem Durchschnittsauto, einem Mittelklassewagen mit
einer Länge von 4,25 Metern und einer Breite von 1,79 Metern ausgeht, dann
belegt jedes Fahrzeug 7,6 Quadratmeter Fläche. Dabei bleibt vieles
unberücksichtigt, etwa die tatsächliche durchschnittliche Größe der
Fahrzeuge, schließlich gehören auch LKWs, Busse, Lieferfahrzeuge etc. zum
Fahrzeugbestand einer Stadt. Es sind nicht alle in der Stadt angemeldeten
Fahrzeuge in dieser, dazu kommen die Fahrzeuge von privaten oder
geschäftlichen Besuchern. Und dann parken auch nicht alle Fahrzeuge auf
öffentlichen Flächen, sondern eben auch in Tiefgaragen oder auf privaten
Stellplätzen.

Nach dem Ansatz kommt München in Deutschland am schlechtesten weg. Mit einem
Auto auf 0,49 Einwohner dienen danach 12,5 Prozent der Verkehrsfläche oder
über 5,300 Quadratkilometer als Parkraum. Interessant ist, dass andere
Städte wie Karlsruhe mit einem Fünftel der Einwohner eine höhere Dichte an
Autos haben (ein Auto auf 0,85 Einwohner), aber diese "nur" 11 Prozent der
Verkehrsfläche beanspruchen. In Leipzig kommt ein Auto auf nur 0,39
Einwohner, weswegen der Platzverbrauch nur bei 5,74 Prozent liegt. In der
Fahrradstadt Münster gibt es zwar mehr Autos (ein Auto auf 0,45 Einwohner).
Aber der Platzverbrauch liegt nur bei 4,55 Prozent. Das verdankt sich
freilich weniger den Fahrrädern, sondern eher dem Umstand, dass die Fläche
im Verhältnis zu den Einwohnern größer ist, es also einfach mehr Platz gibt
als in einem dichteren urbanen Raum.

In kleinen US-Städten ist das Verhältnis von Parkraum und Wohndichte
mitunter grotesk

Eric Scharnhorst vom Research Institute for Housing America hat nun
untersucht [2], wie viel Platz das Parken in fünf amerikanischen Städten
beansprucht und mit welchen Kosten das verbunden ist. Interessant ist daran
auch, wie sehr sich vor allem Großstädte von kleineren Städten
unterscheiden. Scharnhorst hat die Situation in New York, Philadelphia,
Seattle, Des Moines und Jackson (Wyoming) anhand der Daten von
Satellitenbildern, der Statistikbehörde, der Grundsteuerämter, der
Verkehrsbehörden der Städte, Parkverwaltungen und Karten wie Google Maps für
eine Bestandsaufnahme der Parkflächen zu erfassen gesucht. Das beschränkt
sich auf Parkplätze an den Straßen, Oberflächenparkplätze neben den Straßen
und strukturierte Parkflächen, also als Parkplätze angelegte Räume auf der
Oberfläche oder Parkhäuser.

Auffällig ist, dass es in Städten, die kleiner sind, wesentlich mehr
Parkräume gibt als in großen Städten - und dass dies die Gemeinden sehr viel
mehr kostet. So hat Des Moines mit 215.000 Einwohnern stolze 30 Parkplätze
pro Acre (4043 Quadratmeter), das ist zwanzigmal mehr als die
Einwohnerdichte (1 Haushalt pro Acre). Anders gesagt: Auf einen Haushalt
kommen 20 Parkplätze. In New York beträgt die Einwohnerdichte 16,2 Haushalte
pro Acre, aber es gibt nur 10,1 Parkplätze pro Acre. In ganz New York gibt
es 1,85 Millionen Parkplätze (Tiefgaragen wurden nicht erfasst) für 8,7
Millionen Einwohner, in Des Moines hingegen 1,6 Millionen.

Wenig verwunderlich, dass in New York die öffentlichen Verkehrsmittel mehr
genutzt werden und auch mehr ausgebaut sind. Am absurdesten ist das
Verhältnis in der kleinsten Stadt, in Jackson mit etwas mehr als 10.000
Einwohnern, wo es auf einen Acre 53,8 Parkplätze und 2 Haushalte gibt. 37
Prozent der Fläche sind Parkraum, der aber großenteils leer steht. Seattle
hat mit etwas mehr als 700.000 Einwohnern eine Parkplatzdichte von 29,7 und
eine Haushaltsdichte von 5,2 pro Acre. Auch hier sind die vorhandenen
Parkplätze maximal zu zwei Dritteln genutzt.

Autos wird zu viel Platz eingeräumt, was die Städte teuer kommt

Scharnhorst hat berechnet, was ein Parkplatz pro Einwohner in den Städten
kostet. Für New York, der am dichtesten bevölkerten und größten Stadt, kommt
er gerade mal auf 6500 US-Dollar. Das hängt auch damit zusammen, dass die
Straßen die größten Parkflächen sind und billiger kommen, als wenn es mehr
Parkplätze und Parkhäuser gibt, wie das in Seattle oder Des Moines der Fall
ist. Je kleiner die Stadt, desto mehr kostet die Einwohner das Freihalten
der Parkplätze von anderer Nutzung, auch wenn das nicht linear zunimmt. Für
Seattle kommt Scharnhorst auf 117.000 US-Dollar, für die kleinste Stadt
Jackson auf gewaltige 192.000 US-Dollar.

Ergebnis der Untersuchung ist, dass Städte auf ihrer gesamten Fläche unnötig
dem Verkehr zu viel Raum als Parkplatz zur Verfügung stellen und
gleichzeitig viel zu viel Geld dafür ausgeben, vor allem für Parkhäuser,
zumal der Trend auch in den USA dahin geht, dass weniger Autos benutzt
werden und die Zahl der Autos pro Haushalt sinkt. Eines der Probleme liege
in der Stadtplanung. So werde bei jeder Baugenehmigung auch Parkplatz
verlangt, ohne dass die Städte den Bestand aller Parkplätze erfassen.

Scharnhorst spricht von einer "luxuriösen Masse von Parkplätzen", der mit
großen Ausgaben geschaffen wurde. In den 5 Städten entspricht der Wert nach
seiner Schätzung 81 Milliarden US-Dollar. In Zukunft sollten die Städte die
Möglichkeiten nutzen, nicht benötigten Parkplatzraum für andere Zwecke zu
verwenden, beispielsweise für eine Verdichtung der Bebauung, während
öffentliche Verkehrsmittel ausgebaut werden sollten.

Allerdings bleibe die Abschätzung ein komplexes Unterfangen, weil kaum
abzusehen ist, ob sich durch gesellschaftliche und technische Trends der
Parkplatzbedarf verändern wird. Sollten autonome Fahrzeuge in Massen kommen,
so ist noch keineswegs ausgemacht, ob das zu einem sinkenden
Verkehrsaufkommen und zu weniger Autos pro Haushalt führen wird. Zwar
könnten die Besitzer/Nutzer Zeit sparen, indem die Autos selbständig einen
Parkplatz suchen. Es sei auch nicht klar, ob das Zurverfügungstellen von zu
wenigen Parkplätzen besser ist als von zu vielen.

Der Urbanist Richard Florida, der den Begriff der kreativen Klasse geprägt
hat, fordert [3] angesichts der Ergebnisse der Studie: "Es ist an der Zeit,
dass wir unsere Städte von der Autounterbringung zurückfordern und den Raum
für das nutzen, was wir mehr benötigen, vom Wohnen über Fahrradwege bis zu
Straßencafés und Parks." Aber dann müssten die Menschen auch weniger Autos
besitzen und diese nutzen.

Links in diesem Artikel:

[1]
http://blog.ubeeqo.de/news/in-diesen-stdten-nehmen-autos-den-meisten-platz-w
eg 
[2]
https://www.mba.org/Documents/18806_Research_RIHA_Parking_Report%20(1).pdf 
[3]
https://www.citylab.com/transportation/2018/07/parking-has-eaten-american-ci
ties/565715/ 


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