NABU-PRESSEMITTEILUNG | NR 119/16 | 7. OKTOBER 2016
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Umwelt/Vögel
NABU: Amselsterben breitet sich aus 
Über 600 Verdachtsfälle in knapp zwei Wochen - NABU ruft Bevölkerung
weiter zur Mithilfe auf 
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Berlin – In Deutschland gibt es nach 2011 und 2012 wieder ein
Vogelsterben, das durch das von Stechmücken übertragene tropische
Usutu-Virus ausgelöst wird. Zahlreiche Meldungen toter Vögel und
Ergebnisse von Virenforschern bestätigen eine Ausweitung des
Ausbruchsgebiets. Vor allem Amseln sind betroffen. Vor zwei Wochen hatte
der NABU die Bevölkerung erneut um Mithilfe gebeten, erkrankte oder
verendete Vögel über ein Online-Formular zu melden
(www.nabu.de/usutu-melden ) oder Proben toter Tiere zur Untersuchung an
das Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNI) in Hamburg zu
senden. Seit dem 23. September wurden dem NABU 611 Usutu-Verdachtsfälle
aus Deutschland gemeldet – eine bemerkenswert große Zahl im Vergleich zu
etwa 400 Meldungen im Herbst 2011 bzw. 1040 Meldungen im gesamten
Ausbruchsjahr 2012. 
 
„Die größte Anzahl von Meldungen kranker und toter Amseln stammt
diesmal aus Nordrhein-Westfalen, insbesondere vom Niederrhein und aus
dem Raum Aachen. Zahlreiche Meldungen gingen auch aus dem bekannten
Ausbruchsgebiet der Jahre 2011 und 2012 ein, nämlich aus der Region
entlang des Rheins von Freiburg bis Köln. Hinzu kommen Meldungen
besonders aus dem Raum Leipzig und aus Berlin sowie aus dem Norden
Niedersachsens und aus Schleswig-Holstein“, sagte
NABU-Vogelschutzexperte Lars Lachmann.  Ein klareres Bild der
tatsächlichen Verbreitung des Usutu-Virus werde sich ergeben, sobald
die aktuell eingegangenen Meldungen überprüft wurden, ob es sich um am
Usutu-Virus oder aus anderen Gründen erkrankte oder verstorbene Vögel
handelt. „Häufig werden z.B. auffällige Gefiederveränderungen, wie kahle
Federstellen am Kopf lebender Amseln als Usutu-Fälle gemeldet. Nach
derzeitigem Wissen steht dieses Phänomen jedoch nicht im Zusammenhang
mit Usutu-Erkrankungen“, so Lachmann weiter. 
 
Über 20 verstorbene Amseln wurden bisher dem Aufruf des NABU folgend an
das Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNI) in Hamburg zur
Untersuchung geschickt. Insgesamt konnten das BNI und andere Labore
bereits in mindestens 21 Fällen den Verdacht auf einen Usutu-Befall
bestätigen. Es handelte sich neben 15 Amseln auch um sechs in
Gefangenschaft gehaltene Bartkäuze. Offensichtlich bestätigt sich die
Beobachtung aus den Ausbruchsjahren 2011 und 2012, dass neben Amseln
besonders Eulen von Usutu-Erkrankungen betroffen sind. Alle bestätigten
Fälle stammen wie die meisten Meldungen aus Nordrhein-Westfalen, aus dem
früheren Ausbruchsgebiet entlang des Rheins oder aus dem Raum Leipzig.
Auch für den Osten der Niederlande und den Süden Belgiens, direkt
angrenzend an die bisherigen Brennpunkte in Nordrhein-Westfalen, häuften
sich in den vergangenen Wochen Meldungen und Nachweise am Usutu-Virus
verstorbener Amseln. 
 
„Das vermehrte Auftreten von Usutu-Infektionen wurde in diesem Jahr
sicherlich durch den Witterungsverlauf begünstigt. Auf einen milden
Winter folgten ein feuchter Frühsommer und ein trockener und warmer
Spätsommer – ideale Bedingungen für Stechmücken“, so Lachmann. Die
derzeitigen Ausbruchsgebiete entsprächen weitgehend den Gebieten mit den
höchsten spätsommerlichen Tagestemperaturen in Deutschland. Das 2010
erstmals in Stechmücken in Deutschland festgestellte tropische
Usutu-Virus, löste 2011 und 2012 in Deutschland ein Massensterben unter
heimischen Vögeln, darunter vor allem Amseln, aus. Nach einigen Jahren
ohne größere Ausbrüche, tritt das Virus 2016 wieder vermehrt auf.
Bereits seit Ende Juli gingen Meldungen kranker und kurze Zeit später
verstorbener Amseln beim NABU ein. Ab dem 23. September rief der NABU
daraufhin zur Online-Meldung entsprechender Beobachtungen auf. 
 
Befallene Vögel wirken offensichtlich krank, werden apathisch und
flüchten nicht mehr und sterben meist innerhalb weniger Tage. Fast
immer sind es Amseln, bei denen diese Krankheit festgestellt wird,
weshalb die Usutu-Epidemie auch als „Amselsterben“ bekannt wurde.
Allerdings werden auch andere Vogelarten von diesem Virus befallen und
können daran sterben. Das Überwiegen der Amseln lässt sich zum Teil
durch deren Häufigkeit und Nähe zum Menschen erklären, was die
Wahrscheinlichkeit des Auffindens toter Amseln erhöht. Aber eine
besondere Empfindlichkeit dieser Art gegenüber dem Virus ist ebenfalls
möglich.
Über die Auswirkungen des neuerlichen Amselsterbens auf den Bestand
dieser Art im Ausbruchsgebiet kann zum derzeitigen Zeitpunkt nur
spekuliert werden. Die beim letzten Ausbruch lokal stark dezimierten
Bestände hatten sich in den vergangenen vier Jahren wieder langsam
erholt. Genauere Aussagen werden aufgrund der Ergebnisse der großen vom
NABU veranstalteten Gartenvogelzählungen möglich sein. Das Virus ist für
Menschen ungefährlich. In ganz Europa konnten bisher erst fünf
Infektionen beim Menschen festgestellt werden, meist bei Personen mit
vorgeschädigtem Immunsystem.
 
Der Ausbruch dieses für Deutschland neuen Virus stellt eine einmalige
Chance dar, die Ausbreitung und Folgen einer neuen Vogelkrankheit zu
verfolgen und zu analysieren. Der NABU arbeitet daher mit
Wissenschaftlern des BNI daran, die Ausbreitung des Virus und seine
Auswirkungen auf unsere Vogelwelt zu dokumentieren und zu verstehen, um
diese neuartige Gefährdungsursache von Vogelarten auch im Vergleich mit
anderen Gefährdungsursachen beurteilen zu können. Die wichtigste
Datengrundlage dazu bilden Meldungen toter und kranker Amseln aus der
Bevölkerung, sowie eingeschickte Proben toter Vögel, die auf das Virus
untersucht werden können. 
 
Hintergrund
Mit Hilfe einer Internet-Meldeaktion  konnte der NABU den Verlauf des
Ausbruchs 2011 gut dokumentieren und auswerten. Eine Auswertung der
Daten aus den großen wissenschaftlichen Mitmach-Aktionen des NABU
„Stunde der Wintervögel (www.stundederwintervoegel.de) und „Stunde
der Gartenvögel“ (www.stunde-der-gartenvoegel.de), konnte nachweisen,
dass die Amselbestände in den damals nachweislich vom Virus betroffenen
21 Landkreisen zwischen 2011 und 2012 merklich zurückgegangen sind und
somit bei einem bundesweiten Gesamtbestand von rund acht Millionen
Brutpaaren möglicherweise 300.000 Amseln dem Virus zum Opfer gefallen
sein könnten. 
 
Mehr Infos: www.nabu.de/usutu  
Kostenloses Pressefoto:
www.nabu.de/downloads/fotos/voegel/amsel_usutu.jpg  
 
Für Rückfragen:
Lars Lachmann, NABU-Vogelschutzexperte, Mobil: +49 (0)172.9108275,
E-Mail: lars.lachm...@nabu.de 
 
 
 
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