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n0name newsletter #123 Di., 22.01.2008 16:26 CET *Inhalt/Contents* 1. kleiner Fehler in der Tabelle Erinnerung des Zuges? 2. Nick. _Roman_ (Fortsetzungsroman) Teil 83 3. Rezension von Sabine Nuss. _Copyright & Copyriot_ 27 24 KB, ca. 8 DIN A4-Seiten ACHTUNG! Umlaute/Tippfehler ------------------------------------------------------------------------ 1. kleiner Fehler in der Tabelle Beim umstaendlichen Bau der Tabelle des Zugplans der Deportationen ins KL Auschwitz 1943 (die Lufthansa und die Nachfolge-Organisation der Reichsbahn, die DB waeren in diesem Zusammenhang zu nennen) in den ASCII-Stil, unterlief hier im n0name ein kleiner Fehler in der Zeile Frankfurt/Main/Sue (siehe unten). Die straffe Ordnung der Linie der Spalte war verrueckt. Der Wiederholung oder Nutzung von Namenslisten und Tabellen des Verbrechens kann man vorwerfen, sie wiederhole dabei auch die Methode und die Form der rein organisationstechnischen Abfolge von Daten mit keinerlei kritischem Bezug mehr zum damaligen Geschehen -- der Bezug wuerde sogar ausgetrieben durch die Ueberdeckung des Damaligen durch ein unzulaessiges Zitat. Die Liste als historisches Artefakt in der medialen Reproduktion steht unter dem Verdacht, die Verbindung von industriellem Plan, dem Mord und der Nachfolge mit seinen Konsequenzen ein weiteres Mal aufzuloesen. Der kleine Fehler im nachgemachten Schriftbild unterlaeuft das ungewollt. Dabei symbolisiert die Liste anbetrachts der Beinahe-Leugnung, zumindest Verdraengung ihrer historischen Verantwortung durch die Deutsche Bahn (frueher "Deutsche Bundesbahn"), scheinbar ein Erinnerungsstueck, ein Stueck Erinnerung. Gibt es eine Erinnerung des Zuges? Der Trailer[1] vom "Zug der Erinnerung" hortet aber mehr als mahnende Symbolisierung der Erinnerung an ermordete Kinder durch Nazideutschland, er arbeitet mit Dramakamera, Thrill und nachgestellten, nachvertonten Bildern. Damit will man geschichtliche Naehe herstellen, "aufruetteln". Die Mittel sind jedoch von denen geschichtsbilderverdrehender Spielfilme nur zu unterscheiden, weil sie im Kontext stehen eines Darstellungsversuchs der Entinnerung seitens des moralisch angegriffenen Unternehmens auf der ueberlieferten Seite der Taeter und der Erinnerung an die Opfer, "um [ihnen] ihre Gesichter wiederzugeben, ihre Wuerde." Das Pathos dieser Woerter deckt sich mit dem Pathos des Werbeclips. Wenn der Zug auch in den Bahnhof meiner Stadt kommt. Die Kette Erinnerung, Gedenken, Historie wird so eine zu befragende, relative, wenn das Gedenken die Historie zu ueberdecken droht (vgl. Enzo Traverso's "Gebrauchsanweisung fuer die Vergangenheit"). Wenn beim Auschwitzgedenktag die Schienen brennen und die Geraeusche einer einfahrenden Dampflok eingespielt werden. Die Tabelle kann als fast-getarnte DB-Reisebroschuere auch im Grossraumwagon Der Bahn verteilt werden, in die Identitaet des Unternehmens einsickern und so an die Tatsachen erinnern helfen. Erinnerung selber kann aber nur von den Besuchern des Zuges kommen, weil es diese nicht gespeichert gibt, sie nur als Vorgang (aktiv wie passiv) herstellbar und konsumierbar ist. Es gibt also eine Erinnerung im Zug. Und die koennte sich auch daran erinnern, dass es 2008 um "Arbeitsplaetze abbauen und die Fahrpreise erhoehen" ging. "Saarbruecken-Mannheim-Frankfurt Leipzig-Dresden ---> Auschwitz Zuglaufplan der Deportationen ab 1. November 1943 Deutsche Reichsbahn ------------------------------------------------------------------------ | Ab|Zug |Ueber An Ab Zug | An |Verkehrstage| |----------------+----------------------------------+-----+------------| |11.45|Viehwaggon|Saarbruecken 1.18 1.30 DA-901| |ab 1.11.1943| |-----+----------+----------------------------------+-----+------------| | | |Homburg 2.15 2.17 | | | |-----+----------+----------------------------------+-----+------------| | | |Kaiserslautern 3.02 3.15 | | | |-----+----------+----------------------------------+-----+------------| | | |Mannheim Hbf 5.05 5.35 | | | |-----+----------+----------------------------------+-----+------------| | | |Darmstadt | | | |-----+----------+----------------------------------+-----+------------| | | |Frankfurt/Main/Sue 7.24 7.46 | | | |-----+-------- -+----------------------------------+-----+------------| | | |Hanau | | | |-----+----------+----------------------------------+-----+------------| | | |Fulda 9.53 10.00 | | | |-----+----------+----------------------------------+-----+------------| | | |Burghaun 10.26 11.20 | | | |-----+----------+----------------------------------+-----+------------| | | |Fassdorf 12.00 | | | |-----+----------+----------------------------------+-----+------------| | | |Eisenach | | | |-----+----------+----------------------------------+-----+------------| | | |Gotha | | | usw." _____ [1] http://www.zug-der-erinnerung.de/trailer.html Xaver Schulz ------------------------------------------------------------------------ 2. Nick. _Roman_ (Fortsetzungsroman) Teil 83 Nach weiteren mehreren kleinen Katastrophen zogen Wolken auf. "Na und? NA UND?", dachte sich Roman, und zog sein neues, gruenes, schoenes neues, noch nach dem Parfuem des Verkauefers riechendes Romanzo 2008-Trikot an. Teil 84 im n0name newsletter #124 ------------------------------------------------------------------------ 3. Rezension von Sabine Nuss. _Copyright & Copyriot_ 27 Dass mit der neuen Copyright/Urheberechtsregelung[1] der "Informationsgesellschaft" i.d. BRD, die [Adornostyle!] eine einzige Verwertungsgesellschaft ist, nun Bibliotheken klagen, sie koennten nichts mehr einfach unbefragt elektronisch per Fernleihe unter sich verschicken und die Kopienbelieferung wuerde kostenpflichtig, und diese Bibliotheken nun ihre alte Zeitersparnis, die nichts anderes als geldwerte Zeit war, nun zurueckhaben wollen, ist ein Wust von Regressschritten in der Produktivkraft und Branchenkraemerei (die Branche heiszt hier Forschung und Lehre). Es geht eben nicht um Access, wie das www.urheberrechtsbuendnis.de aus Akademikern mit dem schwach leuchtenden "UrhG" im Logo sagt, d.h. Zugang zum globalen Wissen, sondern um den Punkt ... "3.4 Jenseits des Privateigentums oder: Die Suche nach dem revolutionären Subjekt" , die sich als nicht so einfach erweist: Das Phänomen der Freien Software in Abgrenzung zur Open Source wird wie erwähnt gerne und häufig als Beleg und Ausgangspunkt dafür genommen, dass offene und kooperative Wissensproduktion effizient sei und daher eine der mo-dernen Wissens- oder Informationsgesellschaft angemessene Produktionsweise darstelle. Diese Haltung wendet sich zwar gegen eine restriktive Eigentumssicherung in der Welt nicht-stofflicher Güter und argumentiert im Fall Freier Software sogar für den Verzicht auf eine ausschließende Aneignung. Allerdings macht sich dieses Argument damit in keiner Weise einer anti-kapitalistischen, gar kommunistischen Haltung verdächtig32, auch wenn dies von konservativer Seite immer mal wieder befürchtet wird.33 Davon abzugrenzen sind die mal mehr mal weniger explizit marxistisch verorteten Debatten, welche sich von Freier Software mehr erwarten. Darin fügen sich unter anderen die Postoperaisten ein. Sie verweisen im Kontext ihrer Thesen zur Dominanz immaterieller Arbeit auf Freie Software als Beispiel für neue, kooperative und selbstbestimmte Arbeitsformen (Atzert/Binger 2003) und messen ihnen damit einen emanzipatorischen Gehalt zu. Der Programmierer von Freier Software sei der klassische Vertreter des immateriellen Arbeiters, der zumindest potentiell das revolutionäre Subjekt verkörpert: „Die Qualifikationen der abhängig Arbeitenden, aus denen der Kapitalismus Wert schöpft, sollen ihnen gleichzeitig die Fähigkeit zur unabhängigen Kooperation außerhalb des Kommandos von Staat und Kapital ermöglichen" (Nowak 2000: 235). Negri/Hardt haben in ihrem Buch „Empire" das Konzept der Multitude entwi-ckelt, als ein Bassin oder Netz aller Subjekte (Vielheit, Menge), die durch ver-schiedenste Praxen dahin drängen, sich aus der kapitalistischen Welt-Vergesell-schaftung zu befreien (vgl. Negri/Hardt 2002). In ihrem folgenden Buch, welches den Begriff Multitude selbst zum Titel hat, haben sie die Freie Software Bewe-gung als eine der radikaleren Formen globaler Reformexperimente skizziert. Die Aktivisten der Freien Software, so lässt sich aus diesem Kontext schließen, versu- chen nach Negri/Hardt die destruktiven Formen politischer und ökonomischer _______________ 32 Dies gilt im übrigen auch für den Schöpfer der Creative Common License: „Lawrence Lessig is always very keen to disassociate himself and the Creative Commons from the (diabolical) insinuation that he is (God forbid!) anti-market, anti-capitalist, or com- munist" (Berry/Moss 2004: o. S.). 33 So verbindet eine FAZ-Autorin mit dem „Mißtrauen gegenüber Privateigentum" eine Bereitschaft zu „Enteignung und Sozialisierung" (Horn 2000: 13). 34 Auch das oben erwähnte Lizenzierungsprojekt „Creative Commons" wird von Negri/ Hardt als eines der innovativsten Projekte bezeichnet (Negri/Hardt 2004: 334). 107 Kontrolle abzuschaffen (Negri/Hardt 2004: 333 f.),34 durch die neuen Formen „immateriellen Eigentums" würde die Legitimität des Privateigentums, die auf Arbeit beruhe, herausgefordert. Es gelte nun innerhalb des Empires diese Tendenzen zu verstärken, um in der Hülle der alten Gesellschaft die neue zu bauen (Hardt 2003). Ausführlicher diskutiert die Gruppe Oekonux das nicht-kapitalistische Poten-tial Freier Software. „Oekonux" - eine Wortschöpfung kombiniert aus „Oekono-mie" und „GNU/Linux" - bezeichnet einen Diskussionszusammenhang, der im Juli 1999 auf der ersten „Wizards of OS-Konferenz"35 aus einem spontanen Tref-fen hervorgegangen ist. Bei den Oekonux-Aktivitäten steht die Leitfrage im Mit-telpunkt, „ob die Prinzipien der Entwicklung Freier Software eine neue Ökono- mie begründen können, die als Grundlage für eine neue Gesellschaft dienen,"36 kurz, ob die Prinzipien der Freien Software auf eine Gesellschaft jenseits von Kapitalismus verweisen. Im Prinzip ist Oekonux eine rein virtuelle Angelegen-heit, es wird zuvorderst in einer Mailingliste über das Internet diskutiert. Der Aktionsradius der Gruppe weitet sich aber darüber hinaus aus, so werden jährlich Konferenzen veranstaltet und regelmäßig Texte publiziert, von einzelnen Mitglie-dern der Mailingliste oder gemeinsam in einer kooperativen Textproduktion ganz im Sinne der Freien Software-Produktionsweise. Das Projekt Oekonux ist durchaus nicht homogen, und die Mitglieder kommen aus allen erdenklichen Betätigungs- feldern. Alle aber eint das Interesse an Freier Software und damit in Verbindung stehende oder davon abzuleitende gesellschaftspolitische Fragen. Oekonux lässt sich schematisch von der Freien Software Bewegung und von Open Source inso-fern abgrenzen, als die Diskussionen weit über Software hinausgehen und weitrei-chende soziale, politische und ökonomische Fragen - allerdings immer mit Be-zug zur Freien Software - stellen. Auch wenn die Heterogenität der Gruppe immer wieder betont wird, so gibt es doch einige prominente Thesen, die mit Oekonux in Verbindung gebracht werden, ohne dass damit gesagt wäre, dass alle in der Mailingliste eingeschriebenen Mitglieder diese Thesen teilen würden. Unter die-ser Maßgabe sollen im Folgenden einige für vorliegende Arbeit relevanten Grund-thesen von Oekonux skizziert werden. Auch bei Oekonux beziehen sich viele Teilnehmer auf die historische kapita-listische Entwicklungsstufe der Gegenwart als eine Informationsgesellschaft, in der das geistige Eigentum gegenüber dem materiellen Eigentum" Eine merkwuerdige material-materialistische Trennung. "an Wichtigkeit _______________ 35 Wizards of OS ist eine in Berlin regelmäßig stattfindende Konferenz, die sich „mit der entstehenden Wissensordnung digitaler Medien" beschäftigt. Der Fokus liegt dabei „auf dem Potential von PC und Internet, freie Kommunikation und offene Kooperation bei der Schaffung von Wissen zu ermöglichen", entnommen von: http://www.wizards-of-os.org 36 Siehe http://www.oekonux.de 108 gewonnen habe.37 Ganz allgemein habe demzufolge Eigentum im Kapitalismus die Funktion, Güter zu verknappen (Meretz 2000: 28). Eigentum habe zwar durchaus emanzipative Aspekte, so zum Beispiel die Freiheit, damit tun zu kön-nen, was man möchte (Merten 2002a: o. S.). In der bürgerlichen Gesellschaft aber werde es dazu eingesetzt, Knappheit zu erzeugen, was heutzutage besonders au-genfällig bei geistigem Eigentum würde. Eine emanzipatorische Vision nun müs-se dieses „Entfremdungspotential" von Eigentum überwinden (Merten 2002a: o. S.). Im Zentrum dieser Überwindung stehe daher Freie Software mit ihrem Ver-zicht auf private, ausschließende Aneignung, die ein Beispiel darstelle für ein „qualitativ neues Modell von Produktivkraftentwicklung" (Oekonux 2004: o. S.). Als solches sei Freie Software eine Form produktiven Handelns, die im Kern „nicht nur jenseits des Geldes und der Wertform, sondern auch jenseits des Tausches schlechthin gedeiht" (Oekonux 2003b: o. S.). Dass trotz aller Offenheit des Co-des bei Freier Software, das heißt, trotz Verzichts auf exkludierende Aneignung, dennoch ein sogar hoher Arbeitsanreiz bei den Produzenten besteht, wird in die-ser Lesart gerade auf die spezifischen Produktionsbedingungen zurückgeführt: Die Art und Weise, wie Freie Software entwickelt wird, sei eine im Gegensatz zur ka-pitalistisch organisierten Lohnarbeit nicht entfremdete Arbeit. Die Abwesenheit von Zwang (frei von Verwertungszwang, von Konkurrenzdruck, von Leistungs- und Termindruck usw.) führe zu individueller Selbstentfaltung: Spaß und Lust an der Tätigkeit und das Interesse an der Nützlichkeit des Produkts (nicht am Tausch-wert) seien der treibende Motor der (häufig unbezahlten) Programmierer von Freier Software (Meretz 2000: 9). Zu einer der umstrittenen Thesen in der Oekonuxliste gehört die Frage, ob Freie Software bereits die Keim-Form einer künftigen, nicht kapitalistischen Ge-sellschaft sei. Dem liegt zum einen das emanzipatorische Potential zugrunde (Selbst-entfaltung), zum anderen aber auch das systemsprengende Potential: „Indem Freie Software künstliche Knappheit beseitigt, unterläuft sie das System der Wert- schöpfung, ohne die der Kapitalismus nicht funktionieren kann" (Oekonux 2003a:" Verschenkt der Baecker die Broetchen -- und dieses emanzipatorische Potential muesste gesamtgesellschaftlich auch gegenueber 'materiellem Eigentum' gelten -- ist die Wertschoepfung aufgehoben; etwa weil alle anderen Baecker ebenfalls ihre Broetchen verschenken, und der Mueller (die Mehlfarbik) sein Mehl, so wie der Bauer sein Getreide und die Traktorfabrik die Traktoren und der Oelkonzern den Diesel und der Arbeiter auf der Oelplattform seine Arbeit, weil er die Broetchen ja geschenkt bekommt. _______________ "37 So zumindest Stefan Merten, einer der Protagonisten des Oekonux-Projekts. Er schreibt ganz ähnlich wie Rifkin: „Betrachten wir die technische Seite der Entwicklung der Produktivkräfte, so lässt sich feststellen, dass die Bedeutung von Information immer stärker steigt. (..) Konsequenterweise verschiebt sich auch der Fokus bei den Eigentums-verhältnissen. Dabei verliert das Eigentum an materiellen Produktionsmitteln zuneh-mend an Bedeutung. Dies wird zum Beispiel im Franchising sichtbar, bei dem nicht mehr konkrete Produktionsmittel im Vordergrund stehen, sondern nur noch Marken verkauft werden. Das Eigentum an Informationsgütern - und dies bedeutet hier nur noch die Möglichkeit der Verknappung - bzw. Informationswaren wird dagegen immer wichtiger" (Merten 2002a: o. S.). 109 o. S.), und: „Ist diese Technik an sich schon revolutionär genug, (...) so hat die digitale Kopie in Verbindung mit Freier Software und deren Selbstentfaltung erst wirklich systemsprengendes Potential" (Merten 2002b: o. S.). Konkret wird schließ-lich mit der These von Freier Software als „Keim-Form" gesagt, dass sich diese Produktionsweise weiter ausbreiten würde und langfristig die kapitalistische Ge-sellschaftsform verdrängen könne. Wie genau diese Überführung aussehen könn-te, ist nach Ansicht von Oekonux „im Detail nicht seriös zu beantworten" (Oekonux 2003a: o. S.). Angestrebt ist eine sogenannte GPL-Gesellschaft38 (Oekonux 2003b: o. S.), welche sich auszeichnet durch „Wertfreiheit, Selbst-entfaltung, Selbstorganisation und Globalität" (Oekonux 2002: o. S.). In einer GPL-Gesellschaft würde genommen was gebraucht wird und nicht gegen Geld getauscht. Die Produktionsmittel müssten „Selbstentfaltung auf breiter Basis" ermöglichen, es müsse Spaß machen, an diesen Produktionsmitteln tätig zu sein. Es gäbe keine Arbeit mehr im herkömmlichen Sinne, es würde nicht mehr für einen Markt produziert werden, sondern aus „konkreten, menschenbezogenen Gründen" (Merten 2002b: o. S.). Die Hoffnung, die mit der Freien Software als mögliches Fenster raus aus der kapitalistischen Gesellschaft verknüpft wird, fin-det auch darin ihren Ausdruck, dass andere „freie" Projekte aufgezählt werden. Es wird verwiesen auf im Internet existierende Projekte wie „Freie Kochrezepte, Freie Literatur, Freie Enzyklopädien, Freie Musik" (Merten 2002b), aber auch auf „freie materielle Güter" wie die Planung eines Autos über das Internet oder die Ent-wicklung elektronischer Schaltungen - hier wird noch angemerkt, dass die Reali-sierung dieser Pläne eine kommerzielle Firma übernehmen könne, wobei ihr Vorteil darin liege, dass sie die Kosten für Entwicklung nicht selbst tragen müsse (sic!). Außerdem seien Entwicklungen zu beobachten, in denen Firmen ihre normalerweise streng gehüteten Designs „beFreien", um von den Vorteilen „Freier Entwicklungs-prozesse" zu profitieren. Faszinierend an der „Keimform-These" scheint der Ge-danke zu sein, dass man eine grundlegende gesellschaftliche Veränderung errei-chen kann, indem man das Neue bereits praktiziert. Dabei hat man dann vielleicht mit einigen Widerständen zu tun, das Terrain des Neuen, so die Überzeugung, wird sich aber allein schon deshalb ausdehnen, weil es „effektiv besser" als das Alte ist.39 _______________ 38 In Anlehnung an die General Public License für Freie Software (siehe Kapitel 2). 39 „Keine neue Gesellschaft taucht aus dem Nichts auf und steht am nächsten Morgen vor der Tür. Keine neue Gesellschaft löst die alte ohne Widerstand ab. Zunächst ent-wickeln sich Keime des Neuen in den Nischen des Alten. Schließlich wird das Neue so mächtig, dass die Verwalter des Alten Konzessionen machen müssen und das Neue gleichzeitig bekämpfen und verhindern wollen. Das Neue wird sich dann durchsetzen, wenn es effektiv besser ist als das Alte. Dabei ist es klüger, nicht auf dem ureigenen 110 Das Projekt Oekonux steht zwar außerhalb des Mainstreams, dennoch strah-len einige Thesen durchaus aus. So schreibt ein Autor in der Wochenzeitschrift „Freitag", dass es Zeit sei, eine Debatte über konkrete Utopien zu führen und greift im gleichen Atemzug den Begriff der Keimform auf: „Nicht nur gedankliche Konstruktionen sind willkommen, sondern auch Beiträge über beispielhafte Projekte und Unternehmen. Wo sind die Keime und auf welchem Boden könnten sie wachsen? Schon Hegel hatte die Aufgabe formuliert: Das Herzeigen einer Eichel und das Aufsagen des Wortes Baum reicht nicht. Wir wollen auch wissen, wie die-ser aus jener wird" (Thie 2004: 5). Auch Andre Gorz schickte zur letzten Oekonux-Konferenz ein entsprechendes Geleitwort: „Die Frage stellt sich hier ganz konkret: Wie lassen sich die Prinzipien einer freien Pro-duktionsweise praktisch auf andere oder gar sämtliche gesellschaftlichen Tätigkeitsberei-che ausdehnen? In einer Zeit größter Krisenanfälligkeit ist die Frage von besonderer Be- deutung. Die Keime einer Antwort könnten in „argentinischen" Umständen in relativ kurzer Zeit Wurzeln schlagen" (Gorz 2004a: o. S.; vgl. vor allem Gorz 2004b)." Warum Taetigkeits_bereiche_ und wieso "ausdehnen"? Gibt es denn Bereiche gesellschaftlicher Taetigkeiten, auf die sich wie eine sich entwickelnde (!) Pflanze ein Prinzip ausweitet? "Abgesehen von der hier zuletzt geschilderten Minderheitenposition, die in Freier Software eine systemsprengende, subversive Praxis sieht bzw. eine Keimform, die das Potential hat, den Kapitalismus zu überwinden, werden in sonst allen Positi-onen bzw. Argumentationsfiguren in der Debatte um digitales Eigentum einzelne Annahmen zur Funktion, zum Nutzen und zum Sinn von Eigentum formuliert, in der Regel jedoch ohne explizit eine Analyse von Eigentum als solchem zugrunde zu legen, bzw. zu diskutieren. Das heißt jedoch nicht, dass nicht implizit eigentums-theoretische Paradigmen die Grundlage dieser verschiedenen Argumentations-figuren bilden würden. Besonders in der Position für eine restriktive Sicherung der Eigentumsrechte im Internet zeigt sich der zugrunde liegende theoretische Ansatz, das heißt Annahmen über den Zusammenhang von Arbeit, Eigentum und Produktivität, recht deutlich. Hier wird davon ausgegangen, dass die Siche-rung der Eigentumsrechte Anreize für Produktivität schafft und damit Wirtschafts-wachstum erzeugt. Die dem entgegengesetzte Position vertritt nun zwar die An-sicht, dass auch ohne private Eigentumssicherung Arbeitsanreize geschaffen wer-den können. Hier werden dann allerdings entweder alternative Verwertungsmodelle vorgeschlagen, in welchen die digitalen Güter selbst zwar „frei" sein können, die Kreativen aber über andere Dienstleistungen kompensiert werden müssen oder aber es wird beispielsweise mit dem Instrument der digitalen Privatkopie eine niedrigschwellige Zugangsschranke präferiert. Mitunter formulieren auch die Ver- _______________________________________________________________________ Terrain des Alten zu kämpfen, sondern die Spielregeln zu ändern und sich auf neuem Terrain zu behaupten. Für solch ein Modell steht Linux und die Freie Software" (Meretz 2000: 27, Herv. d. Verf.). 111" _____ [1] http://www.bgblportal.de/BGBL/bgbl1f/bgbl107s2513.pdf , Dank an die bkademie fuer den Hinweis. Ali Emas/Matze Schmidt Auf dieses OCR wie immer keine Gewaehr. Sabine Nuss. _Copyright & Copyriot: Aneignungskonflikte um geistiges Eigentum im informationellen Kapitalismus_. Muenster: Westfaelisches Dampfboot, 2006. 269 S. - EURO 19,90. Erschienen: Oktober 2006 Volltext-Archiv aller im Buch verwendeten elektronischen Quellen (ca. 20 MB): http://wbk.in-berlin.de/wp_nuss/wp-content/uploads/2007/01/ lit_linksklein.pdf ------------------------------------------------------------------------ Im n0name newsletter #124 "Die rote Rote Zora", "Directory's" und "Nick. _Roman_ Teil 84" ! ======================================================================== Sie erhalten den n0name newsletter, weil sie da sind!/You get the n0name newsletter, because you are there! *Bitte weiterleiten!/Please forward!* (c) 1999-2008 n0name, die Autorinnen & Autoren und die Maschinen Unterstuetzt von XPECT MEDIA http://www.xpect-media.de Sponsored by FONDS Dank an >top e.V. ------------------- Ende des n0name newsletter #123 -------------------- -- Psssst! Schon vom neuen GMX MultiMessenger gehört? Der kann`s mit allen: http://www.gmx.net/de/go/multimessenger
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