Im Porträt: Aleksandar Vučić Der Gewandelte 

Serbiens designierter Ministerpräsident Aleksandar Vučić hat mit seiner 
„Fortschrittspartei“ nun so viel Macht in Belgrad wie vor ihm nur Slobodan 
Milošević. Er selbst war einst ein chauvinistischer Kriegstreiber, sein Wandel 
aber ist glaubhaft. 

19.03.2014, von  <http://www.faz.net/redaktion/michael-martens-11104332.html> 
Michael Martens 

 

© dpa  
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 Serbiens neuer starker Mann: Aleksandar Vučić 

Aleksandar Vučić spricht fast immer leise und beherrscht. Wer ihn partout aus 
der Fassung bringen möchte, frage ihn, ob er sich noch an jenen großen 
Fußballabend im Mai 1991 erinnere, als Partizan Belgrad, das im Halbfinale 
Bayern München besiegt hatte, in der Endrunde des Europapokals der 
Landesmeister durch ein 5:3 über Olympique Marseille die wichtigste Trophäe des 
europäischen Vereinsfußballs gewann.

Vučić, der blutdrucksenkende Medikamente nimmt, wird dann mit nur mühsam 
eingehegter Entrüstung entgegnen, dass 1991 keineswegs Partizan, sondern Roter 
Stern Belgrad den Landesmeisterpokal (und danach den Weltpokal) gewann. Eine 
Verwechslung der beiden Belgrader Hauptstadtklubs, ob echt oder gespielt, 
findet Vučić gar nicht witzig. Serbiens mächtigster Politiker ist nämlich seit 
früher Jugend Anhänger vom Roten Stern, was eine Komplementärabneigung gegen 
Partizan einschließt.

Vučić, der mit seiner „Fortschrittspartei“ bei Serbiens Parlamentswahl am 
Sonntag die absolute Mehrheit der Mandate gewann und nun in Belgrad so viel 
Macht hat wie vor ihm nur Slobodan Milošević (und noch davor Tito, aber das war 
zu anderen Zeiten in einem anderen Staat), fischte im Umfeld vom Roten Stern 
einst in trüben Gewässern.


Einst ein radikaler Kriegstreiber


Geboren 1970 in Belgrad und aufgewachsen im Vorort Zemun (das einst als Semlin 
den südlichsten Endpunkt des österreichisch-ungarischen Eisenbahnnetzes 
bildete), war er als Jugendlicher aktiv in der radikalen Fanszene des Vereins, 
aus der auch die Freischärlerbanden des serbischen Ultranationalisten Vojislav 
Šešelj, derzeit wohnhaft im Untersuchungsgefängnis des 
Kriegsverbrechertribunals in Den Haag, Nachwuchs rekrutierten.

Vučić schloss sich Šešeljs „Serbischer Radikaler Partei“ an, einer 
chauvinistischen Kriegstreiberbewegung, die für alles Üble stand, mit dem der 
serbische Ultranationalismus zu Recht in Verbindung gebracht wurde. Er machte 
Karriere in der Partei, wurde im Alter von 24 Jahren ihr Generalsekretär und 
später in einer Kriegskoalition zwischen Milošević und Šešelj Presseminister.


Irrtümer eingestanden


So weit, so schlecht. Vučić hat aber in den vergangenen Jahren einen Wandel 
durchlaufen, der glaubhaft wirkt. In einem Gespräch mit der Frankfurter 
Allgemeinen Zeitung sagte er im Januar: „Ich schäme mich nicht dafür zu sagen: 
Ich habe mich geirrt. Ich lag falsch. Ich war im Unrecht. Auch wenn es nicht 
leicht ist, gebe ich meine Irrtümer zu.“

Das sind nur Worte, doch Vučić untermauert sie unter anderem durch einen 
entschlossenen Kampf gegen die Korruption. Vučić schätzt gutes Essen, ist 
Kenner und Sammler exzellenter Weine und interessiert sich für Geographie. Man 
frage ihn nach jeder beliebigen Hauptstadt eines Staates in Afrika oder Asien 
oder nach dem Regierungssitz eines amerikanischen Bundesstaates, Vučić weiß die 
Antwort. Er weiß sogar, wo Virovitica, Karlovac und Karlobag liegen, jene 
kroatischen Provinzstädte, die er einst einem Großserbien einverleiben wollte, 
um Kroatien auf einen Rumpfstaat von Zagreb und Umgebung zu reduzieren. Diese 
Zeiten seien aber vorbei, versichert Vučić.

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