Re: [Wikimediach-l] Copyright vs. Internet
Hallo, hier mein kurzer und subjektiver Bericht von der Tagung Copyright vs. Internet vom Freitag, 12. 4. 2013 in Bern. Die Tagung fand in einem Gebäudekomplex in der Nähe vom Gütebahnhof statt, es wurden zwei Säle im 1 und 4 Stock genutzt. Eintritt und Verpflegung war frei. Es haben ca. 145 Personen teilgenommen. Davon kamen geschätzte 85% von den fünf Verwertungsgesellschaften sowie Organisationen und Verbänden, welche ein ökonomisches Interesse an einer Aufrechterhaltung und am Ausbau der finanziellen Aspekte des Urheberrechtes hatten. Zu Beginn Bezug der obligaten Namens-Kleber, individuelle Begrüssungen und Kaffee. Dann Platz nehmen im Kreis. Die Stühle waren in Sektoren unterteilt in vier Reihen um ein Blumenbouquet mit farbigen Stoffen und reichlich Texttafeln angeordnet. Es folge offizielle Begrüssung, Erklärungen oder eine Entschuldigung (mit Hinweis auf die zahlreichen Anmeldungen) zum provozierenden Titel und Einführung in die geplante Arbeitsmethode Wisdom Council. Mehrfach wurden die Anwesenden aufgefordert, den Mind zu öffnen und gewohnte Denkstrukturen sowie Positionen hinter sich zu lassen. Für mich, der ich nach Studium der Telnehmerliste und trotz spürbarer Reduktion meiner Kräfte infolge einer hartnäckigen Grippe sicherheitshalber mit Kettenhemd und Zweihänder sowie dem festen Willen, den guten Geistern Raum zu geben, anreiste; eine frohe Botschaft. Hier einige Infos zum Wisdom Council als gruppendynamische Methode: http://www.walkyourtalk.at/das-wisdom-council-8-perspektiven-zur-ganzheitlichen-problemloesung/leadership/ Dann folgte eine Vorstellungsrunde mit rotierendem Mikrofon. Ein erstaunlich effizientes Unterfangen. Jeder nannte Name und die Organisationen, die er vertritt. In der Folge wurde ich von einigen alten Bekannten (mit besserem Gedächtnis) angesprochen. Darunter der Produzent Lionel Baldenweg http://www.linkedin.com/pub/lionel-vincent-baldenweg/5/9a/869 und ein Schriftsteller und Facebook Freund Stefan Keller (Vizepräsident ProLitters), mit dem ich mich hin und wieder über Urheberrechte fetze. Befund: 1 Pirat, 2 Wikipedia, Christian Laux, 4 Google Leute, etliche Rechtsanwälte und Berater, Produzenten, einige TV und Medienlaute, Bundesbeamte diverser Abteilungen und eine grosse Menge an Leuten aus den Verwertungsgesellschaften. Von der Direktion bis zur Rechts- und IT-Abteilung. Es sassen da eine Menge gebildete Leute mit Affinität zur Kultur, ein erfreulicher Anblick, wenn auch etwas getrübt durch die Tatsache, dass es den Meisten um die Verteidigung bedrohter Pfründe ging. Ich sass im ersten Kreis, neben Hans Läubli, dem Geschäftsleiter von Suisseculture. In einer Pause fragte ich ihn, ob er es begrüssen würde, wenn von Seiten der digitalen Allmend ein Beitrittsgesuch in seine Organisation gestellt wird. Er sagte, dass es sich das vorstellen könnte und dass er gut sei im Streiten (was keiner der ihn kennt bezweifeln würde). Der Moderator - oder sollte man sagen Zeremonienmeister (ein sensibler Typ, dessen Namen mir entfallen ist) hatte einen harten Arbeitstag vor sich: Diesen kritischen Haufen zu Konstruktiver Arbeit bewegen… Nach der Einführung wurden sich ca. 12 Diskussionsrunden zu verschiedenen Themen gebildet, wobei man zirkulieren konnte. Die Gespräche waren meist konstruktiv und erstaunlich offen. Es gab (soweit ich das mitbekommen habe) kaum Positionskämpfe. Scheinbar begann der vom Moderator anstrengend (mit Lächeln) herbeibeschworene positive Indianerzauber zu wirken. Meine Anliegen fanden Raum und wurden in der Gruppe offen diskutiert: - Gefahr für das freie Internet durch Verjuristerei und den Versuch, untaugliche Geschäftsmodelle auszurollen (bis hin zum Abmahn-Wahn) - das Problem der für das Internet untauglichen Werk-Definition - Mangelnde Transparenz der Berechnungsgrundlagen der Verwertungsgesellschaften - keine Hemmnisse und Quersubventionierung für freie Werke Als interessant hat sich die Diskussion um den Werkbegriff erwiesen. Hier die Definition: http://www.admin.ch/ch/d/sr/231_1/a2.html Dabei wurde deutlich, dass der Werkbegriff sehr undeutlich ist. Zitat: Ebenfalls geschützt sind Entwürfe, Titel und Teile von Werken, sofern es sich um geistige Schöpfungen mit individuellem Charakter handelt. -Teile von Werken- Was ist ein Werk und wie klein sind den solche geschützten Teile? Halten wir uns vor Augen: Die Weltbevölkerung umfasste beim Jahreswechsel 2012/13 rund 7,1 Milliarden Menschen, wovon in absehbarer Zeit ca. 50% Zugang zum Internet haben oder bald haben werden. http://de.wikipedia.org/wiki/Weltbevölkerung Das aktuelle Urheberrecht garantiert nun einen verfassungsmässigen Schutz kreativer Werke oder Teile davon bis 70 Jahre nach dem Tod des Kreativen. Suchmaschinen wiederum durchdringen diesen globalen Raum der undefinierten und nicht registrierten Werke und machen sowohl gesamte Werke wie deren Teile anhand von Patterns (komprimierten Codes zur Wiedererkennung von Werken
Re: [Wikimediach-l] Copyright vs. Internet
Hallo Emmanuel, das sehe ich auch so wie Du. Im Kern ist das heutige Urheberrecht ein unhaltbares Konstrukt. Leider sind mit diesem Konstrukt viele finanziellen Interessen verbunden und Existenzen sind davon abhängig. Am Freitag werden wir an einer Veranstaltung teilnehmen, welche nur Pro Forma offen ist für Diskussionen. Im Kern geht es darum, den Politikern Dampf zu machen, für eine Verschärfung des Urheberrechtes, der Kontrollmechanismen und der Strafen. Wir werden also auf eine rege Lobby treffen, denen das Internet gerade mal gut genug ist, als Basis für ihr (im Wesentlichen auf Pauschalabgaben abgestütztes) Geschäftsmodell. Das das Internet gerade durch die Andersartigkeit einen grossen Entwicklungsschub gebracht hat, interessiert diese Kreise wenig. Ich erlaube mir hier einen Vergleich: als das Telefonsystem eingeführt wurde, war jedem klar, dass der Anrufende die Kosten zu tragen hat. Die Kosten für sein Gerät (welches Senden und Empfangen kann) und den Netz-Anschluss. Man konnte anrufen und wenn jemand antwortete, war das gelieferte Wort frei. Dann haben sich Bezahldienste etabliert, man wusste nicht mehr, ob bei Annahme des Anrufes von der Gegenseite Geldforderungen (welche mit der Telefonrechnung erhoben wurden) fällig wurden. Mit diesen Forderungen wurde in der Folge Missbrauch getrieben, bis der Staat sich berufen fühlte, den Adressierraum zu trennen, so dass anhand der Telefonnummer 0900 ersichtlich ist, ob mit Annahme des Gespräches Forderungen fällig werden. Aus meiner Sicht wäre es sinnvoll, wenn der Staat nun Massnahmen zum Schutz des Internet ergreifen würde. Denn die immer lauter werdenden Ansprüche beginnen das freie Internet zu zerstören. Bemerkenswert ist dabei, dass diese Forderungen mit grösster Selbstverständlichkeit Huckepack auf dem nach wie vor von freien Inhalten geprägten Netzwerk erhoben werden. Das schlimmste, was diesem fragwürdigen Geschäftsmodell passieren könnte, ist eine Trennung von freien und Kommerziellen Inhalten. Viel eher ist diese Lobby bereit, Infrastruktur zur lückenlosen Überwachung einzuführen. Dass sie dabei letztendlich mit fragwürdigen Geheimdiensten zusammenspannen ist ihnen nicht bewusst oder interessiert sie angesichts ihrer finanziellen Interessen kaum. Am Freitag wird es darum gehen, dass unsere Stimme auch gehört wird. Es geht leider heut viel eher um die Verteidigung des Internet, wie wir es kennen, als um das Anbringen von Vorschlägen zum weiteren Ausbau in unserem Sinne. Aus diesem Grunde tendieren die aufgeführten Punkte in Richtung in die Verantwortung nehmen der Verwertungsgesellschaften. Diese behaupten zum Beispiel, ihre Berechnungen zum Erheben der Pauschalabgaben beruhten auf wissenschaftlich erhobenem Zahlenmaterial. Auf Nachfrage ist dann zu erfahren, dass dieses Material nicht publiziert wird, da sie es selbst bezahlt haben... Eine bemerkenswerte Interpretation von Wissenschaftlichkeit! Kurzum: kein Externer hat Einsicht in die Zahlen. Dabei ist es von Interesse ob und ggf. in welchem Umfang auch für freie Inhalte wie Wikipedia und Commons Abgaben eingefordert werden. Das sind unhaltbare Zustände, welche nur durch Einfordern von Transparenz geändert werden können. Ich hoffe, dass dabei auch einigen Politikerinnen und Politiken bewusst wird, dass da einiges im Argen liegt und dringender Handlungsbedarf geboten ist. Ich bin der Überzeugung, dass wir auf zwei Ebenen vorgehen sollten: - Bewusstseinsarbeit über das grundlegende Problem mit geistigem Eigentum - konstruktive Vorschläge zur schrittweisen Verbesserung Herzlicher Gruss, Bruno PS: Von Amerikanischer Seite wird zur Zeit massiv Druck auf die Schweiz aufgebaut, unser im Vergleich zu EU und USA liberale Urheberrecht zu verschärfen und neue Strafnormen einzuführen. b.je...@bjinstitute.org / www.bjinstitute.org Am 10.04.2013 um 19:56 schrieb Emmanuel Engelhart emmanuel.engelh...@wikimedia.ch: Hallo Bruno Danke für dieses Email, ich unterstütze alle Punkte. Meiner Ergenzung: globaler und radikaler... Urheberrechte sind ziemlich in-adaptiert zu der heutigen Situation. Man kann nicht weiter Etwas wie kopieren, direkt verbieten/versteuern dass so einfach wie atmen ist. Nicht-kommerziell austauschen müssen erlaubt werden (mit allen Inhalten). Alle, auch du und ich, sollten auch eine Chance haben für ihre Kreationen Geld zu bekommen - auf den einfachsten Weg. Ein von den Challenges der Verwertungsgesellschaften ist Systemen für so eine Zukunft zu nachdenken. Modellen wie https://flattr.com/ sollen diskutiert und inspirierend sein. Ich bin überzeugt dass ohne eine Reform der Urheberrechte können die Verwertungsgesellschaften einfach nicht ihre Arbeit richtig leisten - auch mit der besten Willen. Bis Freitag Gruß Emmanuel Le 07/04/2013 13:27, boje a écrit : Hallo, am kommenden Freitag findet die Veranstaltung der Verwertungsgesellschaften mit dem merkwürdigen Titel: Copyright vs. Internet statt.
[Wikimediach-l] Copyright vs. Internet
Hallo, am kommenden Freitag findet die Veranstaltung der Verwertungsgesellschaften mit dem merkwürdigen Titel: Copyright vs. Internet statt. Ein Stelldichein all derjenigen, welche an einer Ausweitung und Verschärfung der Urheberrechte und weiterer Schutzrechte interessiert sind. Solche Forderungen werden wesentliche Auswirkungen auf die Gesetzgebung und das Internet haben. http://www.swisscopyright.ch/fileadmin/user_upload/news/Publikationen/copyright_vs._internet/COPYRIGHT_VS_INTERNET-GERMAN-FINAL-FOR-PRINT.pdf Von Wikimedia Schweiz und der digitalen Allmend sind gemäss Teilnehmerliste bisher Emmanuel Engelhart und Bruno Jehle angemeldet. Um Euch bei den zu erwartenden und in diesem Umfeld wohl schwierigen Diskussionen im Rücken zu wissen, bitte ich um Input in Bezug auf unsere gemeinsamen Anliegen. Verdankenswerterweise hat Daniel Boos einen Anfang gemacht und seine Anliegen formuliert: 1.) Transparenz im Sinne von Open Data/ Open Government- Wir wollen mehr Wissen. Gerade auch über die Finanzströme, Verteilungsreglemente, Tariferstellung 2.) Einfachheit und Zugänglichkeit. In einer Gesellschaft bei der jeder mit URG und VWG konfrontiert ist, muss auch jeder das System schnell und einfach verstehen können. Man muss die komplizierten Systeme (mit 100 von Tarifen) vereinfachen und für jeden zugänglich machen. Es dürfen keine künstlichen Eintrittsbarrieren erstellt werden. 3.) Evidenzbasierte, effizente und effektive Verwertungsgesellschaften - Zielerreichung soll von unabhängiger Stelle und wissenschaftlich analysiert werden (eg. wird das Ziel von Bezahlung von Urhebern und Förderung von Kultur erreicht oder profitieren nur wenige Industrien). 4.) Alternative Lizenzen müssen möglich sein. Mehr Rechte für die Urheber (unsere CC Debatte) 5.) Freie Werke sollen nicht geschützte Werke quersubventionieren 6.) Internet ist nicht nur Urheberrecht sondern mehr. Das Urheberrecht darf nicht die Chancen des Internets zerstören. (Siehe Chancen von smart cities, m2m, ehealth, ganze persönliche oder social media Kommunikation. Sorry die URG relevanten Materialien die zum VERKAUF angeboten werden sind nur ein Bruchteil...) 7.) Trennung Geldverteilung und soziale Aspekte der Verwertungsgesellschaft - Sie spielen alle mit dem Doppelmandat, dass sie den Künstler helfen und dass sie Verwertungsgesellschaften sind. Ich finde dazu braucht es zwei getrennte Organisationen. Die Leute schätzen SUISA nicht wegen dem Geld (das die meisten nicht bekommen), sondern wegen der anderen Unterstützung. Das ist aber nicht ihre Aufgabe. ___ Nun möchte ich Euch bitten, mir mitzuteilen, welche Positionen ich Eurer Meinung nach im Sinne unserer gemeinsamen Anliegen vertreten soll. Ich könnt mich auch gerne per Telefon anrufen. Herzliche Grüsse Bruno ___ Bruno Jehle Gässli 42 5728 Gontenschwil 062 836 40 41 b...@boje.ch ___ http://wikimedia.ch Wikimedia CH website Wikimediach-l mailing list https://lists.wikimedia.org/mailman/listinfo/wikimediach-l