Hallo Stefan Heidenreich,
Heute ändert sich die Lage der Medien dramatisch. Was sich im Verlauf des letzten Jahrhunderts als Foto, Film, Video, Fernsehen, Schallplatte, Radio und so weiter nebeneinander entwickelt hat, wird von einer übergreifenden digitalen Kultur vereinheitlicht. Man unterscheidet noch zwischen Formaten und Schnittstellen, aber die Grenzen zwischen einzelnen Medien verschwinden. Im Netz konvergiert, was zuvor getrennt war. Jedes Handy ist ein kleiner Computer mit Online-Anschluss, der sämtliche Sinne bedient. Medien sind passé.
Medien in ihrer Funktion zu thematisieren ist passé, zumindest in den Reihen der Kultur. Warum? Sicherlich nicht, weil sie unwirksam wären. Vielmehr ist ja ein Durchwachsen und Durchdringen des Alltags mit den Möglichkeiten vermittelter Kommunikation und ihren negativen wie positiven Folgen zu erleben. Die Problematik der Kontrolle - auf der Seite des Individuums in Form der Online-Durchsuchung - auf der Seite der großen Server durch selektive Bereitstellung von Inhalt - ist größer denn je. Nur entzieht man sich lieber dieser Welt, sobald es ums Kulturelle geht, um sich der Noch- Existenz einer wirksamen alten, nicht medialen Kultur zu versichern anstatt sich den brennenden Fragen zu stellen. Die Netzkunst ist passé, weil sie nicht mehr auf die spannenden Fragen des Internets und seiner Entwicklung antworten kann. Künstler sind da sicher völlig überfordert, wo Wissenschaftler auch der Macht der Konzerne und der von ihnen gehüteten Technologie machtlos gegenüber stehen (z.B. Google) und sie - wie alle anderen auch - täglich benutzen in Ermangelung von Alternativen. Das Künstlerindividuum hat da nur noch die Chance, kritisierend oder kommentierend tätig zu werden. Das ist kein schöner Job, er hat sich in Form der Software-Art manifestiert, die längst keine Innovationen mehr schafft sondern nur noch mit Hacken sich begnügt. Das Zukunftspotential einer solchen Haltung ist natürlich gering. Wo sind die Visionen? Die formuliert man dann besser mit den klassichen Medien. Da macht man sich die Finger nicht schmutzig und muß nicht die Unsummen auftreiben, die man heute braucht, um eine (funktionsfähige) adäquate Antwort auf die von der Industrie formulierten Standards zu finden.

Was bleibt zu sagen? Medienkunst war eine Episode. Da ihre Institutionen nicht vergehen, lebt sie als Dinosaurier der 80er und 90er Jahre weiter. Auf der anderen Seite hat Kunst technologisch längst die meisten Grenzen überwunden. Künstler arbeiten mit beliebigen Medien, von der Zeichnung bis zum Internet.
Dennoch ist es etwas anderes, ob ein klassischer Künstler Photoshop benutzt, um seine Malereien zu konzipieren oder ein sogenannter Medienkünstler im besten Falle Systeme entwirft (Systeme auf Software-Ebene wie auf sozialer Ebene). So wie strategische oder politische Kunst die Funktionsweisen der Gesellschaft benutzt hat, um ihre Haltung einzubringen, wollte die Medienkunst stehen für einen Technologieeinsatz, der eine kulturelle Teilhabe an dem Aufbau einer vernetzten Gesellschaft sichern sollten.
Warum ist dies gescheitert?
Als Gegenkultur zu den kommerziellen Produkten der Netze und Medien nimmt Kunst nach wie vor eine wichtige Position ein. Aber allein technisch lässt sie sich auf den Begriff bringen. Es gibt genug gute Kunst, die ganz selbstverständlich Medien einsetzt.
und in den meisten Fällen völlig naiv, kritik- und visionslos mit den Tools umgeht.
Aber es gibt keine Medienkunst.
Was nun?
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