Hallo. Am 10.10.2012 17:23, schrieb Matthias Kirschner: > für die Internet Enquete sammele ich gerade Nachteile Freier Software. > Legt mal los, was ihr als Nachteile seht, oder was ihr von anderen als > Nachteile gehört habt (auch wenn ihr selbst z.B. gar nicht zustimmt, > dass es ein Nachteil ist).
Bei meiner Arbeit im IT-Support von Privatpersonen habe ich auch einige Leute von einem Free-Software-Experiment überzeugen können. Kritik kam dabei vor allem über die folgenden Punkte. Das sind keine Nachteile des *Konzepts* von Freier Software sondern von den *konkret existierenden* Implementierungen. Wie Myriam schon ausgeführt hat, werden solche Probleme natürlich ohne eine "Firmenleitung" im Hintergrund eher in Kauf genommen, daher vielleicht doch eine Begleiterscheinung des Konzepts. - Aprupte Richtungswechsel bei Free-Software-Projekten Beispiel 1: Hardware-Zugriffe (v.a. der grafischen Oberflächen). Man weiß nie so recht ob jetzt udev, hal, dbus oder schon wieder etwas ganz neues für irgendwelche Probleme verantwortlich ist, aber diese Begriffe tauchen in Fehlermeldungen zu oft auf und Dokus die einige Wochen alt sind, sind dann schon wieder veraltet. Mir wurde mal klar gemacht, dass meine Grafikkarte minder gut funktioniert, weil sie eine aktuelle Intel-Karte ist, und deren Treiber auf einem neueren System aufbaut, das noch nicht wirklich funktioniert. Bazinga! Beispiel 2: Oberflächen-Redesign von KDE und Gnome Die Optik ist mir egal, aber dass bei KDE (zum Zeitpunkt als z.B. Ubuntu KDE 3 fallen ließ) keine verlässliche Migration auf KDE 4 vorhanden war (bei einem Kunden war nach dem Auto-Update von Ubuntu nur noch ein schwarzer Bildschirm mit einem leeren Panel da) und zudem der Benutzer am Anfang ohne funktionierendes Mailprogramm alleine gelassen wurde ist keine gute Werbung für freie Software. Gnome stellte die altbekannten Panel-Applets auf ein mysteriöses Indicator-Zeug um, bei dem man nicht mehr herausfinden kann welches Symbol eigentlich zu welchem Programm gehört (und wie man es weg bekommt) und der Kalender lässt sich nicht mehr dauerhaft aufklappen. Kleinigkeiten die für mich anfangs den Reiz der freien Software geprägt haben: "Da hat jemand echt mal weiter gedacht". Diese wurden immer wieder sang und klanglos gekippt und durch nicht zu Ende gedachte Nachfolger ersetzt. Das empfinde ich so und das empfinden meine Kunden so. Und das nervt auf Dauer. Beispiel 3: OpenOffice heißt jetzt LibreOffice Ich kenne die Geschichte und ich finde es gut dass es ein echt freies und von Oracle unabhängiges Office-Paket gibt. Aber (ich mag den frankophil-englischen Mischmasch-Namen nicht und) ich kann nicht mehr zählen wie oft meine Kunden schon gefragt haben wie sie jetzt nach dem Update an ihr OpenOffice kommen. :) - Mangelnde Kompatibilität untereinander Die Kompatibilität zu kommerzieller Software scheitert immer mal wieder an proprietären Dateiformaten. Das kann kein valider Kritikpunkt sein. Diese Kritik kann ich jederzeit wegargumentieren. :) Aber dass Dateien einer freien Software eigentlich recht oft nicht in einer anderen freien Software geladen werden können kann ich nicht schönreden, das ist peinlich. Es wird zugegebener maßen besser, dies daher als oft gehörte Kritik in der Vergangenheit. Beispiele: SVG in OpenOffice, OpenDocument-Daten in Abiword/KWord, E-Mail-Programme können beinahe alle nicht untereinander Daten austauschen. Die Wahlfreiheit wird durch mangelnde Kompatibilität deutlich eingeschränkt. Wenn den Kunden klar wird, dass dann doch wieder ein proprietäres "Industrie-Standard"-Format das geeigneste ist um Dateien auszutauschen weil das von aller freien Software verstanden wird, dann ist das nicht wirklich gut. - Vor allem in jüngerer Zeit: Hardware-Anforderungen Als ich zu freier Software kam, war eines der tragenden Argumente: Gib deinem alten Rechner ein neues Leben. Das klappte, weil die Linux-GUIs ressourcenfreundlicher als Windows waren. Vielleicht ein bisschen weniger hübsch, aber funktional ganz gut und schnell. Mittlerweile ist das Gegenteil der Fall: Wer eine alte oder eine nicht besonders gut unterstützte Grafikkarte hat (und von alten Rechnern spreche ich ja grade), der erlebt einen sehr trägen Desktop. Nein, meinen Usern Fluxbox, Ion oder IceWM anzudrehen kommt irgendwie nicht in Frage, die Messlatte ist für den Kunden Windows 7. In Kürze soll ja auch ein aktuelles Ubuntu z.B: auf den seinerzeit recht teuren Centrino-Laptops nicht mehr laufen, was ich schon ganz persönlich nicht schön finde. :( Grafikkarten-Treiber waren immer ein Problem und werden es auf absehbare Zeit auch bleiben, da dort zu viel Industrie-Know-How drin steckt, das die Firmen offenbar einfach nicht so offenlegen möchten. Warum trotzdem die 3D-Beschleunigung zum Core-Feature der aktuellen Desktop-Systeme gehyped wurde erschließt sich mir nicht. Wer keine aktuelle und gut funktionierende Grafikkarte hat ist raus. Ja, diese Kritikpunkte sollten in die jeweiligen Bugtracker. Aber das sind größtenteils Design-Entscheidungen und keine einfachen "Fehlerchen", die man mal eben behebt. Und diese Design-Entscheidungen liefen in den genannten Fällen mit dem zuwider was ich meinen Kunden als Vorteile freier Software-Produkte angepriesen hatte. Gruß, Bernd -- Ein Diplomat ist jemand, der dich in einer Art und Weise zum Teufel wünscht, daß du dich auf den Trip freust.
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