schöne grüße rundum, tw
Berliner Zeitung, Montag, 30. Januar 2006 Meister gegen Führer So kritisiert man Hitler von rechts: der Briefwechsel zwischen Ernst Jünger und Friedrich Hielscher Steffen Martus Nach Ernst Jüngers Tod im Jahr 1998 haben sich alle mit ihm ausgesöhnt. Verstummt sind die Kritiker, die immer wieder an die rechtsradikale Vergangenheit des Autors erinnert und auch das Gesamtwerk in braun-dumpfem Licht gesehen hatten. Die Leser treten dem Methusalem der deutschen Literatur seitdem eher interessiert denn engagiert gegenüber. Er ist zu einer historischen Gestalt geworden, zu einer Jahrhundertfigur, die jenseits von Gut und Böse steht. Fast kurios wirkt inzwischen die Tatsache, dass Jünger als ein Extremist gelten muss, dem in den späten 1920er Jahren Hitlers NSDAP wie ein netter Bürgerverein vorkam. Kampf und Tod und Blut gehören zu den Insignien von Jüngers nationalistischer Propaganda, die über das Leben einzelner Menschen leichtfüßig hinweg schreitet. Man sollte dies nicht vergessen. Die bisweilen brillante Prosa des Kriegsschriftstellers, die blitzartigen Erkenntnissplitter der surrealistischen Fragmente im "Abenteuerlichen Herzen", die eiskalten Diagnosen der Moderne - sie stammen von demselben Autor, der die Morde an Rathenau und Erzberger für geboten und die Inhaftierung der Mörder für einen Skandal hielt. Allerdings weiß man noch immer sehr wenig darüber, wie aktiv Jünger in der Weimarer Republik tatsächlich gewesen ist. Dies liegt auch daran, dass er 1933 aus Anlass einer Hausdurchsuchung durch die Gestapo wichtige Dokumente vernichtet hat. Deshalb ist die Herausgabe des Briefwechsels mit Friedrich Hielscher aus den Jahren 1927 bis 1985 von so großer Bedeutung: Durch sie und durch die beigefügten Dokumente, die der Kommentar von Ina Schmidt und Stefan Breuer sorgfältig und kenntnisreich entschlüsselt, lässt sich Jüngers Herumkreiseln in allen möglichen rechten Zirkeln besser verstehen. Hielscher gehörte einer Generation an, die für die Teilnahme am Ersten Weltkrieg zu jung war und die im rechten Milieu der Weimarer Republik intellektuell sozialisiert worden ist. Der Jurist und nationalistische Publizist entwickelte sich - wie Jünger - zu einem zunehmend radikalen Gegner Hitlers und der NSDAP; gemeinsam verhalfen beide in den Jahren zwischen 1933 und 1945 politisch und rassistisch Verfolgten zur Flucht, darunter etwa Alfred Kantorowicz. Während ihrer Arbeit für Blätter wie "Arminius. Kampfschrift für Nationalismus" begleiteten Jünger und Hielscher intellektuell die Versuche, verschiedene Organisationen durch Mitglieder eines verbotenen Wehrverbandes systematisch zu unterwandern. Aber auf dem "Arminius-Kriegsschauplatz" verloren Jünger und Hielscher wie auf so vielen anderen auch. Ungeachtet dieser Misserfolge neigte Hielscher zur Ausbildung eines befremdlich übergroßen Selbstbildes: Er sah sich als dritten großen Friedrich in einer Reihe mit dem Preußenkönig Friedrich II. und Friedrich Nietzsche - ärgerlich nur, dass Hielscher eigentlich Fritz Johannes hieß und sich erst einmal umtaufen lassen musste. Jünger hielt Hielscher zwar "für den schärfsten Kopf unter den Nationalisten", meint aber auch: "freilich ist er bizarr . Er scheint mir vor allem mit Exoten zu verkehren, mit chinesischen Studenten, Zionisten und Arabern." Als bizarr kann man Hielscher in der Tat bezeichnen, vor allem in den Jahren seiner NS-Opposition, die er als Oberhaupt einer selbst gegründeten Kirchengemeinde organisierte: Die Religionsgemeinschaft der "Bruderschaft des Reiches", die ihre Mitglieder bis in die höchsten Stellen des NS-Staates schleuste, war von Hielscher handverlesen. Dem "Meister" gegenüber musste eine "Reichsteuer" bezahlt werden, und bisexuelle Neigungen bildeten die Voraussetzung für den Aufstieg innerhalb der Gemeinde. Schon zuvor hatte Hielscher seine religiösen Überzeugungen verbreitet und damit auch auf Ernst Jüngers Wende ins Metaphysische eingewirkt. Der Briefwechsel von Jünger und Hielscher dokumentiert die eigentümlich vertrackte Lage der rechtsextremistischen Republikgegner. Die neuen Nationalisten mussten sich, wollten sie politisch und nicht nur terroristisch tätig sein, auf das Weimarer System einlassen - und damit ihre Idee einer charismatischen Gemeinschaft verraten. Dies führte zu aberwitzigen Streitigkeiten innerhalb der Rechten und zu immer neuen Aufgipfelungen eines stets noch extremeren Extremismus - Ernst Jünger radikalisierte seine Forderungen so weit, dass seine politischen Pamphlete bald für jede politische Organisation unbrauchbar wurden. Dass Jünger sich nach 1933 in die Provinz zurückzog, war daher nur konsequent. An seinem Beispiel lässt sich sehr gut die Geburt des künstlerischen Solitärs aus dem Geist der politischen Gemeinschaft verfolgen. Die Einkehr ins Abseits markierte zugleich den Wechsel ins Metier des Schriftstellers. Daraus dürften sich die ständig schwelenden Differenzen zwischen Jünger und Hielscher erklären: Wo Hielscher letztlich auf religiöse Fremderlösung setzte, konzentrierte sich Jünger auf literarische Selbsterlösung. Das hinderte beide freilich nicht daran, im freundschaftlichen Briefwechsel den Bogen von der Opposition gegen die Weimarer Republik bis beinahe zur deutsch-deutschen Wiedervereinigung zu schlagen. -- Tobias Wimbauer / Wimbauer Buchversand Waldhof Tiefendorf Tiefendorfer Str. 66 58093 Hagen-Berchum http://www.waldgaenger.de/tiefendorf.JPG unsere Angebote (Amazon und Booklooker) finden Sie hier: http://www.waldgaenger.de/wimbauerbuchversand.html einen Büchergruß an TW senden: http://www.amazon.de/exec/obidos/registry/IBSBOT1B05VN/ref=wl_em_to _______________________________________________________________ SMS schreiben mit WEB.DE FreeMail - einfach, schnell und kostenguenstig. Jetzt gleich testen! http://f.web.de/?mc=021192 _______________________________________________ Juenger-list mailing list Juenger-list@juenger.org http://www.pairlist.net/mailman/listinfo/juenger-list