herzliche grüße rundum,tw

POLITISCHE LITERATUR
13.03.2006 · 19:15 Uhr
 
Keine Männerfreundschaft
Der Briefwechsel zwischen Gottfried Benn und Ernst Jünger
Von Angela Gutzeit

Gottfried Benn und Ernst Jünger waren bedeutende Größen des 
deutschen literarischen Lebens. Beide hegten für eine Weile 
starke Sympathien für den Nationalsozialismus. So viele 
Gemeinsamkeiten sollten für eine Männerfreundschaft 
eigentlich reichen, doch Jünger bemühte sich vergeblich um 
Benns ernsthafte Zuwendung. Zum ersten Mal ist der 
Briefwechsel der beiden Dichter aus den Jahren 1949 bis 1956 
nachzulesen. 

"Basel, 17.1.52
Lieber Herr Benn, Wie ich durch hiesige Freunde höre, sind Sie 
demnächst in Basel zu erwarten. Da ich etwa vier Wochen hier 
bleiben werde, hoffe ich, bei dieser Gelegenheit Ihre 
Bekanntschaft machen zu können. Sollten Sie später kommen, 
bitte ich Sie, den Weg über Wilflingen zu nehmen. Meine Baseler 
Adresse steht auf der Rückseite. 
Mit herzlichem Gruß
Ihr Ernst Jünger"

Es hat wenig genützt - das intensive Werben Ernst Jüngers um 
den neun Jahre älteren Gottfried Benn. Da kamen Einladungen, 
aber der in Berlin beheimatete Dichter und Mediziner Benn 
wählte während seiner gelegentlichen Reisen gekonnt den 
Umweg und in seinen Antwortbriefen geschickt die rhetorischen 
Leerformeln. 

"16.III.52
Lieber Herr Jünger, vielen Dank für Ihre Karte aus Basel. Leider 
konnte ich nicht kommen, da diese Reise gekoppelt war - 
finanziell - an eine Konferenz in Genf, wo eine Tagung der 
Internationalen Jury für die Verteilung des Europäischen 
Literatur-Preises 1953 stattfinden sollte, aber im letzten 
Augenblick abgesagt wurde."

Oder im März 1954. Da heißt es in einem Benn-Brief an Jünger:

"Ich war jetzt in Ihrer Nähe, fand aber auf den Karten nur ein 
Riedlingen, das an der Donau liegt, ist das Ihr Riedlingen? 
Anscheinend ein größerer Ort, mir ist die Gegend völlig fremd, 
und ich konnte Sie nicht lokalisieren."

Das ist eher unwahrscheinlich. Tatsache ist: Gottfried Benn hat 
die Nähe von Ernst Jünger keineswegs gesucht. Trotzdem 
haben sie sich sechs Jahre lang, von Ende 1949 bis 1956, also 
bis zu Benns Tod, ungefähr 50 Briefe, Telegramme, Postkarten 
und Widmungsexemplare geschickt. Wer sich mit Benn und 
Jünger niemals beschäftigt hat, das sei gleich vorweg gesagt, 
der wird mit diesem Buch nicht glücklich. Und zwar aus zwei 
Gründen. Zum einen: Der Briefwechsel ist das Dokument einer 
konsequenten Verweigerung eines intellektuellen Austausches - 
wenigstens von Benns Seite aus. Zweitens: Holger Hof, der 
unter anderem auch Herausgeber zweier Bände der Stuttgarter 
Werkausgabe Benns ist, hat zwar im Anhang des Buches 
reichlich aufklärende Informationen zu den Briefinhalten 
geliefert, aber in seinem Nachwort schreibt er unter anderem 
einen Satz, der in seiner Konsequenz dieser Publikation nicht 
gut bekommt.:

"Das Leben und das literarische Wirken der zum 
Antidemokratischen neigenden Zeitgenossen Benn und Jünger 
lädt zu allerhand politisch-weltanschaulichen, zu 
poetologischen, aber auch zu biografischen Vergleichen ein, 
denen jedoch an dieser Stelle ausführlich nicht weiter 
nachgegangen werden soll."

Wahrscheinlich aber kann anders die Frage nicht beantwortet 
werden, warum diese beiden radikalen Autoren, angesiedelt am 
konservativ-kulturpessimistischen Rand der literarischen 
Moderne des 20. Jahrhunderts, nicht ins Gespräch kamen, 
obwohl sie sich schrieben.

Aber zunächst einmal - was teilten sie sich eigentlich mit - 
abgesehen von den "Guten Wünschen zum Geburtstag", der 
"Empfehlung an die verehrte Gattin" oder dem Dank für die 
Zusendung eines Gedichts oder der jüngsten Veröffentlichung? 
Dem Briefwechsel vorangestellt ist ein Schreiben von Armin 
Mohler vom Dezember 1949 an Gottfried Benn. Der Schweizer 
Schriftsteller und Journalist war bis 1953 Jüngers Sekretär und 
schreibt offensichtlich im Auftrage Jüngers, aber auch aus 
eigenem Interesse. Er erwähnt, dass Jünger schon einmal in 
den 20er Jahren versucht habe, Kontakt aufzunehmen, sein Brief 
aber nicht beantwortet worden sei. Dann sucht Mohler den 
Ansatzpunkt, indem er seine und Jüngers Bewunderung 
ausspricht für Benns frühe Gedichte und Prosa - und im 
gleichen Atemzug gesteht, dass er mit Benns aktuellem 
lyrischen Schaffen, gemeint sind damit die "Statischen 
Gedichte", nicht viel anfangen könne - eine Sichtweise, die auch 
Jünger teilt, wie später noch der eine oder andere Brief zum 
Ausdruck bringt. Zu vermuten ist, dass Ernst Jünger, der mit 
Benn die geistige Herkunft über Nietzsche, den Ekel vor der 
Moderne und den Geschichtspessimismus teilt, die Radikalität 
in seiner Abwendung von Geschichte und politischer Macht und 
seine Verabsolutierung des Kunstwerks als einzig verbliebene 
metaphysische Tätigkeit in einer nichtig gewordenen Welt, dass 
er dieser Bennschen Unbedingtheit und Gradlinigkeit nicht 
folgen konnte oder wollte. 

Zurück zum Briefwechsel: Kurz nach der Kontaktaufnahme 
Jüngers mit Benn, also noch im Dezember 1949, widmet Benn 
seinem Geistesverwandten, mit dem er aber tunlichst nicht 
zusammengespannt werden will, ein bezeichnendes Gedicht.

"Herrn Ernst Jünger: Wir sind von außen oft verbunden ,wir sind 
von innen meist getrennt, doch teilen wir den Strom, die 
Stunden, den Ecce-Zug, den Wahn, die Wunden Dess', das sich 
das Jahrhundert nennt. mit ergebenstem Gruß Gottfried Benn"

Kaum etwas ärgert Benn offensichtlich so sehr, wie mit Ernst 
Jünger in einem Atemzug genannt zu werden. Dahinter steckt 
Konkurrenzdenken, Eitelkeit, aber auch die Haltung des 
Überlegenen, des 1951 mit dem Büchner-Preis Geehrten, der 
überzeugt ist, dass der, der da um ihn wirbt, nicht in der gleichen 
Liga spielt. Holger Hof zitiert im Anhang Benns wenig 
schmeichelhafte Äußerungen zu Jünger gegenüber Dritten.

"Mir ist nämlich E. Jünger kein ganz klares Problem, ich finde bei 
ihm enorm viel inneren Kitsch, und was er als 'Angriff' gesehn 
haben möchte, ist mehr Vorwölbung und Blähung bei ihm als 
Front."

"... Katastrophal! Weichlich, eingebildet, wichtigtuerisch und 
stillos. Sprachlich unsicher, charakterlich unbedeutend. 
Manchmal nahe an Erkenntnissen, manchmal vor gewissen 
Tiefen stehend, aber nirgends Durchbruch, Haltung, Flammen."

Klare Worte. Trotzdem hat Benn den Jüngeren aufmerksam 
beobachtet, seine Briefe und Karten prompt und mit einer 
gewissen routinehaften Freundlichkeit beantwortet. Nur ließ er 
sich auf nichts ein. Als der mit Drogenräuschen erfahrene 
Jünger Benns Essay "Provoziertes Leben" zum Anlass nimmt, 
den Dichter zu ärztlich beaufsichtigten Sitzungen mit 
Drogenkonsum einzuladen, antwortet Benn, dass er "außer 
Cafe und Cigaretten " keine "Stimulantien" brauche. Auch will 
sich Benn in der Nachkriegszeit in keine aktuellen Debatten über 
Exil, Innere Emigration, Unterstützung für das NS-Regime 
einlassen. Seine Abwendung vom Zeitgeschehen 
korrespondiert da durchaus mit seiner poetologischen 
Radikalisierung. 

"Hetzkampagnen", auf die Jünger anspricht, beantwortet Benn 
mit einem Selbstzitat:

"Vor längerer Zeit schrieb ich einem Journalisten (...): Über mich 
können Sie schreiben, dass ich Kommandant von Dachau war 
oder mit Stubenfliegen Geschlechtsverkehr ausübe, von mir 
werden Sie keine Entgegnung vernehmen. Das ist auch heute 
unverändert mein Standpunkt in diesen Fragen."

Der Verdacht liegt nahe: Auch oder gerade mit einem 
Schriftstellerkollegen, der ebenfalls der nationalsozialistischen 
Ideologie einmal sehr nahe stand, sich aber übrigens früher 
wieder davon distanzierte, will Benn keine Debatten führen. 
Seinen Standpunkt hat er gefunden und irgendeine Form von 
"Kumpanei" ist ihm sowieso zuwider. Bleibt zu sagen, dass es 
Ernst Jünger doch noch geschafft hat, den bewunderten Dichter 
in seinem Domizil, der Bozener Straße in Berlin, persönlich 
kennen zu lernen. Benn lud ihn 1952 mit seiner Frau zu einem 
Abendessen ein. Und diesem Treffen verdanken wir 
ironischerweise eines der schönsten Kurzporträts, die es über 
Gottfried Benn und sein Lebensmilieu überhaupt gibt. Zu Recht 
hat Holger Hof diese Passage aus Jüngers Text 
"Annäherungen" abschließend in den Briefband aufgenommen. 
Ein kleiner Auszug:

"Die Lider des Dichters öffneten sich über den gewölbten Augen 
in weichem Schwung der Tauben- oder auch der Eulenfittiche. 
Das war der Blick des Träumers, der starke Neigungen entfalten 
und Zuneigung erwecken konnte und der auch leidensfähig war. 
Zum Leiden musste man ja fähig sein..."

Dieser Briefband bietet viel, wenn man ihn denn zu lesen 
versteht. Ein wenig mehr Hilfestellung bei der 
geistesgeschichtlichen und ästhetischen Einordnung der 
beiden Schriftsteller wäre allerdings dieser bemerkenswerten 
Veröffentlichung angemessen gewesen.

Gottfried Benn/Ernst Jünger: Briefwechsel 1949 - 1956
Verlag Klett Cotta, Stuttgart, 2006
156 Seiten
14,50 Euro



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