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Text: F.A.Z., 16.06.2007, Nr. 137 / Seite Z3

Das große Krabbeln
Zwei Herren, die dem Andrang der Natur gewachsen sein wollen: Immer auf der 
Pirsch nach flotten Käfern. Die sich brieflich über ihre Jagderfolge 
austauschen. Keine erotische Geschichte, sondern die Schilderung der großen 
Passion von Ernst Jünger und dem Juristen Erik Wolf: Käfersammeln.

Von Frank-Rutger Hausmann

Ernst Jünger sammelte Käfer. Am Ende seines langen Lebens hatte er gut und 
gerne vierzigtausend Exemplare beisammen, die Ausbeute zahlloser "subtiler 
Jagden". Um den Knaben von der zeitraubenden Passion des Schachspiels 
abzulenken und ihn aus der Enge des Zimmers in die Weite der Natur zu führen, 
hatte ihm der Vater die notwendige Ausrüstung geschenkt: Netz, Nadeln, 
Fangflasche, einen Kasten, dessen Boden mit Torf gefüttert und mit Glanzpapier 
bezogen war. "Dazu ein Buch mit vielen Bildern: Fleischer, ,Der Käferfreund'." 
Der Beschenkte, von den Abbildungen im "Käferfreund" geködert, "saß bald an der 
Angel fest" und ging lebenslang immer wieder auf Käfersuche.

Für den Schriftsteller war bereits die Litanei der lateinischen Namen voll 
geheimnisumwitterter Poesie, deren Magie sich auch ein Leser oder Hörer ohne 
entomologische Kenntnisse und Interessen nicht entziehen kann: "Lomechusa 
strumosa hielt ich für ein östliches, Deronectes assimilis für ein nördliches 
Tier. Tarsostenus ist auch eine Rarität; ich finde in meiner Sammlung ein 
einziges Exemplar, mit ,Gallia' etikettiert. Der Lampra begegnete ich erst in 
Sardinien, dem Gibbium psylloides auf dem Kräuterboden einer alten Apotheke, 
der Chrysomela rufa überhaupt noch nicht", schrieb Jünger dem 
Käferforscherkollegen und Rechtsphilosophen Erik Wolf, den die ästhetische 
Seite dieser Sammelleidenschaft jedoch kaltließ.

Jüngers Pirschgänge waren globaler als die herkömmliche Jagd. Ein Entomologe 
kann sich zwar auf ein bestimmtes Gebiet konzentrieren, doch Jüngers Jagdrevier 
waren ganz Europa, Nordafrika und Kleinasien. Die Funde wurden untersucht, 
beschrieben, konserviert und stolz der entomologischen Fachwelt präsentiert. 
Tauschobjekte gelangten nur in die Hände von ebenso kundigen wie ausdauernden 
Käferforschern. Von einem regionalen Kenner in dessen Jagdgebiet mitgenommen zu 
werden, zumal wenn es eine eigenartige Fauna aufwies, war Zeichen des 
allergrößten Vertrauens. In dem Freiburger Rechtsgelehrten Erik Wolf, der 
seinen Namen durch die "Großen Rechtsdenker der deutschen Geistesgeschichte" 
verewigt hat, fand Jünger einen kongenialen Ansprechpartner, der nach einigem 
Zögern zum Käfertausch bereit war. Die Faunistik verdankt Wolf manch 
sachkundigen, aber höchst trockenen Beitrag zur "Coleopterenfauna der 
Freiburger Bucht und des Kaiserstuhls". Während er sich auf den Freiburger Raum 
konzentrierte und seine Leidenschaft eher versteckte, bekannte sich Jünger 
offen dazu. Am 2. November 1946 schrieb er: "Warum aber sprechen Sie unserer 
Jagd-Passion den adligen Charakter ab? Der Rang einer Jagd steht für mich umso 
höher, je mehr geistige Elemente in sie einspielen. Wie viel mehr Kenntnis und 
Spürsinn gehören dazu, etwa einen seltenen Cleriden zu erbeuten, als jene ewig 
gleiche Strecke zu erzielen, die man mit der Büchse macht."

Beider Bekanntschaft war in den letzten Kriegsmonaten durch den Jurastudenten 
Klaus Valentiner hergestellt worden. Dieser Büchernarr und Bibliophile 
unterhielt in Paris eine Wohnung am Quai Voltaire, wo sich Gleichgesinnte bei 
Rotwein und Zigarre trafen. Er hatte in Dijon an Wolfs Vorlesungen für 
studierende Wehrmachtsangehörige teilgenommen, die für ihn den Höhepunkt seiner 
bisherigen Studienzeit darstellten. Nach eingehenden Diskussionen hatte er sich 
Wolf zum Mentor erkoren, womit dieser einverstanden war. In Paris war das 
Gespräch unter Einbeziehung Jüngers fortgesetzt worden.

Man sprach nicht nur über den Zeitgeist, sondern auch über Jüngers und Wolfs 
Lieblingsthema, die Käfer. Am 13. Februar 1944 vermerkte Jünger in seinem 
Tagebuch: "Nachmittags rief mich Professor Erik Wolf an, der bei Valentiner 
weilt, und verwickelte mich in eine Unterhaltung über die Buprestiden des 
Kaiserstuhls, der ich nicht mit der Anteilnahme folgen konnte, die sonst das 
Thema in mir weckt." Kenner der militärischen Großwetterlage ahnten bereits zu 
diesem Zeitpunkt, dass die deutsche Besatzung in Frankreich bald zu Ende gehen 
würde und der Krieg, in dem Valentiner umkommen sollte, verloren war.

In der unmittelbaren Nachkriegszeit waren Auslandsreisen kaum möglich, weshalb 
Jünger ersatzweise seinen Bruder Friedrich Georg besuchte, der am Bodensee 
lebte, in einer teilweise vulkanischen Gegend, die für seine entomologischen 
Entdeckungen ergiebig war. Hier wurde einer der bedeutendsten Autoritäten der 
Zeit, Monsignore Adolf Horion, sein Cicerone. Horion stammte ursprünglich aus 
Düsseldorf, war aber nach Überlingen verzogen, als seine Käfersammlung im 
Bombenhagel verglühte. Mit ihm plante Jünger die Besteigung des Hohentwiel. 
"Sie dürfte lohnend sein", schrieb er Wolf, "da ich in einem Röhrchen mit 
wenigen Tieren, das mir mein Bruder von einem Ausflug zu diesem Berge sandte, 
gleich Cryptocephalus marginellus fand."

Im Jahr 1949 verfasste er für Horions "Käferkunde für Naturfreunde", die im 
Verlag Klostermann in Frankfurt erschien, ein Geleitwort. Darin bezeichnete er 
sich als Horions Schüler, dem es nicht zustehe, das Werk des Meisters zu 
bevorworten - "es sei denn aus einer Regung geistiger Dankbarkeit". Während 
Horion umfangreiche Standardwerke wie die "Faunistik der mitteleuropäischen 
Käfer" oder das "Verzeichnis der Käfer Mitteleuropas" erstellte und rührig 
Arbeitsgemeinschaften der süddeutschen Koleopterologen gründete, die Tagungen 
und Exkursionen durchführten, an denen Jünger immer wieder teilnahm, blieb Erik 
Wolf, wie sein Name ihm weissagte, ein "lonely wolf", der sich erst im Jahr 
1952 dazu herbeiließ, Ernst Jünger "die Weihen des Kaiserstuhles" zu erteilen 
und ihn in das Herz dieser Gegend hineinzuführen.

Wolf hatte selber in höchst nüchternem Ton achtzehnhundertfünfzig von ihm bei 
Freiburg gefundene Käferarten in der Reihenfolge seiner Funde beschrieben. 
Vittorio Klostermann, der gemeinsame Verleger, hatte sich der Sache angenommen. 
Anlässlich eines Geburtstags von Friedrich Georg, der traditionell an jedem 1. 
September in Überlingen mit Speis und Trank und einem Ausflug begangen wurde, 
suchte er Wolf in seinem Domizil in Oberrotweil gemeinsam mit den 
Jünger-Brüdern auf.

Für einige Jahre bahnte sich ein intensiver entomologischer Austausch an. Doch 
je leichter das Reisen wurde, umso globaler wurden Jüngers Käferinteressen, 
hatte er Wolf doch bereits 1946 geschrieben, dass ihm die sonnige Landschaft 
der Freiburger Bucht einen tollen Hunger nach dem Mittelmeer erwecke, wie er 
ihn früher "alljährlich auf einer Insel oder an einer entlegenen Küste 
befriedigte" und der ihn nun gleich einer Kellerpflanze gleichsam "etioliere". 
So hieß es dann im September 1964: "In den letzten drei Jahren war ich ziemlich 
hinter Käfern her, quasi hauptamtlich in Aegypten und Nubien, in Syrien und 
Jordanien, in Spanien und am Libanon. In Attika las ich im Mai innerhalb von 
zwei Stunden fünfzehn Capnodis carbonaria von den Bäumen und wurde so der 
Mandelkultur nützlich, auf dem Sinai fand ich Atheta opacicollis und sogar 
einen Dytisciden: Rhanthus elevatus Shp. Jetzt im August war ich auf 
Spitzbergen; leider wurde meine Hoffnung, dort eine der vier bekannten Arten 
oder sogar eine neue aufzuspüren, enttäuscht." Wenn Wolf nach wie vor nur 
"Kaiserstühlern" nachstelle, wolle er ihm gerne einige seiner Proben senden. 
Doch Wolf reagierte nicht darauf.

Jünger neigte mehr Horions systematischer Vorgehensweise zu. Am 23. Oktober 
1964 schrieb er an Wolf: "Ich möchte mit meinem typensetzenden Vermögen dem 
typenbildenden Andrang der Natur gewachsen sein. An Linné bewundere ich, dass 
er sich dem Ganzen standzuhalten noch für fähig hielt. Guter Glaube und 
Selbstbewusstsein mussten freilich hinzukommen. Das war noch möglich zur Zeit 
der absoluten Monarchie." Der wissenschaftliche Austausch schlief, soweit der 
im Freiburger Universitätsarchiv erhaltene, bislang unpublizierte Briefwechsel 
darüber Aufschluss gibt, mit Ende dieses Jahres ein.

Doch bei Jünger blieb eine Nostalgie zurück. Anlässlich einer Fahrt durch das 
Roussillon erwähnt er in den Parerga zu "Subtile Jagden" unter dem Datum des 3. 
Mai 1967 einen gemeinsamen Gang mit Wolf: "Im dürren Rebholz bohrt eine schöne 
Cleride, deren roten Panzer eine sattgelbe Binde ziert. Ich stellte ihr an 
einer anderen Eingangspforte mittelmeerischer Pflanzen und Tiere nach: am 
Kaiserstuhl, geführt von Erik Wolf, dem Philosophen, der jede Hecke, jeden 
alten Baumstamm des Gebirges kennt, das er von Freiburg aus begeht. Solche 
Erinnerungen wärmten auch hier in dieser Wingertshütte, und der Wein trug dazu 
bei."

Carl Schmitt hatte hingegen in seinem "Glossarium" am 4. Oktober 1950, zu einem 
Zeitpunkt, als er Jünger grollte und ihm vielleicht die inzwischen 
entgegengebrachte Aufmerksamkeit neidete, die Vorbehalte aller Zeitgenossen 
niedergelegt, die gegen Sammeleien jeglicher Art immun sind und die sie 
freisetzende geistige Energie unterschätzen: "Jünger ist Entomologe oder nicht 
einmal: er ist Käfersammler. Er sammelt Käfer und letzte Worte: Insekten und 
Sterbende."


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Tobias Wimbauer / Wimbauer Buchversand
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