Domini diem natalem et annum MMV bonum, faustum, laetum, propitium opto, ominor, auspicor.Angiolina Lanza
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Sent: Sunday, December 26, 2004 12:55 AM
Subject: VIRGIL: fwd: ein Weihnachtsgruß



Weihnachten 2004
Liebe Freunde!
Nur eine knappe Generation vor Jesu Geburt, also zwei Generationen vor Christi
Passion und Auferstehung, der eigentlichen Neugeburt des "Weltenkeims" (Marius
Victorinus), schrieb Vergil seine zehn Hirtenlieder, darunter vor allem das
vierte, die berühmte "vierte Ekloge" über die Geburt eines neuen Aiôn (und
zugleich spiegelbildliche Entsprechung der sechsten Ekloge, wo der weise Silen
die Weltschöpfung und das "perpetuum carmen" der von da an abrollenden
Metamorphosenreihe der Weltereignisse eine halbe Generation vor Ovid
"vorweg"-besingt).
Ein Aiôn (lateinisch aevum, deutsch meistens mit "Ewigkeit" übersetzt) ist der
Kreisschluß der Zeit, die in sich bereits durch eine Jahreszeit-analoge Periodik
von vier Weltaltern und auch durch die "Weltmonate" des platonischen "großen
Jahres" gegliedert ist.
Der Aiôn selbst erscheint in dieser vierten Ekloge imaginativ-prophetisch als
messianisches Kind, mit dessen Geburt der ewige Frühling des goldenen Zeitalters
in die Zeit einbricht bzw. die Zeit selbst durch den Übergang vom eisernen Ende
in einen neuen goldenen Anfang zu einem Ewigkeits-Kreis, d.h. eben zu einem
Aion, zusammenschließt; in der Tat bilden das silberne, eherne und eiserne
Zeitalter nur eine Art pädagogischer Zwischenphase mit Aufgaben für
heranwachsende Helden innerhalb dieses in sich ewigen Frühlings, der sich mit
der Tilgung der alten Erbschuld auch gleich wieder einstellt.


Der historisch-konkrete Anlaß, der Säugling, zu dessen Geburt Vergil diese Hymne
als Gelegenheitslied gesungen haben mag, tritt zurück gegenüber der darin
veranschaulichten Geburt des neuen Aiôn, und so bewegt sich der Dichter zwischen
der sibyllinischen Apokalyptik ("Cumaei carminis") einerseits und der
erschüttert-erschütternden Bewegung des Weltalls selbst ("nutantem mundum")
andererseits auf den kosmischen Bahnen der Welt-Zeit und des sterngordneten
Raumes. Gerade das Hirten-Kolorit und der weihnachtliche Messianismus der
Blumen- und Wiege-Idyllik um den Säugling verkleinert diese kosmischen Bezüge
keineswegs, sondern schließt sie (in unserer rückblickenden Perspektive)
vielmehr mit anderen, nicht minder berühmten messianischen Prophetien zusammen,
besonders den Immanuel-Lieder Jesajas und ihren paradiesischen Parallelen zu
Vergils "goldenem Weltalter".
Diese kosmologische Seite des Liedes, das Kind als personifizierte
Gesamtweltzeit, findet sich noch in der Grundstruktur der trinitarischen
"Sohnesgeburt", in der alle Schöpfung enthalten ist und ihren Keimgrund findet;
so beispielhaft bei Marius Victorinus:



quod multa vel cuncta sunt hoc unum est quod genuit filius cunctis qui ontos semen est tu vero virtus seminis in quo atque ex quo gignuntur cuncta virtus quae fundit dei rursusque in semen redeunt genita quaeque ex semine operatur

Das Viele, das Ganze ist nur dies Eine, hervorgebracht von dem Sohn
der allen Wesen der Same des Seins; doch du bist die keimende Kraft
in diesem und aus ihm wird alles erzeugt was der göttlichen Keimkraft entströmt
und in diesen Samen kehrt alles Gezeugte und aus ihm Erzeugte zurück



Die Idee der Weltalter stammt aus Indien und wanderte über Persien nach Westen,
wo sie in Hesiods "Werke und Tage" einwurzelt. Die Kreisschlüssigkeit der Zeit,
gleichfalls Grundidee im persischen Zarathustrismus wie eben die darauf
beruhende Weltalterfolge, ist die allgemeinste Zeitvorstellung in der Antike,
vgl. auch die Lehren des Anchises im Unterweltbuch der Aeneis; selbst
Augustinus, dem man trotz seiner neuplatonischen Grundlagen (Marius Victorinus
ist sein trinitätstheoretischer "Vorläufer") gern eine lineare Zeit-Strecke mit
entschiedenem Schöpfungsanfang und entscheidendem Weltgerichts-Ende unterstellt,
kann die vielen Bibelstellen nicht "begradigen", die von der Wiederbringung der
Geschöpfe sprechen, wo letzten Endes Gott wieder "Alles in Allem" sein soll,
oder Psalm 103 (104) wo es heißt:
29. Du birgst dein Antlitz: sie sind verwirrt;
du ziehst ihren Odem ein: sie verscheiden und zu ihrem Staub kehren sie zurück;
30. du entsendest deinen Odem: sie sind geschaffen und du erneuerst das Antlitz
des Ackers.


Den konzentriertesten Beleg für die menschengestaltige Kindlichkeit des Aiôn,
gewissermaßen den eigentlichen "Liedkeim" dieser Ekloge, finden wir allerdings
unter den Fragmenten Heraklits (DK 22 B 52):



AIÔN Der ZEITENKREIS PAIS esti paizôn ein KIND ist er, kindlich spielend, pesseuôn Brettspielsteine setzend; PAIDOS hê basilêiê einem KIND gehört die Königsherrschaft!


Nun also Publius Vergilius Maro, die vierte Ekloge aus den Bucolica (den Hirtenliedern) über die Geburt eines neuen Weltjahres:

http://12koerbe.de/mosaiken/ekloga4.htm
grusz, hansz

http://12koerbe.de.ki
http://hanumans.de.ki
http://henkaipan.de.ki

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