Re: Der Qabel Schwindel

2014-06-17 Diskussionsfäden Florian Snow

Hallo zusammen,


Robert Kehl, 2014-06-12, 21:41 CEST (+0200):

Das Wort frei und der Begriff freie
Software ist nicht schützbar. Mag man doof finden, aber ich kann mir
genausowenig den Begriff energieeffizientes Gebäude oder linker
Schuh schützen.


Das ist zwar nicht ganz falsch, aber ich kann auch Begriffe nicht
einfach irgendwie umdeuten.  Und zu Freiheit gehören einfach bestimmte
Eigenschaften.  Meinen rechten Schuh als linken zu bezeichnen ist
einfach falsch.  Wenn ich mit dem Umdefinieren anfange, könnte ich auch
ein Gefängnis als frei definieren, weil es ja manche Freiheiten auch im
Gefängnis gibt.  Das macht aber die Aussage Ein Gefängnis ist frei.
deswegen noch lange nicht richtig.  Das kann zwar rein rechtlich jeder
behaupten, hat damit dann aber schlichtweg Unrecht.  Genauso ist es in
diesem Fall hier: Freie Software muss mindestens die vier Freiheiten
bieten (und das ist keine reine Definitionsfrage, sondern lässt sich
logisch herleiten, aber das führt jetzt zu weit) und wenn nicht
mindestens diese vier Eigenschaften vorhanden sind, ist es keine Freie
Software.

Liebe Grüße
Florian

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Re: Der Qabel Schwindel

2014-06-17 Diskussionsfäden Robert Kehl
Am 17.06.2014 18:45, schrieb Florian Snow:
  Genauso ist es in
  diesem Fall hier: Freie Software muss mindestens die vier Freiheiten
  bieten (und das ist keine reine Definitionsfrage, sondern lässt sich
  logisch herleiten, aber das führt jetzt zu weit) und wenn nicht
  mindestens diese vier Eigenschaften vorhanden sind, ist es keine Freie
  Software.

Und genau da begehst Du meines Erachtens nach zwei Denkfehler: Du setzt
die Begriffe freie Software und Freie Software gleich und denkst,
dass alle darunter dasselbe verstehen müssen.

Der Begriff freie Software ist so generisch, dass wir eben nicht jedem
unseren Stempel aufdrücken können à la: Die Software ist nur frei, wenn
wir sie dazu mit unseren vier Freiheiten erklären.

Der Begriff Freie Software deutet aber durch die Großschreibung schon
an, dass der Begriff frei hier in einem extra definierten Zusammenhang
benutzt wird, und das ist der mit den vier Freiheiten. Einer rechtlichen
Prüfung würde das aber auch noch nicht stand halten, denke ich; aber das
steht hier nicht zur Debatte.

Qabel benutzt aber freie Software, also auch im Sinne von frei
einsehbare Software, frei erhältliche Software, etc.; genau schreiben
sie, es handele sich um eine freie, quelloffene, erweiterbare
Plattform. Und da sie an prominenter Stelle explizit darauf hindeuten,
dass eben gerade nicht die Freiheitsgrade der FSF oder der OSI gemeint
sind, ist das meines Erachtens auch ok so und gerade keine Verwässerung.

Insofern halte ich es für einen Zank um des Kaisers Bart. Den
Qabel-Leuten Täuschung oder Missbrauch unterstellen zu wollen, kann ich
nicht unterschreiben. Gut, muss ich auch nicht.

Mit fröhlichem Gruß

Robert Kehl

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Re: Der Qabel Schwindel

2014-06-13 Diskussionsfäden Matthias Kirschner
* Robert Kehl r...@fsfe.org [2014-06-12 21:41:03 +0200]:

 Damit genügt sie, wie Qabel selber ja an mehreren Stellen schreibt,
 nicht den Definitionen der OSI oder der FSF, aber um frei zu sein,
 muss sie das auch nicht. Das Wort frei und der Begriff freie
 Software ist nicht schützbar. Mag man doof finden, aber ich kann mir
 genausowenig den Begriff energieeffizientes Gebäude oder linker
 Schuh schützen. Im englischen Sprachgebrauch ist noch nicht mal open
 source auf die OSI/FSF-Definition alleinig anwendbar, weil zu
 generisch. Damit müssen wir leben, glaube ich.

Wir sollten so einem Mißbrauch nicht akzpetieren und klar schreiben,
wenn etwas keine Freie Software ist und Leute mit den Begriffen
getäuscht werden. Sonst haben die Leute später so oft Freie Software in
Verbindung mit etwas gelesen, was keine Freie Software ist, dass der
Begriff nichts mehr wert ist.

Siehe dazu auch: 
https://fsfe.org/freesoftware/enterprise/chargeofitsbrand.html

Viele Grüße
Matthias

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Der Qabel Schwindel

2014-06-12 Diskussionsfäden Torsten Grote
Hallo allerseits,

gestern hat eine neue Initiative Namens Qabel große Aufmerksamkeit erregt. Die 
Idee ist es ein “schlüsselfertiges Ökosystem mit echtem Datenschutz” zu bauen:

  
https://netzpolitik.org/2014/qabel-schluesselfertiges-oekosystem-mit-echtem-datenschutz/

Das klingt erst mal gut. Das Problem ist allerdings, dass sie keine anerkannte 
Freie Software Lizenz nehmen, sondern ihre eigene Qabel Public License. Wenn 
man sich die genauer anschaut, schränkt sie die Nutzung der Software ein, ist 
also nicht frei.

Trotzdem wirbt Qabel mit freie, quelloffene, erweiterbare Plattform (Open 
Source). Hier eine Unterhaltung dazu, die ich mit Qabel geführt habe:

  https://status.grobox.de/conversation/262193

Merkwürdig ist auch: Die Software ist, um sie vor Investoren zu schützen, zum 
Patent angemeldet.

Viele Grüße,
Torsten

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Re: Der Qabel Schwindel

2014-06-12 Diskussionsfäden Paul Hänsch
Torsten Grote torsten.gr...@fsfe.org, Thu, 12 Jun 2014 10:00:10 +0200:
 gestern hat eine neue Initiative Namens Qabel große Aufmerksamkeit
 erregt. Die Idee ist es ein “schlüsselfertiges Ökosystem mit echtem
 Datenschutz” zu bauen:

Hmm... Ich war gerade auf der Seite und ich muss sagen, ich beobachte
das mit einer Art grotesker Faszination.

Technologisch sieht das Gerät dort ausgezeichnet aus. Die Entwickler
sind den äußerst mutigen Schritt gegangen, sich von Webtechnik zu
entfernen, weil dieser fundamentale Probleme mit
Ende-zu-Ende-Verschlüsselung zu eigen sind. Das ist lobenswert, und
wird vor Allem dadurch ermöglicht, dass paketbasierte
Softwareinstallationen, wie sie auf *nuxen schon lange üblich und dank
Android jetzt auch verbreitet sind, gegen die gemeinen Webapplikation
konkurrenzfähig sind, was die Einfachheit beim Aufsetzen angeht.
Zu einem Grad nehme ich ihnen auch ihre Kompromisslosigkeit beim
technischen Entwurf ab und die Abhörschnittstelle hat mir ein sehr
breites schmunzeln entlockt.

Den Gedankengang hinter dem Lizenzierungsmodell kann ich ... nun ja,
nachvollziehen, auch wenn ich mich der Argumentation nicht anschließe,
bzw. mit Besorgnis auf etwaige Hintergedanken blicke.

Was *wirklich* mies ist, ist dass sie sich erdreisten, ihre Software
als frei und Quelloffen (bzw. sogar OpenSource) zu bezeichnen und
dadurch Verwirrung stiften. Das könnte insbesondere der Arbeit der FSFE
massiv schaden.

Das ironische ist, dass sie von Dienstanbietern für die Plattform
verlangen, dass diese ihre Zuarbeit als Freie Software anbieten, da
fragt sich nach welcher definition.

 Merkwürdig ist auch: Die Software ist, um sie vor Investoren zu
 schützen, zum Patent angemeldet.

^^ Und das ist nun wirklich eine dicke Nuss. Hier sehe ich eine extreme
Gefährdung von alternativen - tatsächlich Freien - Implementierungen
der Qabel-Kommunikationsschnittstellen. Sogar komplette nachbauten oder
verschlüsselte Kommunikation z.B. auf Basis von XMPP könnte dadurch
betroffen sein.
Dies könnte schlimmstenfalls dazu dienen, die Plattform zu
monopolisieren und jeden Ansatz einer sicheren verteilten Plattform zu
zerstören. Vorzugsweise würde ich hier Ungeschick unterstellen, nicht
Böswillen.
Die Vertrauenswürdigkeit des gewählten Patenttreuhänders muss man
nicht, kann man aber in Frage stellen.

-- 
Paul Hänsch █▉Webmaster, System-Hacker
  █▉█▉█▉
Jabber: p...@jabber.fsfe.org▉▉ Free Software Foundation Europe


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Re: Der Qabel Schwindel

2014-06-12 Diskussionsfäden RA Stehmann
On 12.06.2014 15:00, Matthias Kirschner wrote:
 Hi Torsten,
 
 * Torsten Grote torsten.gr...@fsfe.org [2014-06-12 10:00:10 +0200]:
 
 gestern hat eine neue Initiative Namens Qabel große Aufmerksamkeit
 erregt. Die Idee ist es ein “schlüsselfertiges Ökosystem mit echtem
 Datenschutz” zu bauen:
 
 Lust morgen im Zug eine kleine Pressemitteilung dazu zu schreiben? Das
 ist ja wieder ein schönes Beispiel für:
 
Immer mehr Unternehmen Missbrauchen die Bezeichnung Freie
Software/Open Source um ihre proprietäre Software besser zu
vermarkten. Welche Möglichkeiten sehen sie Verbraucher, Unternehmen
und die öffentliche Verwaltung vor Unternehmen zu schützen, die
proprietäre Software unter dem Label Freie Software oder Open
Source vermarkten? 
 
 https://fsfe.org/campaigns/askyourcandidates/201309-germany-bundestagswahl.de.html
 

Noch ein Gedanke:

Die GPL selbst ist _nicht_ frei:

Everyone is permitted to copy and distribute verbatim copies of this
license document, but changing it is not allowed.

Wer also eine veränderte Version derselben verbreitet, begeht eine
Copyright-Verletzung.

Gruß
Michael




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Re: Der Qabel Schwindel

2014-06-12 Diskussionsfäden Robert Kehl
Wie sicher alle schon gesehen haben, gibt's den Code auf GitHub [1].
Einfach mal reinschauen, wer sehen will, wie's funktioniert. Ich
nehm's mal mit in den Urlaub - wenn das Ding wirklich hält, was es
verspricht, ist das 1000x besser als nicht ohne Schmerzen rückziehbare
oder selbstsignierte SSL-Zertifikate und mitlesende Provider.

Kurz zusammengefasst [2] verbietet die QaPL [3] die Nutzung durch
Militär und Geheimdienste und zum Geld machen. Finde ich charmant, und
ich kenne Leute, die das sofort unterschreiben würden, aber das ist
hier nicht relevant.

Damit genügt sie, wie Qabel selber ja an mehreren Stellen schreibt,
nicht den Definitionen der OSI oder der FSF, aber um frei zu sein,
muss sie das auch nicht. Das Wort frei und der Begriff freie
Software ist nicht schützbar. Mag man doof finden, aber ich kann mir
genausowenig den Begriff energieeffizientes Gebäude oder linker
Schuh schützen. Im englischen Sprachgebrauch ist noch nicht mal open
source auf die OSI/FSF-Definition alleinig anwendbar, weil zu
generisch. Damit müssen wir leben, glaube ich.

Ist auch alles halb so wild - ich glaube, es gibt viel, viel
schlimmere Dinge, die mit Achtung und Schwindel tituliert werden
sollten, als das Qabel-Ding. Mir fielen da sofort Google, Microsoft,
Apple, Monsanto, Coca-Cola, Nestlé, Kraft, PG, Unilever und Konsorten
ein.

You name it - make them your enemies, but try to avoid friendly fire.

Mit fröhlichem Gruß

Robert Kehl

[1] http://github.com/Qabel
[2] https://qabel.de/#faq
[3] https://qabel.de/qapl.txt
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Re: Der Qabel Schwindel

2014-06-12 Diskussionsfäden Roland Haeder
 Ist auch alles halb so wild - ich glaube, es gibt viel, viel
 schlimmere Dinge, die mit Achtung und Schwindel tituliert werden
 sollten, als das Qabel-Ding. Mir fielen da sofort Google, Microsoft,
 Apple, Monsanto, Coca-Cola, Nestlé, Kraft, PG, Unilever und Konsorten
 ein.
De-Mail, z.B. wuerde mir einfallen (und einigen mehr hier). Ist aber OT.




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