[Juenger-list] FAZ 10.12.2005: Nachtrag
Liebe Jügner-Freunde, nicht verschwiegen werden darf natürlich die Autorin des vorhin rundgeschickten Artikels aus der FAZ: Julia Encke. In der Online-Fassung war sie nicht genannt, wohl aber in der Druckfassung. Schöne Grüße, TW -- Tobias Wimbauer / Wimbauer Buchversand Waldhof Tiefendorf Tiefendorfer Str. 66 58093 Hagen-Berchum http://www.waldgaenger.de/tiefendorf.JPG unsere Angebote (Amazon und Booklooker) finden Sie hier: http://www.waldgaenger.de/wimbauerbuchversand.html einen Büchergruß an TW senden: http://www.amazon.de/exec/obidos/registry/IBSBOT1B05VN/ref=wl_em_to ___ SMS schreiben mit WEB.DE FreeMail - einfach, schnell und kostenguenstig. Jetzt gleich testen! http://f.web.de/?mc=021192 ___ Juenger-list mailing list Juenger-list@juenger.org http://www.pairlist.net/mailman/listinfo/juenger-list
[Juenger-list] Nouvelle Observateur bringt Meldun g zu Jünger-Celan
Liebe Jünger-Freunde, im Nouvelle Observateur vom 11. März 2005 findet sich eine Meldung zu meiner Publikation des Briefes von Paul Celan an Ernst Jünger in der FAZ vom 8. Januar 2005. Herzliche Grüße rundum, Tobias Wimbauer www.waldgaenger.de http://permanent.nouvelobs.com/conseils/livres/obs/2105/curio2105_082.html Téléphone rouge 18 grands écrivains mondiaux en compétition pour le Man Booker International Prize 2005. Ce Nobel bis couronnera un auteur largement lu dans le monde anglo-saxon. Dune valeur de 10 dollars, il sera annoncé en juin à Londres. Un seul auteur français (dorigine tchèque): Milan Kundera (photo). On ne sait toutefois quel critère permettra de départager tout ce joli monde: Margaret Atwood, Saul Bellow, Gabriel Garcia Marquez, Günter Grass, Ismail Kadaré, Doris Lessing, Ian McEwan, Naguib Mahfouz, Kenzaburo Oe, Philip Roth, Muriel Spark, Antonio Tabucchi, John Updike, A. B. Yehoshua Une édition originale du «Discours de la méthode», de Descartes, vient dêtre adjugée 78000 euros. Une trentaine dexemplaires de cette édition sont actuellementrépertoriés dans le monde. Aux Archives littéraires de Marbach (Allemagne), on vient de découvrir une lettre que Paul Celan écrivit le 11 juin 1951 à Ernst Jünger, et où il demande à celui-ci de laider à faire accepter lun de ses manuscrits par un éditeur allemand. Au bas de la lettre, on peut lire: «Avec la gratitude et la vénération de votre dévoué Paul Celan.» Précision: le best-seller de Ron McLarty (lire larticle de François Forestier dans notre no 2103) vient de paraître chez Albin Michel sous le titre «Jai rêvé de courir longtemps». __ Verschicken Sie romantische, coole und witzige Bilder per SMS! Jetzt bei WEB.DE FreeMail: http://f.web.de/?mc=021193 ___ Juenger-list mailing list Juenger-list@juenger.org http://www.pairlist.net/mailman/listinfo/juenger-list
[Juenger-list] Süddeutsche Zeitung, EJ: Quatsch Quatsch Unsinn Unsinn
Liebe Jünger-Freunde, in einem Artikel in der heutigen Ausgabe der SÜDDEUTSCHEN EITUNG (Nr. 101, 3. Mai 2004, S. 17,nbsp; Julia Encke: Verlust der Aura. Die Ausstellung Dichter Hand Schrift in der Münchner Monacensia) finde ich folgendes: (... )Editoren können vom Verschwinden der Dichterhandschrift eigentlich nur begeistert sein. Nur die Korrekturen werden sie vermissen, die Retuschen, die durch die Löschfunktion verloren gehen: Tagebucheinträge, wie man sie bei Ernst Jünger findet, dem bestimmte Passagen irgendwann so unangenehm waren, dass er sie mir Quatsch Quatsch Unsinn Unsinn das geht hier niemanden etwas an überschrieb und also unlesbar machte, wird man in digitalen Dateien nicht mehr finden. (...) Zu dieser Ausstellung ist im Blumenbar-Verlag ein Katalog erschienen. Frage: hat jemand den Katalog vorliegen und kann mir sagen, ob die zitierte Jünger-Passage darin (etwa als Faksimile) enthalten ist? Beste Grüße, Tobias Wimbauer www.waldgaenger.de ___ Juenger-list mailing list Juenger-list@juenger.org http://www.pairlist.net/mailman/listinfo/juenger-list
[Juenger-list] FAZ vom 06.Mai 2004 zur Burgunderszene
Liebe Jünger-Freunde, noch ein Leserbrief (der vierte!!) in der FAZ zur Burgunderszene. Sehr interessant, daß der Autor auf Proust verweist, kommt Proust doch als einer der Hauptzeugen in meiner Burgunder-Studie! Beste Grüße, Tobias Wimbauer www.waldgaenger.de Frankfurter Allgemeine Zeitung, 06.05.2004, Nr. 105 / Seite 40 Burgunderschlürfend Zum Artikel Liebe statt Bomben - Ernst Jüngers Burgunderszene (F.A.Z. vom 10. April) muß neu gelesen werden: Die Burgunderszene muß nicht neu gelesen werden, sondern überhaupt gelesen, da sie sich einer irgendwie gearteten Eindeutigkeit entzieht; vorgeführt wurde und wird Jünger hier jedoch nur als - möglicherweise ästhetizistischer - Literat. Und Ästhetizismus spielt sich jenseits von Kategorien der Moral oder Politik ab. Selbst wenn die Tagebucheintragung sich nun nicht als fiktiv oder fingiert erwiesen hätte, wäre es von der dandyhaften Pose des burgunderschlürfenden Beobachters zum nationalistisch-teleologischen Befürworter des Bombardements noch ein weiter Schritt. Gerade die distanzierte Perspektive ermöglicht dem Tagebuchautor das schriftliche Erfassen einer poetischen Wirklichkeit - unabhängig von Daten - innerhalb katastrophaler Ereignisse. Marcel Proust etwa hat noch nie jemand als eiskalten Genüssling der Barbarei bezeichnet - obwohl sein Marcel als erzählende Instanz in der Wiedergefundenen Zeit doch das Bombardement von Paris durch die Deutschen zu Vergleichen mit dem Walkürenritt Wagners anregt (ein Motiv, das Francis Ford Coppola in Apocalypse Now aufgreift), während der säbelrasselnde französische Patriot Saint-Loup mit Schubert-Liedern und Wagner-Melodien auf den Lippen in den Krieg zieht, um seinem doppelsinnigen Namen Ehre zu erweisen. Vielleicht aber dachte Jünger in einem Seitenweg an Proust, wenn er den Blick von St.-Germain (auch der Name Guermantes hat in der Recherche eine germanische Konnotation) auf das Burgunderglas in seiner Hand schweifen ließ? Thorsten Kraechan, Sulzbach/Saarland From wimba...@web.de Thu May 6 09:04:41 2004 X-Apparently-To: juenger_...@yahoogroups.de X-Originating-IP: [216.92.1.92] Return-Path: juenger-list-ad...@juenger.org Received: from 216.92.1.92 (EHLO pairlist.net) (216.92.1.92) by mta814.mail.ukl.yahoo.com with SMTP; Thu, 06 May 2004 12:35:21 + Received: from pairlist.net (localhost.pair.com [127.0.0.1]) by pairlist.net (Postfix) with ESMTP id 6A9A2539F7; Thu, 6 May 2004 08:35:18 -0400 (EDT) Delivered-To: juenger_...@yahoogroups.de Received: from zelaza.pair.com (zelaza.pair.com [209.68.2.92]) by pairlist.net (Postfix) with SMTP id CAB2E53694 for juenger-l...@lists.juenger.org; Thu, 6 May 2004 03:04:46 -0400 (EDT) Received: (qmail 78946 invoked by uid 3066); 6 May 2004 07:04:46 - Delivered-To: juenger_...@yahoogroups.de Received: (qmail 78936 invoked from network); 6 May 2004 07:04:45 - Received: from mailgate5.web.de (217.72.192.165) by zelaza.pair.com with SMTP; 6 May 2004 07:04:45 - Received: by mailgate5.web.de (8.11.6p2/8.11.2/SuSE Linux 8.11.0-0.4) with SMTP id i4674i403594 for juenger-list@juenger.org; Thu, 6 May 2004 09:04:44 +0200 Received: from 62.104.210.78 by freemailng0207.web.de with HTTP; Thu, 06 May 2004 09:04:41 +0200 Message-Id: 1260896...@web.de MIME-Version: 1.0 From: T. Wimbauer wimba...@web.de To: juenger_...@yahoogroups.de Precedence: fm-user Organization: http://freemail.web.de/ Content-Type: text/plain; charset=iso-8859-1 Content-Transfer-Encoding: quoted-printable Subject: [Juenger-list] =?iso-8859-1?Q?JF am 07.05.04. über TW/Jünger/Burgunder?Sender: juenger-list-ad...@juenger.org Errors-To: juenger_...@yahoogroups.de X-BeenThere: juenger-list@juenger.org X-Mailman-Version: 2.0 List-Help: mailto:juenger-list-requ...@juenger.org?subject=help List-Post: mailto:juenger-list@juenger.org List-Subscribe: http://www.pairlist.net/mailman/listinfo/juenger-list, mailto:juenger-list-requ...@juenger.org?subject=subscribe List-Id: for discussion of the life and works of Ernst and Friedrich Georg Jünger juenger-list.juenger.org List-Unsubscribe: http://www.pairlist.net/mailman/listinfo/juenger-list, mailto:juenger-list-requ...@juenger.org?subject=unsubscribe List-Archive: http://www.pairlist.net/pipermail/juenger-list/ Date: Thu, 06 May 2004 09:04:41 +0200 Status: RO X-Status: RC X-KMail-EncryptionState: X-KMail-SignatureState: X-KMail-MDN-Sent: In der Druckausgabe gibt's da noch eine Zeichnung des Portratierten dazu :) Junge Freiheit, Nr. 20/04 vom 07. Mai 2004, Seite 3 Tobias Wimbauer Alles Jünger von Thorsten Thaler Im Anfang war, nein, nicht das Wort, sondern ein Bild. Irgendwann Anfang der neunziger Jahre sah der Schüler Tobias Wimbauer in einer Freiburger Buchhandlung das von Horst Janssen gezeichnete Porträt Ernst Jüngers, dessen Ausstrahlung ihn faszinierte. Obschon ihm Jünger damals noch kein Begriff war - in der Schule kam der Jahrhundertdichter nicht vor
[Juenger-list] DIE WELT 8.Mai 2004 über Jünger-Nebel Briefwechsel
Schöne Grüße rundherum! Tobias Wimbauer www.waldgaenger.de Die WELT, 8. Mai 2004 Demos heißt die Kanaille Sie waren die Deutschen Meister im Ressentiment: Briefwechsel zwischen Ernst Jünger und Gerhard Nebel von Wolf Lepenies In einigen rauschhaften Tagen, schreibt ein Kölner Lehrer im Juni 1938 an Ernst Jünger, habe er einen Essay über ihn verfasst. Er bittet Jünger um sein Urteil und schließt den Brief mit dem Wunsch, den Autor bald kennen zu lernen und mit ihm dem Herrn Dionysos ein Trankopfer darzubringen. So beginnt ein Briefwechsel, der in weiten Teilen zu einem mythenschweren Besäufnis wird. Regelmäßig ist in dieser Korrespondenz, die bis 1974, dem Todesjahr Nebels, reicht, von Rauch- und Trankopfern die Rede. Im Klartext: Es wird gesoffen und gequalmt, dass es eine Art hat. Erwartungsvoller Durst steht am Anfang jeder Begegnung und ein Kater oft genug an ihrem Ende. Die Dauer von Besuchen wird nach Flaschenlängen gezählt. Eine 37er Johannisberger Trockenbeeren-Auslese wird zum Spanferkel geleert, zwischen zwei Flaschen Burgunder wird Whisky gekippt, und zur Not muss Rübenschnaps herhalten, um delische Tiefen zu erreichen. Nebels Besuch in badischen Weinbergen endet 1949 mit dem Absingen alter Soldatenlieder: Siegreich wolln wir Frankreich schlagen - wie neun Jahre zuvor. Dieses fast 1000 Seiten umfassende Buch - auf jede Briefseite kommt eine Seite Kommentar - verlangt allerdings eine nüchterne Lektüre. Der Briefwechsel nach Kriegsende erinnert den heutigen Leser daran, wie schwer die zweite deutsche Republik es hatte, sich gegen das Ressentiment derer zu behaupten, die schon die Weimarer Republik bekämpft hatten. 1947 schrieb Hans Paeschke, der Herausgeber des neu gegründeten Merkur, an Nebel: Junge! Junge! Wenn Ihr so weitermacht, seid Ihr übermorgen beim neuen Widerstand, und der tote Adolf kann sich freuen. Diese Mahnung führt auf eine falsche Fährte. Die Korrespondenz zwischen Jünger und Nebel ist nicht das Dokument eines auf Revanche zielenden Neofaschismus. Wie unter Schock schwören beide Briefpartner unmittelbar nach dem Krieg der Vaterländerei ab; selbst eine angelsächsische Weltorganisation wird zur Not hingenommen. Jünger wie Nebel sind anarchische Temperamente, die versuchen, geistiges Terrain wiederzugewinnen. Im Rückblick auf die Nazizeit sehen sie sich im inneren Widerstand. Attacken gegen die Weimarer Republik empfinden sie immer noch als ehrenhaft. Zum Haltepunkt inmitten allgemeiner Orientierungslosigkeit wird für sie das Ressentiment gegen die neu entstehende Demokratie. Der Demos - das ist die Kanaille. Mit Jünger und Nebel treffen ein Anarchist und ein Vagabund aufeinander. Gerhard Nebel jagte am Viktoriasee und arbeitete als Barkeeper in Tanganjika, wurde im Weltergewicht deutscher Meister im Hochschulboxen und promovierte in Heidelberg über Plotins Kategorien der intelligiblen Welt. Er wurde als Leser und Lehrer zu einem glühenden Verehrer der Antike - und blieb ein Außenseiter der philologischen Zunft. In Nebels Heimatstadt Koblenz war Joseph Breitbach, dessen Schwester er beinahe geheiratet hätte, sein Mitschüler; zu den Studienfreunden zählten der Philosoph Hans Jonas und die Soziologen Siegfried Landshut und Talcott Parsons; Heinrich Böll erinnerte sich an ihn als einen Lieblingslehrer, und Karl Jaspers war des Lobes voll über Nebels Tagebücher, die er denen Jüngers vorzog. Nebel war erst Mitglied der SPD und der Sozialistischen Arbeiterpartei und später der NSDAP. Nach dem Krieg wurde er schnell entnazifiziert. Sein Lieblingstier war das Chamäleon - aber Nebel war kein Anpasser. 1939, als es noch gefährlich war, nannte er Carl Schmitt eine Hure der jeweiligen politischen Macht, und 1946, als es wieder gefährlich war, schrieb Nebel an Jünger, er habe Carl Schmitt schätzen gelernt. Nebel verabscheute das Militär und vor allem den deutschen Generalstab. Der Hauptmann Jünger duldete Nebel, das typische Etappenschwein, dennoch, weil dieser den Krieg als Elementarereignis bejahte. Zur Entfremdung zwischen ihnen kam es, weil Nebel, der Lautsprecher Europas, wie Jüngers Sekretär Armin Mohler ihn verspottete, seinen Mund nicht halten konnte. Klatsch und Tratsch zogen ihn magisch an. Abenteuer des Geistes hatte Nebel sein 1949 erschienenes Buch über Jünger genannt. Er pries Jünger als den größten lebenden Mythologen und prophezeite ihm den Nobelpreis. Zugleich wollte Nebel kein Eckermann sein; er war mutig genug, nicht nur Jüngers Bibelinterpretation, sondern auch seine falschen Partizipialkonstruktionen zu kritisieren. Ernst Jünger konterte: Auch Goethe habe Fehler gemacht. Nebel wie Jünger wussten, dass ihre Briefe einmal publiziert würden. Charakteristisch ist deren hoher Ton; wann immer es geht, streben die Briefschreiber ins Mythische und verlieren sich dann oft in eine Stil- und Geschmacksgrenzen missachtende folie à deux. Der Briefwechsel zwischen Jünger und Nebel - bekennende Karnevalisten alle beide -
[Juenger-list] Ausstellung zu Horst Michel (Ernst Jünger, Gärten und Strassen, Schutzumschlaggestalter)
Eine Ausstellung über den Gestalter des Schutzumschlags von Jünger GÄRTEN UND STRASSEN. Herzl.Gruß, TW DER TAGESSPIEGEL, 08.06.2004 Eierbecher zu Schnapsgläsern Horst Michel entwarf den DDR-Alltag - gegen den Widerstand der SED. Eine Ausstellung in Berlin Von Bodo Mrozek Die DDR gilt im Rückblick nicht gerade als ein Hort der schönen Form. Plaste und Elaste aus Schkopau, Wartburg und Schlagersüßtafel: Den meisten gestalterischen Errungenschaften des real existierenden Sozialismus trauern allenfalls hart gesottene Ostalgiker hinter her. Wer verstehen will, warum der Sozialismus sein avantgardistisches Erbe von Rodschenko bis zum Bauhaus mit Füßen trat, kommt an Horst Michel nicht vorbei. Der ostdeutsche Grafiker und Produktdesigner (19041989), an den die Sammlung Industrielle Gestaltung nun mit einer Retrospektive erinnert, war nicht nur eine zentrale Figur des DDR-Designs. Durch seine Biografie verlaufen auch idealtypisch die folgenschweren Brüche und Verwerfungen, die zur deutschen demokratischen Formgebung in all ihrer Zwiespältigkeit führten. Michel begann 1924 mit Textilentwürfen und Typografie: Die mit feinem Pinselstrich gezogenen Krawattenmuster und rot karierten Herrentaschentücher sind kleine filigrane Meisterwerke. Auf Buchumschlägen des Gustav Kiepenheuer Verlages findet sich Michels Signatur hm immer wieder: neben antiken Heldenhelmen auf den Geschichtsbüchern Leopold von Rankes, auf Ernst Jüngers Gärten und Straßen oder Arnold Gehlens Der Mensch. Irritierend wirkt ein brauner Ornamentbogen von 1943 mit heraldischen Adlern, die deutliche Anklänge an die NS-Symbolik zeigen. Zwar erklärte Michel nach 1945, niemals Mitglied einer NS-Organisation gewesen zu sein. Doch sein Werk ist nicht frei von Einflüssen brauner Symbolik. Die Ausstellung beleuchtet erstmals auch diese Zeit, die vorhergehende Werkausstellungen unterschlagen hatten. Als nach dem Krieg das Bauhaus zunächst in Weimar neu aufgebaut werden sollte, beauftragt man ausgerechnet den Bauhaus-fernen Michel mit Entwürfen für ein neues Logo. Es entstehen drei stilisierte Ziegelsteine in schwarz und rot. Hatte er bis dahin nur in der Fläche gewirkt, so gestaltet er nun erstmals räumliche Objekte. Eine der ersten Nachkriegsarbeiten ist das Re-Design der Schreibmaschine Optima. Der Vorgängertyp M8 stand in den Amtsstuben der Nazis. Michel rundet die Form zu einem weniger technokratischen Gehäuse ab. Solche frühen Entwürfe befanden sich noch auf Augenhöhe mit dem internationalen Design. Warum es anders kam, illustriert die Geschichte des Misserfolgs des Mehrzweck-Geschirrs Angelika. Die Garnitur folgte Michels vom Weben abgeleiteten Anspruch an Materialgerechtheit und industrielle Technik. Die leicht konkaven Deckel der in Wagenfeldscher Schlichtheit gehaltenen Behälter ließen das beim Brennen typische Einsinken zu und vereinfachten so die Produktion. Tassen dienten im Kühlschrank als Vorratsdosen, Kannen als Blumenvasen und Eierbecher als Schnapsgläser. Eine Kommission schmetterte den Entwurf 1951 ab: Die Nachkriegszeit mit ihren Notlösungen sei vorbei, der Bauer wolle seinen Schnaps nicht aus Eierbechern trinken, und auch für den Arbeiter sei das Beste gerade gut genug. Michels Entwurf im Stil der klassischen Moderne sehe aus wie Hitlers Kantinengeschirr. Der Sozialismus verlange aber nach einem schönen Geschirr und einem noch schöneren am Sonntag. Dieses Verdikt folgte der unseligen Formalismusdebatte. Es markierte den Beginn eines neuen realsozialistischen Biedermeier und das Ende für Angelika. Michel ging den Weg der Anpassung. Welche ästhetischen Opfer er bringen musste, beweist das Schicksal einer Blumenvase von 1946. Die klassisch proportionierte weiße Form wurde mit bäuerlichen Blümchenornamenten verunstaltet. Der Folklorismus entsprach den stalinistischen Geschmacksvorgaben und wurde ebenso wie Stechschritt und preußische Uniformen als antiwestliche Rückbesinnung auf nationale Traditionen propagiert. Es wirkt wie der Beleg einer alltagsästhetischen Totalitarismusthese, dass Michel moderne Entwürfe in der Schublade lassen musste und stattdessen Ornamente aus brauner Zeit neu auflegen durfte: schlichte Balkenmuster, erdige Farbtöne und florales Gekräusel. Im Neuen Deutschland plädierte noch 1962 die Brecht-Sängerin Gisela May in einem Leserbrief: Wir lieben den Sozialismus. Aber lasst uns auch graue Farben und weiße Vasen und asketische Stühle. Trotz solcher Proteste wirkten die Grundsätze des Formalismusplenums von 1950 bis weit in die Sechzigerjahre hinein. Das DDR-Design erholte sich davon nie wieder völlig. Michel schuf sich mit den Gelben Heften für Design zwar ein Forum, in dem er den Kitsch geißelte und eigene Entwürfe propagierte. Doch auch seine zusammenklappbaren Möbel für den neuen Plattenbau wurden nicht verwirklicht man zog die Schrankwand vor. Michels bekannteste Objekte sind rote und blaue Kerzenleuchter, deren
[Juenger-list] Zum Tod von Henri Plard
Liebe Juenger-Freunde, Juengers langjaehriger Freund und Uebersetzer, der franzoesische Germanist Henri Plard, ist, wie ich erst jetzt erfuhr, im Mai in Bruessel verstorben Plard hat die meisten der franzoesischen Juenger-Ausgaben uebersetzt. Juenger sagte von ihm, das er sein Werk besser kenne als der Autor. 1988 kam es zu einem boesen Eklat, ausgerechnet in Freiburg. Plard sagte sich los von Juenger, mit gar nicht netten Worten. Aber, das moechte ich hier einflechten, Plard hat spaeter bereitwillig und ausfuehrlich auf alle Juenger betreffenden Fragen Auskuenfte erteilt, er war mir bei mancher Frage im Juenger-Register behilflich und darueberhinaus grosszuegig was das Beschenken mit Materialien anbelangt.. Seinen 88er Groll gegen Juenger wollte er spaeter nur! noch als Groll gegen Juengers Verlag, Klett-Cotta, gelten lassen - gegen die Juenger-Juenger hatte er da nicht mehr viel einzuwenden; aber egal: Tempi passati. Nachrufe sind bislang keine erschienen. Auch im Netz nur Schweigen. Sollte ich etwas finden, sende ich es ueber die juenger-list. Wenn jemand die Gazetten in Frankreich verfolgt, so waere es fein zu erfahren, ob dort etwas erschienen ist. Denn Plard hat - Zerwuerfnis hin oder her - doch wirklich grosse Verdienste fuer Juengers Werk und Geltung in unserm schoenen Nachbarland. Viele Gruesse rundherum, Tobias Wimbauer www.waldgaenger.de
[Juenger-list] rezension zu jünger/heidegger in literaturkritik/august 2004
liebe jünger-freunde, in der kommenden ausgabe von literaturkritik.de (august 2004) findet sich nachstehende rezension zu jünger/heidegger. beste grüße, tobias wimbauer www.waldgaenger.de Druckversion der Seite http://www.literaturkritik.de/public/rezension.php?rez_id=7280 literaturkritik.de » Nr. 8, August 2004 Wie kein anderer erfährt er den Weltkrieg sogleich metaphysisch. Martin Heideggers Bemerkungen zu Ernst Jünger Von Stephan Günzel Unter den Bänden der Heidegger Gesamtausgabe ist - seit 1989 die Beiträge zur Philosophie erschienen - wohl keines mit derartiger Spannung erwartet worden wie Heideggers Notizen Zu Ernst Jünger. Bis auf eine öffentliche Rede über Der deutsche Student als Arbeiter, in dem Heidegger noch als Rektor der Freiburger Universität schlicht den Arbeitsdienst weltanschaulich zu legitimieren sucht, und das Schreiben Zur Seinsfrage, das auf Jüngers Text Über die Linie zu Heideggers 60. Geburtstag antwortet und in dem die berüchtigte 'Durchstreichung' des (Wortes) Sein(s) erfolgt, gibt es nur vereinzelte Hinweise, die sich vor allem in Heideggers Texten zu Nietzsche wiederfinden. Nietzsche ist denn auch die Brille, durch welche Heidegger Jüngers Denken betrachtet. Dabei spricht Heidegger Jünger gar ab, ein 'Denker' zu sein; er sei vielmehr - im Sinne der griechischen Bedeutung von theoria als Schau(en) - ein 'Seher' (oder von Heidegger auch zeitgemäßer formuliert: ein Späher), der manches auch 'nicht sehe': Jünger ist ein Erkennender, aber nirgends ein Denker. Das heißt, 'Denker' denken entweder - entsprechend Heideggers Einschätzung seiner hyperrationalen und -rationalisierten Gegenwart - nur rechnend, oder sie denken über die Gegenwart hinaus. Beides tut Jünger nicht, sondern 'sieht' das, was Nietzsche nur ahnte bzw. nur im Rahmen seiner (historischen) Möglichkeit zu begreifen in der Lage war: Dass nämlich der 'Wille zur Macht' nicht nur eine gegenwärtige und kontingente, sondern schlicht die äußerste Bestimmungsmöglichkeit von Wirklichkeit ist. Dies ist nach Heidegger die Einschränkung der Perspektive beider 'Seher' zugleich, die nicht das 'Sein' (des Seienden) also solches zu fassen in der Lage sind. So verhält sich der Künder der Verflüssigung und des 'In-Bewegung-Setzens' aller Kräfte, Ressourcen und Informationseinheiten (die von Jünger so genannte totale Mobilmachung) für Heidegger letztlich nur affirmativ gegenüber dem Maschinenzeitalter, anstatt dessen Wesen zu Ende zu denken, das darin besteht, den Menschen als denjenigen oder dasjenige zu entbergen, was oder wer er ist, nämlich: das auf sich Gestellte - Heideggers Wortprägung für das Lateinische Subjectum. Diese Einschätzung überrascht, insofern die doch deutliche Distanznahme dem bisher Gekannten eine neue Akzentuierung verleiht - und hierin liegt sicher der Wert dieses Bandes für die Forschung. Heideggers Einschätzung Jüngers überrascht aber zugleich auch nicht, insofern alles, was er in den Jahren nach dem Überfall auf Polen in die Hand nahm, sich an Nietzsche messen musste und zur Not auch (zu) 'Nietzsche' wurde. Für diesen Vorgang ist Heidegger selbst wiederum nicht blind, sondern rechtfertigt ihn dadurch, das eben nur Nietzsche annähernd an diese Gegenwart herandachte. So nimmt Heidegger dankbar jene Stichworte auf, die er bereits aus Nietzsches Texten heraus versuchte, in einen Begriff zu überführen, stets darauf bedacht, dem Begriff als Wort sein nahe liegendes Denotat zu nehmen: 'Wille zur Macht' sei nicht psychologisch, 'Rasse' nicht biologisch und 'Heroismus' nicht militärisch zu verstehen - alles sei als Begriff vielmehr 'metaphysisch' zu verstehen. Eben in diesem Sinne 'sieht' Jünger nach Heidegger durch die Phänomene seiner Gegenwart hindurch die (metaphysische) Situation, ohne sie jedoch 'denken' zu können. Was jedoch diese Verschiebung ins 'Metaphysische' angeht, so ist diese Wendung weniger geheimnisvoll als sie zunächst erscheinen mag: Es ist der (aus der Innenperspektive wiederum 'metaphysisch' gedachte) aristokratische Affekt, mit dem Hitlerismus und ideologische Kämpfe als Vulgarität in der Ausführung erscheinen, nicht aber in deren 'Bestimmung'. Letztlich wird damit von Heidegger die Weise der Ausführung als Grund der sich abzeichnenden Folgen angesehen, nicht aber die ideologische Zielsetzung selbst. Die Edition gehört in die Vierte Abteilung der Gesamtausgabe, welche die Hinweise und Aufzeichnungen Heideggers enthält. Der Band ist in zwei Teile und einen Anhang unterteilt, wobei den ersten Teil zu lesen eher müßig ist bzw. Kleinarbeit erfordert, die durch Heideggers Hang zur vorwegeilenden Beurteilung nicht immer belohnt wird. Der zweite und wesentlich kürzere Teil umfasst die Aussprache, die Heidegger im Kreis von Kollegen im Januar 1940 an der Freiburger Universität führte und maßgeblich durch seine Reflexionen zu Jüngers frühen Texten Das Wäldchen 125, Auf den Marmorklippen, In Stahlgewittern, Die totale Mobilmachung, Über den
[Juenger-list] FAZ heute: Neues zur Burgunderszene
Brennende Stadt Ernst Jünger und Stendhal Die vor kurzem in dieser Zeitung ausgetragene Kontroverse über die faktischen Hintergründe der berüchtigten Vision des brennenden Paris in den Kriegstagebüchern Ernst Jüngers (27. Mai 1944) wirft auch die Frage nach den ästhetischen Wurzeln solcher pseudoneronischer Bilder und Stimmungen auf: Beim zweiten (Luftangriff), bei Sonnenuntergang, hielt ich ein Glas Burgunder, in dem Erdbeeren schwammen, in der Hand. Die Stadt mit ihren roten Türmen und Kuppeln lag in gewaltiger Schönheit, gleich einem Kelche, der zu tödlicher Befruchtung überflogen wird. Alles war Schauspiel, war reine, von Schmerz bejahte und erhöhte Macht. Der vordergründige, forcierte Zynismus dieser genußvollen Untergangsvorstellung geht in seinem assoziativ-bildhaften Vergleich, der auf dem Kunstgriff einer optischen Überblendung basiert, auf Metaphern des Symbolismus und gleichzeitig auf dessen schnoddrig-kühle Überwindung durch den frühen Benn zurück - in literarischer Hinsicht ist dies ein eher zweifelhaftes Konstrukt. Die langandauernde Faszination dieser Passage läßt sich am besten durch das offensichtliche Bestreben erklären, den Kriegsereignissen tagtraumartig einen Aspekt des Erhabenen abzugewinnen, was um so leichter fiel, als das im Krieg ja nicht zerstörte Paris nur ein allgemeines, symbolisches Katastrophenbild abgeben konnte. Vom unbedingten Willen zur literarischen Stilisierung zeigt auch die erst jetzt bekanntgewordene Tatsache, daß an dem von Jünger angegebenen Tag eben kein Bombenangriff auf Paris stattgefunden hat. Mehr als ein Jahrhundert davor hat ein größerer Schriftsteller, nämlich Stendhal, eine ähnliche Empfindung der ästhetischen Erhabenheit angesichts eines Stadtunterganges ausgedrückt. Im Gegensatz zu Jüngers Paris war der schreckliche Brand von Moskau im Oktober 1812 keine antizipierte, sondern eine reale Katastrophe. Stendhal beschreibt in seinem Brief an seine Schwester Pauline Périer-Lagrange (4. Oktober 1812), wie er und seine Gefährten die Stadt verließen, die durch den denkbar schönsten Brand beleuchtet war, einen Brand, der eine riesige Pyramide schuf . . . die ihre Spitze im Himmel hatte. Über diesem Gebilde aus Flammen und Rauch sah man den Mond. Es war dies ein imposanter Anblick, aber um sich an ihm zu erfreuen, hätte man allein oder in Gesellschaft intelligenter Menschen sein sollen. Für mich krankt der ganze russische Feldzug am Umstand, daß ich ihn gezwungenermaßen mit Leuten absolvieren muß, für die das Kolosseum oder der Golf von Neapel nichts bedeuten. Die Stendhal-Forschung hat, fasziniert vom zynischen Ästhetizismus des Henri Beyle, den zwar etwas verklausulierten, doch letztlich dechiffrierbaren Hinweis übersehen: Stendhal vergleicht nämlich den Brand Moskaus mit den Ausbrüchen des Vesuvs und mit den im achtzehnten Jahrhundert eingeführten Illuminationen der Engelsburg und des Kolosseums durch Feuerwerke. Dabei weiß man, daß er 1811 bei seinem ersten Neapel-Besuch keinen Vesuvausbruch erlebt hat. Er wollte jedoch unbedingt Zeuge einer feurigen Eruption sein, und als der Vesuv bei seinem nächsten Neapel-Aufenthalt 1817 wiederum ruhig blieb, entschloß sich Stendhal kurzerhand, wie Jünger auch, zu einer kleinen Konfabulation und beschrieb in seinen Voyages en Italie einen Vesuv in Flammen. Stendhals Beschreibung des Brandes von Moskau wiederholt aber das kompositionelle Schema eines gegen Ende des achtzehnten Jahrhunderts populären Genres der Landschaftsmalerei, das die dramatischen Ausbrüche des Vesuvs künstlerisch überhöhte und zum Inbegriff der Naturgewalt stilisierte. Der deutsche Maler und Freund Goethes Jakob Philipp Hackert, der Franzose Volaire und last, but not least der Engländer Joseph Wright of Derby hielten in zahllosen Gemälden das schrecklich-erhabene Schauspiel eines nächtlichen Vesuvausbruches inklusive Feuerpyramide und der blassen Mondscheibe fest. Hackert und Wright of Derby malten auch gleichzeitig als Pendants zu den neapolitanischen Ansichten die römischen Feuerwerke in einer Art und Weise, die an einen symbolischen Stadtbrand, ähnlich den Feuerpyramiden über dem Vesuv, denken ließ. Stendhal hat als Anhänger der Ästhetik des Erhabenen dieses ihm gut bekannte Kompositionsschema auf das Bild des brennenden Moskau übertragen. Im Tagebuch der Pariser Belagerung und der Kommunezeit (1870/1871) von Edmond de Goncourt finden wir schließlich unerwartet das fehlende Bindeglied zwischen Stendhal und Jünger. Am 24. Mai 1871 blickt Goncourt auf das brennende Paris der letzten Kämpfe der Pariser Kommune: Den ganzen Tag betrachte ich durch die Lichtung von Bäumen den Brand von Paris: ein Brand, der im Dunkel der Nacht an jene neapolitanischen Aquarelle erinnert, die auf schwarzem Papier einen Ausbruch des Vesuvs darstellen. Der Vergleich mit dem Vesuvausbruch wird hier aber im betont nüchternen Ton vorgetragen und ist eher nur der antiquarischen Erudition geschuldet. Für den
[Juenger-list] literaturkritik.de august 2004: rez. zu john kings jünger-buch!
literaturkritik.de » Nr. 8, August 2004 » Schwerpunkt: Literatur und Erster Weltkrieg » Die Angst des Leutnants am Katheter John King untersucht Jüngers Kriegstagebuch des Ersten Weltkriegs Von Manu Slutzky So haben wir mit 20 Mann über hundert Mann erfolgreich bekämpft [sic!], trotzdem wir Anweisung hatten, uns bei überlegener Annäherung zurückzuziehen. Ich muß sagen, ohne mich selbst loben zu wollen, daß ich das nur erreicht habe durch Überlegenheit über die Situation, eiserne Einwirkung auf die Leute und durch Vorangehen beim Ansprung auf den Feind. [...] In solchen Momenten Führer sein mit klarem Kopfe, heißt der Gottähnlichkeit nahe sein. Wenige sind auserlesen. Für Ernst Jünger war der Erste Weltkrieg ein Ort der Festigung des Selbst und der Selbstverwirklichung, der Bestätigung der Welt und des Wortes im Heroismus, aber auch eine Zeit des Beschreibens und damit Bewältigens der eigenen Ängste und der beklemmenden und beherrschenden Gegenwart des Frontgeschehens. John King stellt seiner Dissertation 'Wann hat dieser Scheißkrieg ein Ende?' Writing and Rewriting the First World War eine Bewertung der Forschungsliteratur zu Ernst Jünger voran, in der er zeigen kann, dass 50 Jahre Jünger-Forschung auch als Spiegel der ideologischen Verwerfungen zu lesen sind, die die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts insgesamt charakterisiert haben: So folgte auf die existentialistischen und humanistischen Lesarten der 50er Jahre eine politische Radikalisierung der Jünger-Rezeption in den 60ern und 70ern bis hin zu den vulgärmarxistischen Thesen Gerda Liebchens (1977), die den Autor im Dienste imperialistische[r] Herrschaftsinteressen und monopolkapitalistische[r] Produktionsverhältnisse stehen sah. Die partiell polemische, gleichwohl wissenschaftlich-systematische und überdies ergiebige Auseinandersetzung hatte ihren Ursprung bei Karl Prümm (1974) genommen, dem King einerseits Scharfsichtigkeit, andererseits Kurzsichtigkeit bescheinigt, war durch Theweleits Männerphantasien (1977) kurzfristig suspendiert worden - wobei sich auch hier eine Reihe nützlicher Einsichten finden ließen - und war dann einer sachlichen, genauen, in der Regel werkbiographisch orientierten Forschung gefolgt, die ihren vorläufigen Höhepunkt in Hans-Harald Müllers autorintentionalem Ansatz in Der Krieg und die Schriftsteller (1986) gefunden hatte. Die bei weitem folgenreichste Studie war Karl Heinz Bohrers Bielefelder Habilitationsschrift Die Ästhetik des Schreckens (im Untertitel Die pessimistische Romantik und Ernst Jüngers Frühwerk) von 1978 gewesen, die den Autor erstmals im Kontext der Moderne verortete, deren Erkenntnisse King jedoch als defizitär klassifiziert, weil Bohrer weder Jüngers Schuld gegenüber den klassisch modernen Praktiken der Erkenntnis noch die Beziehung zwischen Jüngers 'Ästhetizismus' und seinem soziokulturellen Kontext berücksichtigt habe. Ähnlich detailliert und engagiert klopft Kling auf 25 Seiten die Forschungsliteratur nach Brauchbarem ab, mit dem Ergebnis, dass sich seine Dissertation etwas schleppend anlässt (auch der scheppernden Übersetzung wegen). Seine Strategie, Jünger und die eigene Fragestellung zu Jünger erst einmal einzukreisen, verfolgt King dann auch im dritten und vierten Kapitel, die unter anderem das Verhältnis der Intellektuellen (Georg Heym, Freud, Rilke, Franz Marc, Hugo Ball, Otto Dix, Johannes R. Becher und Thomas Mann) zum Krieg thematisieren und bei Jünger imaginäre (nämlich in die Fantasie) und wirkliche Fluchten (in die Fremdenlegien, in den Krieg) unterscheiden. Alles im Grunde Präliminarien, Wiederholungen, Auswertung der Forschungslage, etwas willkürlich, etwas schülerhaft gewiss, aber nicht ohne Erträge. Erst im 5. Kapitel nimmt dann Kings Boot wirklich Fahrt auf: Von nun an geht es um Jüngers Kriegstagebuch, um die authentische Vorfassung seines Erstlings In Stahlgewittern (1920), um die primären Aufzeichnungen also, die Jünger an der Front gemacht und für die spätere Veröffentlichung wieder und wieder bearbeitet hat. 1995 erhielt King noch von Jünger selbst die Erlaubnis, den Marbacher Vorlass einzusehen, und Jüngers Witwe, das aus den späten Tagebüchern bekannte Stierlein, gestattete ihm dann auch, aus dem Kriegstagebuch zu zitieren. King ist damit der erste Literaturwissenschaftler, der detailliert zeigen kann, dass das Kriegstagebuch nicht nur eine Manuskriptvariante des Jünger'schen Buches darstellt, sondern auch bislang unbekanntes biographisches Material bietet. Am 24. Mai 1917, kurz nachdem Jünger vom kommandierenden Offizier seines Regiments, Oberst von Oppen, eine Riesenzigarre wegen einer kleinen Verfehlung bekommen hatte, notierte er in sein Tagebuch: Wann hat dieser Scheißkrieg ein Ende? Bis dahin hatte sich bei dem abenteuerlustigen Ex-Abiturienten längst Ernüchterung eingestellt, war Jüngers Traum heroischer Taten ausgelöscht und dem Bewusstsein der tödlichen Trostlosigkeit der Front gewichen. Lediglich
[Juenger-list] literaturkritik.de, 08-2004, rez. zu michael sallinger wege und zweige
literaturkritik.de » Nr. 8, August 2004 » Schwerpunkt: Literatur und Erster Weltkrieg » Teilnehmen, Anteil nehmen Michael E. Sallinger begeistert sich für Ernst Jünger und seinesgleichen Von Viktor Schlawenz Alles mit einer Einleitung Versehene ist unecht, schreibt Michael E. Sallinger in seiner Aphorismensammlung Wege und Zweige, um dann in seiner Einleitung seinen Buchtitel als Anleihe bei Ernst Jüngers Essay Blätter und Steine (1934) zu deuten, jenem Buche, das sichtbares Zeichen der Widersetzung gegen die Barbarei des Nationalsozialismus war. Verehrung bis zur Ergriffenheit schlägt dem Leser entgegen, der Sallingers Jünger-Buch aufschlägt, und wer raten müsste, welcher Nationalität der Verfasser wohl ist, würde unweigerlich ausrufen: Der Kerl muss Österreicher sein! Denn Produkt dieser seiner ungeschützten Begeisterung für einen ohne Zweifel bedeutenden Zeugen des 20. Jahrhunderts ist - wenn wir ein Wort Karl Heinz Bohrers ummünzen dürfen - eine Neigung zum Gefühlskitsch, die uns heiter stimmen müsste, würden sich mit ihr nicht die bedenklichen politischen Auswirkungen solch unkontrollierter Knabenromantik zeigen. Der 1965 im oberösterreichischen Freistadt geborene Jurist ist Hobbypoet und hat auch einmal einige Zeilen aus der Hand seines Meisters empfangen. Er liest Jünger - die beiden Jünger muss man sagen, den Bruder Friedrich Georg auch - mit solcher Inbrunst, dass sein Urteilsvermögen auf der Strecke bleibt: Völlig unprätentiös, schreibt er über Jüngers späte Tagebücher Siebzig verweht V, sei auch dieser Band. Wenn aber ein Band dieses ohnehin schon prätenziösen Tagebuchwerks vergleichsweise distanzlos, manieriert, ausgefallen ist, dann ist es dieser Band fünf, der Jüngers Altersstil, seine unverhohlene Eitelkeit, ja Ruhmsucht, und seine schwerfällige Anekdotik und Aphoristik besonders deutlich hervortreten lässt. Aber das sind Wertungsfragen, die hier vielleicht weniger interessieren sollten als die Frage, was uns ein von Jünger rückhaltlos Begeisterter zu bieten hat. Neue Einsichten in alte Jünger-Texte? Fehlanzeige. Interessante wegsame Zugänge zum uvre? Fehlanzeige. Einblicke ins Milieu? Schon eher. Sallingers Wallfahrten nach Wilflingen und nach Heiligkreuztal, wo sich jedes Frühjahr der Ernst und Friedrich Georg Jünger-Freundeskreis trifft, geben in der Tat einen Eindruck davon, wer bzw. was einen dort erwartet, Verehrung nämlich (Es sind [...] Personen, die teilnehmen, Anteil nehmen) und Sammlung: Die Stille des ehemaligen Klosters versammelt zum Wesentlichen. Angelus Silesus' Diktum Mensch, werde wesentlich, hat sich Sallinger auf seinen Fahnen geschrieben, und natürlich darf da Martin Heidegger nicht fehlen, dessen Existenziallexematik der Verfasser mit kursiv gesetzten, oft ungewollt komischen Prägungen nachzuempfinden sucht: Eingangs des heurigen Treffens stand die Hinausgabe des Bandes 'Ernst Jünger in Wilflingen', heißt es da etwa, oder - fast noch schöner - Der Glaube kennt gerade keinen Verstand, sondern bloß Ein-Gelassenheit. Wer sich einmal eingelassen hat auf diesen seltsamen Gläubigen, der kommt aus dem Staunen nicht heraus, ob Sallinger von Carl Schmitt handelt, von Erhart Kästner, Gottfried Benn oder Armin Mohler, jenem unglückseligen Secretarius Schweizer Provenienz, der - mit politischer Blindheit geschlagen - noch 1941 auf deutscher Seite am Russlandfeldzug teilnehmen wollte. Für Kopfschütteln oder Erheiterung dürften auch die epigonalen Aphorismen des Verfassers sorgen, zum Beispiel die folgende Sentenz in der Jünger-Heidegger-Nachfolge: Nulla dies sine linea. Auf solche Weise gerät man über die Linie. Wie Talmi oder Modeschmuck einer billigen Bijouterie glitzert auch das Folgende: Von Paris nach Wilflingen: von den Menschen zum Menschen. Ernst Jünger, der oft sicheres Gespür für die richtige Nähe und Distanz bewies, hätte sich derlei Betrachtungen verbeten, einem Worte Sallingers aber wohl aus vollem Herzen zugestimmt: Niemand haftet für die, die sich auf ihn berufen. Michael E. Sallinger: Wege und Zweige. Studien Verlag, Innsbruck 2003. 184 Seiten, 19,00 EUR. ISBN 3706517582 Verschicken Sie romantische, coole und witzige Bilder per SMS! Jetzt neu bei WEB.DE FreeMail: http://freemail.web.de/?mc=021193 ___ Juenger-list mailing list Juenger-list@juenger.org http://www.pairlist.net/mailman/listinfo/juenger-list
[Juenger-list] literaturkritik.de 08-2004 zu jünger und heidegger
liebe jünger-freunde, hatte ich den text schonmal rumgeschickt? oder nicht? je ne sais pas hm. schöne grüße tw literaturkritik.de » Nr. 8, August 2004 » Philosophie und Soziologie Wie kein anderer erfährt er den Weltkrieg sogleich metaphysisch. Martin Heideggers Bemerkungen zu Ernst Jünger Von Stephan Günzel Unter den Bänden der Heidegger Gesamtausgabe ist - seit 1989 die Beiträge zur Philosophie erschienen - wohl keines mit derartiger Spannung erwartet worden wie Heideggers Notizen Zu Ernst Jünger. Bis auf eine öffentliche Rede über Der deutsche Student als Arbeiter, in dem Heidegger noch als Rektor der Freiburger Universität schlicht den Arbeitsdienst weltanschaulich zu legitimieren sucht, und das Schreiben Zur Seinsfrage, das auf Jüngers Text Über die Linie zu Heideggers 60. Geburtstag antwortet und in dem die berüchtigte 'Durchstreichung' des (Wortes) Sein(s) erfolgt, gibt es nur vereinzelte Hinweise, die sich vor allem in Heideggers Texten zu Nietzsche wiederfinden. Nietzsche ist denn auch die Brille, durch welche Heidegger Jüngers Denken betrachtet. Dabei spricht Heidegger Jünger gar ab, ein 'Denker' zu sein; er sei vielmehr - im Sinne der griechischen Bedeutung von theoria als Schau(en) - ein 'Seher' (oder von Heidegger auch zeitgemäßer formuliert: ein Späher), der manches auch 'nicht sehe': Jünger ist ein Erkennender, aber nirgends ein Denker. Das heißt, 'Denker' denken entweder - entsprechend Heideggers Einschätzung seiner hyperrationalen und -rationalisierten Gegenwart - nur rechnend, oder sie denken über die Gegenwart hinaus. Beides tut Jünger nicht, sondern 'sieht' das, was Nietzsche nur ahnte bzw. nur im Rahmen seiner (historischen) Möglichkeit zu begreifen in der Lage war: Dass nämlich der 'Wille zur Macht' nicht nur eine gegenwärtige und kontingente, sondern schlicht die äußerste Bestimmungsmöglichkeit von Wirklichkeit ist. Dies ist nach Heidegger die Einschränkung der Perspektive beider 'Seher' zugleich, die nicht das 'Sein' (des Seienden) also solches zu fassen in der Lage sind. So verhält sich der Künder der Verflüssigung und des 'In-Bewegung-Setzens' aller Kräfte, Ressourcen und Informationseinheiten (die von Jünger so genannte totale Mobilmachung) für Heidegger letztlich nur affirmativ gegenüber dem Maschinenzeitalter, anstatt dessen Wesen zu Ende zu denken, das darin besteht, den Menschen als denjenigen oder dasjenige zu entbergen, was oder wer er ist, nämlich: das auf sich Gestellte - Heideggers Wortprägung für das Lateinische Subjectum. Diese Einschätzung überrascht, insofern die doch deutliche Distanznahme dem bisher Gekannten eine neue Akzentuierung verleiht - und hierin liegt sicher der Wert dieses Bandes für die Forschung. Heideggers Einschätzung Jüngers überrascht aber zugleich auch nicht, insofern alles, was er in den Jahren nach dem Überfall auf Polen in die Hand nahm, sich an Nietzsche messen musste und zur Not auch (zu) 'Nietzsche' wurde. Für diesen Vorgang ist Heidegger selbst wiederum nicht blind, sondern rechtfertigt ihn dadurch, das eben nur Nietzsche annähernd an diese Gegenwart herandachte. So nimmt Heidegger dankbar jene Stichworte auf, die er bereits aus Nietzsches Texten heraus versuchte, in einen Begriff zu überführen, stets darauf bedacht, dem Begriff als Wort sein nahe liegendes Denotat zu nehmen: 'Wille zur Macht' sei nicht psychologisch, 'Rasse' nicht biologisch und 'Heroismus' nicht militärisch zu verstehen - alles sei als Begriff vielmehr 'metaphysisch' zu verstehen. Eben in diesem Sinne 'sieht' Jünger nach Heidegger durch die Phänomene seiner Gegenwart hindurch die (metaphysische) Situation, ohne sie jedoch 'denken' zu können. Was jedoch diese Verschiebung ins 'Metaphysische' angeht, so ist diese Wendung weniger geheimnisvoll als sie zunächst erscheinen mag: Es ist der (aus der Innenperspektive wiederum 'metaphysisch' gedachte) aristokratische Affekt, mit dem Hitlerismus und ideologische Kämpfe als Vulgarität in der Ausführung erscheinen, nicht aber in deren 'Bestimmung'. Letztlich wird damit von Heidegger die Weise der Ausführung als Grund der sich abzeichnenden Folgen angesehen, nicht aber die ideologische Zielsetzung selbst. Die Edition gehört in die Vierte Abteilung der Gesamtausgabe, welche die Hinweise und Aufzeichnungen Heideggers enthält. Der Band ist in zwei Teile und einen Anhang unterteilt, wobei den ersten Teil zu lesen eher müßig ist bzw. Kleinarbeit erfordert, die durch Heideggers Hang zur vorwegeilenden Beurteilung nicht immer belohnt wird. Der zweite und wesentlich kürzere Teil umfasst die Aussprache, die Heidegger im Kreis von Kollegen im Januar 1940 an der Freiburger Universität führte und maßgeblich durch seine Reflexionen zu Jüngers frühen Texten Das Wäldchen 125, Auf den Marmorklippen, In Stahlgewittern, Die totale Mobilmachung, Über den Schmerz, Stahl und Blut und Blätter und Steine sowie Jüngers 'theoretische' Schrift Der Arbeiter von 1932 bestimmt sind. Der
[Juenger-list] mehrere Jünger-Rezensionen SEZESSION
Liebe Jünger-Freunde, eine ganze Reihe von Rezensionen zu Büchern zu den Brüdern Jünger und ihrem Umfeld sind erschienen in: SEZESSION, Heft 6, Juli 2004, ISSN 1611-5910. Zu bestellen über www.sezession.de - S. 54, Adolph Przybyszewski: In Metapherngewittern. (Zu: Hans Verboven, Die Metapher als Ideologie. Eine kognitiv-semantische Analyse der Kriegsmetaphorik im Frühwerk Ernst Jüngers. Heidelberg 2003) - S. 54 f. Erik Lehnert: Verwandtschaften (zu Figal/Knapp, Verwandtschaften. Jünger-Studien 2. Tübingen 2003) - S. 55 f. Adolph Przybyszewski: Friedrich Georg Jünger nachgedacht (zu: Fred Slanitz, Wirtschaft, Technik, Mythos. Friedrich Georg Jünger nachdenken. Würzburg 2000) - S. 56 f. Erik Lehnert: Der Capitano und sein Locotenente (zu Briefwechsel EJ/Nebel, Stuttgart 2003) - S. 57 f. Erik Lehnert: Bilanz einer langen Jugend (zu: Gerhard Nebels Autobiographie, Marbach 2003) - S. 58 Karlheinz Weißmann: Friedrich Hielscher (zu Ina Schmidt: Der Herr des Feuers. Friedrich Hielscher und sein Kreis... Köln 2004) - S. 58 f. Winfried Knörzer: Salomonbiographie (zu Markus Josef Klein: Ernst von Salomon. Aschau 2003) Schöne Grüße rundherum, Tobias Wimbauer www.waldgaenger.de Verschicken Sie romantische, coole und witzige Bilder per SMS! Jetzt neu bei WEB.DE FreeMail: http://freemail.web.de/?mc=021193 ___ Juenger-list mailing list Juenger-list@juenger.org http://www.pairlist.net/mailman/listinfo/juenger-list
Re: [Juenger-list] Fingieren
'man fingiert die Nasenloecher' fingieren hat nichts mit dem In-der-Nase-herum-Fingern zu tun. Es bedeutet: etwas vortäuschen oder eben dichterisch erfinden. Vulgär ist es nicht. Siehe Grimmsches Wörterbuch: FINGIEREN, erdichten: namen auf lechisch und zechisch (polnisch und böhmisch) fingieren, wie die poeten des winds und sonnenpferds namen. FISCHART groszm. 47. gruß, wimbauer Verschicken Sie romantische, coole und witzige Bilder per SMS! Jetzt neu bei WEB.DE FreeMail: http://freemail.web.de/?mc=021193 ___ Juenger-list mailing list Juenger-list@juenger.org http://www.pairlist.net/mailman/listinfo/juenger-list
[Juenger-list] Jörg Sader über LUMINAR 3 in der Literaturkritik vom September
Herzliche Grüße rundum! Tobias Wimbauer www.waldgaenger.de literaturkritik.de » Nr. 9, September 2004 » Politik und Geschichte Da habe ich den Leser überschätzt Der dritte Band des Luminars stellt Jüngers Capriccio-Technik, seine Burgunderszene und das Friedensschrift-Chaos auf den Prüfstand Von Jörg Sader Widerspruch, verstanden als Widersprüchliches, noch Aufzulösendes, doch auch als Einspruch und kritische Entgegnung auf ein Werk, dessen Bedeutung wie im Falle Jüngers außer Frage steht - dieser (programmatisch bereits im Titel dieses Bandes verankerte) Doppelsinn des 'Widerspruchs' bestimmt die meisten der hier versammelten Neuen Beiträge zu Werk und Leben der Gebrüder Jünger (u. a. Thomas Rohkrämer, Wojciech Kunicki, Helmut Lethen, Tobias Wimbauer, Piet Tommissen) in ihrer Intention, den Verrätselungen und Stilisierungen, den Camouflagen und Vexierbildern im Werk auf den (Sprach-)Leib zu rücken: diesen mitunter subtilen Nebelkerzen, die Jünger liebte und ein Leben lang warf ... Ernst Jünger, wohlgemerkt - denn anders, als es Unter- und Reihentitel nahelegen, ist von Bruder Friedrich Georg genau genommen lediglich in zwei Beiträgen die Rede. Immerhin eröffnet sein sehr atmosphärisches, bisher ungedrucktes Prosastück den facettenreichen Band: Besatzung 1945, ein Kapitel aus den Nachkriegswirren am Bodensee, das die bedrückende, wenig 'charmante' Willkür der französischen Truppen schildert, das Chaos der Einquartierungen, Plünderungen und Internierungen, doch auch Kurioses, etwa die Balance verlierenden, radfahrenden Kongoneger, nicht ausspart. Der Beitrag von Peter Bahn leuchtet Friedrich Georg Jüngers freundschaftliche, nicht spannungsfreie Beziehung zu dem Publizisten und NS-Gegner Friedrich Hielscher aus, der im Erinnerungsbuch Spiegel der Jahre als Helmer auftritt. Der eigenwillige Theologe und spätere Gründer der Unabhängigen Freikirche hatte vor allem mit seinem Buch Das Reich für eine Erneuerung aus dem Religiösen geworben und damit Ernst Niekischs Kritik auf den Plan gerufen, der sich FGJ bald scharf und unmissverständlich anschloss. Hielschers Ideen sorgten unter den Nationalrevolutionären nicht nur für Krisen und Neuorientierungen, sondern bewirkten indirekt, wie Bahn zeigt, den Wechsel vom nationalstaatlichen zum universalen Weltbild. Demgegenüber geht Thomas Rohkrämer zu den Anfängen Weimars zurück, zur Sinnkrise, die der Erste Weltkrieg hinterließ - ein gewissermaßen nihilistischer Nullpunkt, den Ernst Jünger als Chance begriff, sein vom Willen zur Macht geprägtes Ideal eines militaristischen und autoritären Staat zu propagieren und zu realisieren - aus einem ewigen Deutschtum heraus, d. h. gegen die Ideen der Aufklärung. Rohkrämer ersetzt den Begriff der Konservativen Revolution durch den geeigneteren des Neuen Nationalismus (Panajotis Kondylis) und stellt fest: Jünger habe alles gefehlt, Märtyrer, dramatische Entwicklung, vor allem die wahre Revolution: Ihre Idee ist die völkische, schreibt er 1923, ihr Banner das Hakenkreuz, ihre Ausdrucksform die Konzentration des Willens in einem einzigen Punkt - die Diktatur! Ernst Jüngers Welt- und Geschichtsbild untersucht auch Wojciech Kunicki in seinem bereits 1992 entstandenen, inzwischen durchgesehenem Beitrag, allerdings in einem umfassenderen Sinne. Dass er zu Beginn wohltuend mit einer Jünger'schen Attitüde aufräumt, nur nebenbei: Jüngers prätentiös und im Stil der rhetorischen ex-kathedra-Rede sich gebende glatte, klassische Verbindlichkeit mache, sagt er, den Leser dialogunfähig. Unzufriedenheit mit dem Erreichten und/oder Bearbeitungsmanie hin und her, ihr Ursprung liege, diagnostiziert Kunicki erfrischend, in einer fundamentalen [...] Unsicherheit an dem sprachlichen Ausdruck. Das heißt nun freilich nicht, die Erfahrungen des Dichter-Historikers zu ignorieren. Scheiterte Jünger früh mit der apokalyptisch-voluntaristischen Absicht, den Frontsoldaten, der er selbst war, zum politischen Kämpfer im Sinne des Neuen Nationalismus zu machen, so musste er später akzeptieren, dass die Wirklichkeit, die er in der Totalen Mobilmachung wie im Arbeiter beschrieben hatte, sich als längst global gewordene nicht mehr auf Staat beziehen ließ. Das hatte Folgen für die Wahrnehmung im Zweiten Weltkrieg: der titanisch-mythologischen Dimension der neuen Waffentechnik ist der Einzelne hilflos ausgeliefert; Jünger macht ihn mehr und mehr zum Träger anarchischer Freiheit, zum Beobachter, der im Bilderstrom immer stärker die Raster der historischen Wahrnehmung verliert. Kunicki zeigt die Diagnosen dieses Prozesses des Verlustes, der Weißungen zugunsten abstrakter Zeitbezogenheit auf, der Jünger schließlich zu der Vorstellung einer Welt außerhalb der Zeit führt, in Bereiche des Nachhistorischen, die - wie in Eumeswil und Aladins Problem ablesbar - von einer Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen, vom konfliktlosen Nebeneinander der Zeitebenen geprägt sind. Auf den Skandal eines unbegreiflichen
[Juenger-list] FAZ: Jüngers ANNÄHERUNGEN morgen in Mein Lieblingsbuch (Frank Schirrmacher)
..und weil da noch ein schönes photo von EJ dabei ist, hänge ich das auch noch dran- schöne grüße rundum! tobias wimbauer www.waldgaenger.de Text: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 31.08.2004, Nr. 202 / Seite 37 Frank Schirrmacher Mein Lieblingsbuch: Annäherungen - Drogen und Rausch 30. August 2004 Jeden Tag, an dem die tüchtige Kollegin mich nach meinem Lieblingsbuch fragt, werde ich zum Verräter. Jeden Tag habe ich ein anderes. Aber sie sagt: Man darf nur eins. Jeden neuen Tag verrate ich nicht nur das Lieblingsbuch, das ich gestern ans Herz drückte, sondern auch schon das heutige, weil heute bereits feststeht, daß ich es ja morgen schon wieder schmählich im Stich lassen werde. Ich könnte sogar sagen, daß sich mein Lieblingsbuch stündlich ändert. Liebe ich das eine, denke ich schon ans andere: den Radetzkymarsch nennen, aber Canettis Blendung nicht? Und wie steht es mit all den Büchern, die mir einst halfen, gegen den denn doch recht langweiligen Pan Tau oder den eher unglaubwürdigen Spatz vom Wallraffplatz die Nachmittage zu überstehen: von Sigismund Rüstig bis zu Jim Knopf? Der Zwang zum Staatsstreich Allen habe ich ewige Treue geschworen, alle waren Herrscher und demokratisch gewählte Regierungen meiner Innenwelt, und nun kommt die Kollegin und sagt: Man darf nur eins, zwingt mich zum Staatsstreich. Es fehlen, sage ich, Hesse und Benn, Karl Mays Sklavenkarawane, Stanislaw Lems Sterntagebücher, Reich-Ranickis Erinnerungen und Donna Tartts Geheime Geschichte, um nur mal meine Lieblingsbücher der 32. Kalenderwoche zu nennen. Das Lieblingsbuch eines Menschen - da kann es, zusammenfassend gesprochen, nur Annäherungen geben. Und wie es der Zufall will, findet sich unter diesem Titel in der Buchhandlung eines meiner schönsten Lieblingsbücher: Ernst Jüngers Annäherungen. Drogen und Rausch, das mit dem Satz beginnt: Messer Ludovico, was treibt Ihr für Narrheiten? Ein CDU-Politiker der sechziger Jahre wollte das Buch verbieten, weil es die Jugend zu Drogen verleite. Das stimmt nicht. Es handelt von all den Dingen, die uns die Sinne rauben. Von Kaffee ist darin die Rede, aber auch von Bier und Opium. Das alles aber ist, wie bei einem Rausch, nur Oberfläche. In Wahrheit ist dieses Buch eines der erregendsten Bücher über die zwanziger Jahre, eine in kleine Erzählungen verkleidete Autobiographie Ernst Jüngers, der damals, wie er sagte, im Dotter des Leviathan lebte. Das Buch gehört zu den ungehobensten Schätzen unserer Literatur und vielleicht auch zu den ungelesensten Büchern. Es ist, soviel kann ich heute sagen, mein absoluter Liebling. Mit diesem Beitrag endet die Feuilleton-Serie Mein Lieblingsbuch. Aufnehmen, abschicken, nah sein - So einfach ist WEB.DE Video-Mail: http://freemail.web.de/?mc=021200attachment: ej.jpeg
[Juenger-list] Les Carnets Ernst Jünger N°8-2003 erschienen
Liebe Jünger-Freunde Les Carnets Ernst Jünger N°8 - 2003, Mélanges offerts à Julien Hervier ist erschienen! Schöne Grüße, Tobias Wimbauer www.waldgaenger.de Inhalt: - Photo EJ und Hervier -Danièle Beltran-Vidal: Avant-propos - Bibliographie de Julien Hervier - Frédéric Vitoux de l'Academie Francaise: Pour Julien Hervier - Francois Vezin: Débat avec les Journaux Parisiens d'Ernst Jünger - Francois Poncet: La Lune dans tous ses états - Francois Fédier: L'intraduisible - Philippe Chardin: Drie La Rochelle ou splendeurs et misères du comparatisme en action - Robert barry Leal: à la recherche d'une théologie de l'action chez Pierre Drieu La Rochelle - Pierre Brunel: Vocaliques - Yves Chevrel: Un beau ténébreux sous le signe de Werther - André Karátson: De l'iondicible à l'indécidable - Claude Gaudin: La marionnette de Heinrich von Kleist - Gilbert Merlio: Situation von Schelers Kulturkritik - Friedrich Strack: Friedrich Schlegels Europa-Projekt - Lettre de René Char à Julien Hervier - Lettres d'Ernst Jünger à Julien Hervier - Bibliographie Critique: - - Christoph Lotz über Nicolai Riedels Jünger-Sekundärbibliographie - - Gérard Imhoff über Gerhard Nebels Autobiographie - - Hans Verboven über Wolfram Dufners Tage mit Ernst Jünger - - Hans Verboven über Michael E. Sallingers Wege und Zweige - - Jean-Etienne Huret über den Guzide des Associations d'Amis d'Auteurs... -- Verschicken Sie romantische, coole und witzige Bilder per SMS! Jetzt neu bei WEB.DE FreeMail: http://freemail.web.de/?mc=021193 ___ Juenger-list mailing list Juenger-list@juenger.org http://www.pairlist.net/mailman/listinfo/juenger-list
[Juenger-list] neue Rezension zu Luminar 3
JUNGE FREIHEIT, Nr. 42/04 vom 08. Oktober 2004 Kultur (Aufmacher!), S. 23 Spurengeflechte entwirrt Der dritte Band des Luminar eröffnet neue Perspektiven auf Ernst und Friedrich Georg Jünger Alexander Pschera Die systematische Auseinandersetzung mit Leben und Werk der Brüder Ernst und Friedrich Georg Jünger schreitet stetig voran. Ablesbar ist dies unter anderem daran, daß mittlerweile drei Publikationsreihen vorliegen, die sich ausschließlich der Erforschung des Jünger-Kosmos widmen. In Frankreich, wo Ernst Jünger intensiver gelesen und studiert wird als in Deutschland, publiziert das Centre de Recherche et de Documentation Ernst Jünger mit Sitz in Montpellier die Reihe Les Carnets, die von Danièle Beltran-Vidal betreut wird und mittlerweile bei Band 7 angekommen ist. In Deutschland veröffentlicht der Freundeskreis der Brüder Ernst und Friedrich Georg Jünger unter der Leitung von Günter Figal und Georg Knapp seit dem Jahre 2001 die Reihe Jünger-Studien, die die Referate des jährlichen Jünger-Symposiums in Wilflingen dokumentiert. Die Bände 1 (Prognosen) und 2 (Verwandtschaften) liegen bereits vor, Band 3 wird demnächst erscheinen. Und schließlich gibt es die in der Edition Antaios aufgelegte und von Tobias Wimbauer edierte Reihe Das Luminar - Schriften zu Ernst und Friedrich Georg Jünger. Die ersten beiden Bände zählen, jeder auf seine Art, jetzt schon zu den Meilensteinen der Jünger-Literatur. Wimbauers Personenregister der Tagebücher Ernst Jüngers muß an dieser Stelle nicht mehr eigens erwähnt werden. John Kings Dissertation Wann hat dieser Scheißkrieg ein Ende? - Writing and Rewriting the first world war (bei der man sich nur fragt, warum der Untertitel nicht auch ins Deutsche übersetzt wurde) vergleicht erstmals die Original-WK1-Tagebücher Jüngers mit ihren späteren Be- und Umarbeitungen in den zahlreichen Auflagen der Stahlgewitter und kommt dabei zu erstaunlichen Ergebnissen. Nun ist also der dritte Band des Luminar erschienen: Anarch im Widerspruch - Neue Beiträge zu Werk und Leben der Gebrüder Jünger. Konzept des über 300 Seiten starken Sammelbandes ist es, Dokumente von Zeitzeugen, Nachdrucke schwer zugänglicher Texte und neue Studien miteinander zu kombinieren. Dieses variatio delectat-Prinzip führt dazu, daß man den Band ohne Ermüdungserscheinungen am Stück von vorne bis hinten lesen kann, was sich wahrlich nicht von jedem Sammelband sagen läßt. Von den vierzehn Beiträgen beschäftigen sich leider nur zwei mit Friedrich Georg Jünger - eine Tendenz, die man im gesamten Jünger-Schrifttum beobachten kann: Friedrich Georg Jüngers Besatzung 1945, der längste bislang unveröffentlichte Text des Autors, und Peter Bahns Schilderung der Begegnungen von Friedrich Georg Jünger und Friedrich Hielscher. Die Perspektive des Zeitzeugen eröffnen die Texte von Franz Schauwecker (Ernst Jünger, erstmals erschienen 1926 in der Zeitschrift Stahlhelm ), Ludwig Alwens (Gespräch im Botanischen Garten. Eine Unterredung mit Ernst Jünger, 1932) und Wilhelm Marquardt (Als Gefechtsläufer bei Ernst Jünger im Sommer 1918, 1934). Vor allem Alwens Beitrag transportiert trotz seiner Kürze einen sehr lebendigen Eindruck Ernst Jüngers aus der Zeit des Arbeiters. Hier finden sich Bilder von der Unmittelbarkeit und Frische eines wiederentdeckten Filmdokuments: Jünger ist kein sehr redseliger Mann. Er spricht seine Sätze nicht am laufenden Band, wie sie hier stehen, er ist, während er spricht oder schweigt, auch mit anderen Dingen beschäftigt, hebt eine Kastanie auf, um damit nach dem nächsten Baum zu zielen, oder er versucht neugierig eine ihm unbekannte Frucht, die offenbar bitter schmeckt, denn er spuckt sie wieder aus. Neben diesen Annäherungen an die Person stehen drei gewichtige Begegnungen mit dem Werk Ernst Jüngers, die das Rückgrat und den Wert des Bandes darstellen. Hier ist nicht der Ort, diese Beiträge en detail zu kommentieren. Eine erste Einordnung sei allerdings bereits gewagt. Der Carl Schmitt-Forscher Piet Tommissen hat in einem fünfzigseitigen Beitrag Entstehungsgeschichte, Publikationsfolge, Verbreitung und Resonanz der Friedensschrift minutiös nachgezeichnet - sicherlich eine der komplexesten Aufgaben innerhalb der Jünger-Philologie. Die Arbeit, vom Verfasser bescheiden als Versuch tituliert, geht weit über bisher Bekanntes, beispielsweise die Arbeiten von des Coudres und Loose, hinaus. Sie verfolgt und entwirrt das komplizierte Spurengeflecht und macht das Schicksal der vielzitierten Schrift lesbar. Dabei liest die Arbeit selbst sich spannend wie ein Kriminalroman. Tommissen weist am Ende seines Textes darauf hin, daß nun eine inhaltlich vergleichbar detaillierte Durchleuchtung der Friedensschrift notwendig wäre, gerade im Kontext späterer Jüngerscher Positionen, wie sie sich beispielsweise im Weltstaat artikulieren. Von vergleichbarem Umfang ist Helmut Lethens Untersuchung Jüngers Desaster im Kaukasus. Hier geht es um die Begegnung und
[Juenger-list] Carl Schmitt Thomas Hobbes / Morgen in der FAZ
Liebe Jünger-Freunde, zwar nicht direkt zu EJ, aber immerhin zu CS. Schöne Grüße, Tobias Wimbauer www.waldgaenger.de Text: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24.11.2004, Nr. 275 / Seite N3 Schutz für Gehorsam Carl Schmitt und Thomas Hobbes - gegeneinander gelesen Der Staat ist nichts Besonderes, meint man heute: Er ist keine abgehobene, über der Gesellschaft schwebende Persönlichkeit, sondern lediglich eins ihrer vielen Systeme - und keineswegs das wichtigste. Diese Auffassung heißt Pluralismus, wird jetzt aber unter verschiedenen Namen vorgetragen und bildet den gegenwärtigen Mainstream. Die Komplexität der Verhältnisse sei so groß, sagt man, daß keine Zentrale sie mehr regieren könne. Nirgends entscheide eine letzte Instanz; statt dessen muddeln sich die Dinge irgendwie von selbst zurecht. Der Staat ist nichts Besonderes, meint Luhmann beispielsweise: Er ist nur ein System unter vielen - ein solches, das auf die Herstellung verbindlicher Entscheidungen spezialisiert ist. Mehr nicht. Das läßt sich so achselzuckend sagen, wenn man die Tragweite der vorgestellten Entscheidungen gering ansetzt. Das läßt sich so klein halten, wenn man sich nicht klarmacht, worauf Verbindlichkeit gegründet ist: auf die Verfügung über das Gewaltmonopol. Der exponierteste Gegner des Pluralismus war Carl Schmitt. Der Pluralismus habe zwar insoweit Berechtigung, als er sich gegen die früheren Übersteigerungen des Staates richte. Er lasse aber unklar, was die politische Einheit überhaupt noch ausmache. Er lasse offen, aus welchem Grund die Menschen neben den religiösen, kulturellen, ökonomischen und anderen Assoziationen auch noch eine politische Assoziation bilden. Krieg oder Frieden Die Frage, was der Begriff des Politischen sei, war das Thema seines 1932 erschienenen Buches. Schmitt fand die Antwort: Das spezifisch Politische ist die Entscheidung über Krieg und Frieden. Diejenige Einheit, die diese Entscheidung treffen kann, ist per definitionem der Staat. Die politische Einheit ist die maßgebende Einheit, gleichgültig, aus welchen Kräften sie ihre letzten psychischen Motive zieht. Sie existiert, oder sie existiert nicht. Wenn sie existiert, ist sie die höchste, d. h. im entscheidenden Fall bestimmende Einheit. Der entscheidende Fall aber, der Ernstfall, der Ausnahmefall, ist der Krieg. Carl Schmitt wandte sich gegen den Pluralismus, wie ihn Harold Laski vorgetragen hatte. Dessen Hauptbeispiel für staatliche Ohnmacht war Bismarcks erfolgloses Vorgehen gegen die katholische Kirche und die Sozialisten. Im Kulturkampf gegen die römische Kirche zeigte sich, daß selbst ein Staat von der ungebrochenen Kraft des Bismarckschen Reiches nicht absolut souverän und allmächtig war; ebensowenig hat dieser Staat in seinem Kampf gegen die sozialistische Arbeiterschaft gesiegt oder wäre er auf wirtschaftlichem Gebiet imstande gewesen, den Gewerkschaften die im ,Streikrecht' liegende Macht aus der Hand zu nehmen, konzedierte Schmitt, fügte aber hinzu: Damit ist die Frage noch nicht beantwortet, welche soziale Einheit den Konfliktfall entscheidet und die maßgebende Gruppierung nach Freund und Feind bestimmt. Weder eine Kirche noch eine Gewerkschaft, noch ein Bündnis von beiden hätte einen Krieg, den das Deutsche Reich unter Bismarck führen wollte, verboten oder verhindert. Das genüge, um einen vernünftigen Begriff von Souveränität und Einheit zu begründen. Die vielen, heute als Komplexität verstandenen Kräfte, die den Staat beeinflussen, wenn er sich für Krieg oder Frieden entscheidet, werden in diesem Konzept nicht etwa ignoriert. Das können Waffen- oder Olproduzenten, Kirchen oder Parteien sein - wer auch immer. Die zentrale Einheit, in der diese Kräfte zusammenfließen, ist maßgebend, gleichgültig, aus welchen Kräften sie ihre letzten psychischen Motive zieht. Die Konzentration auf die Gewalt hat man Carl Schmitt übelgenommen. Man meinte ja in den letzten Jahrzehnten, daß die Welt von Konsens und Diskurs zusammengehalten werde. Aber jetzt, in einer Zeit, in der wieder über Krieg oder Frieden entschieden werden muß, zeigt sich, daß Schmitt den Staat in seinem Kern richtig erkannt hat. In den Vereinigten Staaten wurde gerade im Wahlkampf darum gerungen, ob die politische Führung den Krieg oder den Frieden anstreben sollte. Alle anderen Fragen standen demgegenüber im Hintergrund. Auch in Deutschland ging es bei der Wahl vor zwei Jahren um die Verfügung über den Ausnahmefall. Die Mehrheit der Deutschen wählte einen Kanzler, der den Irak-Krieg nicht mitmachen wollte. Konnte man bisher vielleicht vergessen, daß man in einem Staat lebt - jetzt wurde es wieder bewußt. Es gibt eine gesellschaftliche Einheit, die keineswegs gleichberechtigt inmitten der anderen gesellschaftlichen Assoziationen herumschwimmt. Sie ist Supra potestas. Der Staat als die maßgebende politische Einheit hat eine ungeheure Befugnis bei sich konzentriert: die Möglichkeit, Krieg zu führen und damit offen über das
[Juenger-list] Besprechung EJ, Abenteuerliches Herz
Liebe Jünger-Freunde, eine Besprechung der russischen Übersetzung von Jüngers Abenteuerlichem Herzen gibt es hier: http://www.mk.ru/numbers/1416/article44792.htm dazu auch ein Photo des Einbands. Die Übersetzung ist von Prof.Dr.Alexander Michailowski, der - Ihr erinnert Euch - beim letzten Jünger-Symposion einen fabelhaften Vortrag gehalten hat! Frohe Weihnachten rundum! TW der Text: « » Ad Marginem , .,, , , ( :)., , , ,, , , , ., , ;, (1929), . , , , , , ;Der Arbeiter . , ; , , preview , .,, , ,, , . , 15 ,, , , . - 20.12.2004