Oracle und die GPL (was: Re: Golem: "Keine freie Software: Cryengine ist öffentlich auf Github verfügbar")

2016-05-29 Diskussionsfäden Stef
Am 29.05.16 schrieb Peter Hormanns :
>
> Warum Oracle Anwälte da die GPL gefährdet sehen und Heise Redakteure den
> Unsinn unkommentiert stehen lassen[1] wird mir ein Rästel bleiben.

> [1]http://www.heise.de/open/meldung/Oracle-vs-Google-Das-Urteil-bedroht-Freie-Software-3221618.html

Für Journalisten sind kontroverse Äußerungen von Personen, die
irgendwie "wichtig" sind, meistens berichtenswert - sogar dann, wenn
diese Aussagen inhaltlich nicht allzu fundiert sind.

Deswegen wäre es ideal, wenn eine möglichst bekannte Persönlichkeit
aus der FLOSS-Community die Thesen der Oracle-Anwältin öffentlich
hinterfragen würde. Denn das würden die Fachjournalisten sicherlich
auch zitieren (und wären im Zweifelsfall sogar dankbar dafür).

Disclaimer: Ich habe selber viele Jahre lang im Journalismus
gearbeitet (allerdings nicht IT), und kenne die Erwartungshaltung,
(fast) jede kontroverse Äußerung zu zitieren, daher nur zu gut.

Grüße

Stef
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Re: Golem: "Keine freie Software: Cryengine ist öffentlich auf Github verfügbar"

2016-05-29 Diskussionsfäden Peter Hormanns
Hallo Andreas,

Am 29.05.2016 um 10:49 schrieb Andreas K. Foerster:
> Beispiel: Jsva ist doch freie Software, oder? Kann man also gefahrlos
> dessen API benutzen? Offensichtlich nur, wenn man sich so teure Anwälte
> leisten kann wie Google; und auch dann ist der Ausgang des Vefahrens
> nicht immer eindeutig...
> 

Java (genauer das OpenJDK) steht unter der GPL.

Leider war das in den ersten Jahren nicht so. Deshalb gibt es das GNU
Classpath Projekt und gab es das Apache Harmony Projekt. Beide haben die
Java-APIs unter freien Lizenzen (GPL bzw. Apache Lizenz)
nachimplementiert. Google hat sich für Android der Apache Harmony
Implementierung bedient, daher die Apache Lizenz im "Java"-Anteil von
Android. Im Rechtsstreit geht es nicht um die Nutzung freier Software,
sondern darum ob man eine API als schöpferisches Produkt einfach nehmen
und nachbauen darf. Wenn die API unter einer freien Lizenz steht finde
ich das Urteil der Richter (das sei "Fair Use") klug und angemessen.

Warum Oracle Anwälte da die GPL gefährdet sehen und Heise Redakteure den
Unsinn unkommentiert stehen lassen[1] wird mir ein Rästel bleiben.

Viele Grüße,
Peter

[1]http://www.heise.de/open/meldung/Oracle-vs-Google-Das-Urteil-bedroht-Freie-Software-3221618.html

-- 
Peter Hormanns - Informatikbüro Hormanns & Wenz
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Re: Golem: "Keine freie Software: Cryengine ist öffentlich auf Github verfügbar"

2016-05-29 Diskussionsfäden Andreas K. Foerster
On Sun, May 29, 2016 at 10:49:02AM +0200, Andreas K. Foerster wrote:

> Ich halte diesen Gedanken für sehr gefährlich!
> Wir müssen heute durchaus damit rechnen, dass wir Gegner haben, die bereit
> sind, uns Fallen zu stellen. Das „Recht“ wäre dann auf deren Seite.

Ausserdem, wenn wir Lizenzen nicht beachten, mit welchem Recht könnten
wir dann auf die Einhaltung unserer Lizenzen bestehen?

Ich bin sehr für die Durchsetzung der Bestimmungen der GPL.
Die wird mittlerweile als Freiwild gesehen.
(Zur Zeit läuft ein Verfahren gegen vmware.)

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AKFoerster 
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Re: Golem: "Keine freie Software: Cryengine ist öffentlich auf Github verfügbar"

2016-05-29 Diskussionsfäden Ricardo Wurmus

Erik 'egnun' Grun  writes:

> "Keine freie Software: Cryengine ist öffentlich auf Github verfügbar"
>
> "Der Quellcode der Cryengine ist nun auf Github für alle zugänglich.
> Hersteller Crytek will damit den Spieleentwicklern entgegenkommen. Freie
> Software ist die Engine aber nicht." [1]
>
>
> So, der Quellcode der Cryengine ist nun auf Github, aber steht nicht
> unter einer Freien Lizenz.
>
> Das erinnert mich an einen Blogpost, den ich vor kurzem gelesen habe.[2]
>
> Darin geht es um Projekte, die ihren Quellcode (auf Github) hochladen,
> aber (bewusst) keine Freie Lizenz angeben.

“bewusst” ist nicht belegbar.  Es hat wohl eher etwas damit zu tun, dass
vieles von dem was auf Github rumliegt keine nutzbare Software ist
(z.B. Versuche Github als Backup zu benutzen, Kursmaterial,
Fuellermaterial um den Anschein der aktiven Partizipation in “Open
Source” zu erwecken, ...).

Oder aber ein tiefes Missverstaendnis davon was Lizenzen sind und was
die Alternative zu explizit gewaehrten Rechten ist (naemlich “all rights
reserved”).

> Dadurch, so beschreibt der Autor,
> würden bestehende Urheberrechtsgesetze weniger relevant,
> da sich die Leute weniger darum kümmerten.
>
> Zitat:
>
> "[…] What I am trying to say is that you don't have to be a devoted
> anarchist to not add a license to your project. You can as well be too
> lazy to do so. But in both cases, the effect is the same: The law
> becomes less relevant. […]"

Ich glaube, dass es ein Fehler ist, von einer kleinen Domaene auf das
Urheberrecht im Ganzen zu schliessen.  Selbst wenn dem so waere, wuerde
ich annehmen, dass das massenweise Herunterladen von Musik und Filmen
(wie es sehr ueblich war und in Teilen noch heute ist) einen deutlich
groesseren Effekt haette als einige kaum verwendete Software-Projekte(?)
deren Nutzbarkeit nicht explizit gestattet wird.

In der Welt der GNU-Distributionen sind Lizenzen so wichtig, dass nur
lizensierte (und lizensierbare) Software offiziell paketiert wird.
Ausserhalb der Welt der GNU-Distributionen wuerde ich den Anteil derer,
die auf Github “all rights reserved” Quellen runterladen und eigene
Software bauen als kaum relevant einschaetzen.  Dort ist eher die
massenweise nicht lizensierte Nutzung kommerzieller proprietaerer
Software Ausdruck von Geringschaetzung des Urheberrechtes.

...

Kuerzlich erst gab es auf der “gnu-prog-discuss”-Liste eine Diskussion
ueber Freie Software ohne Copyright-Gesetze (leider nicht oeffentlich).
Als Beispiel wurde China angefuehrt als Gegend, in der Copyright nicht
oder nur sehr schwer durchgesetzt werden kann und damit praktisch wenig
Einfluss hat.  Auf die Gesetzgebung hat das Ignorieren der Gesetze
jedoch bisher keinen Effekt gehabt.

Man muss dabei auch bedenken, dass Copyleft in einer Welt ohne Copyright
nicht durchgesetzt werden kann.  Im Falle der Abschaffung von Copyright
wuerden trade secrets nicht automatisch verfallen und somit wuerde
proprietaere Software nicht verschwinden.  Es wuerde hingegen
schwieriger werden, freie Software als solche zu bewahren.

Bis zu einer wohldurchdachten Reform des Urheberrechts bleibt der
Copyleft-Hack das bisher staerkste Mittel, um Software frei zu halten.

~~ Ricardo

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Re: Nachtrag zum Vortrag "'The Federation' Freie Alternativen zu Facebook und Co."

2016-05-29 Diskussionsfäden Ricardo Wurmus

Erik 'egnun' Grun  writes:

> Hallo Liste,
>
> vor wenigen Wochen hielt Fellow Tobias auf dem Berliner
> Fellowship-Treffen einen recht interessanten
> Vortrag zu Freien, sozialen Netzwerken.[1]
>
> Dazu wollte ich als Nachtrag noch diese beiden Artikel hier posten.
>
> Der erste Artikel handelt davon wie Facebook Filterbubbles bei
> seinen (amerikanischen) NutzerInnen erzeugt und dadurch potenziell
> (politische) Meinungen beeinflusst.

Hier gibt’s noch etwas mehr zu diesem Themenkomplex der unmerklichen
Beeinflussung:

  
https://aeon.co/essays/how-the-internet-flips-elections-and-alters-our-thoughts

~~ Ricardo

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Re: Golem: "Keine freie Software: Cryengine ist öffentlich auf Github verfügbar"

2016-05-29 Diskussionsfäden Andreas K. Foerster
On Sun, May 29, 2016 at 08:57:04AM +0200, Tobias Platen wrote:

> Richard Stallman hat vor 1983 ja auch Software ohne zu fragen genommen und
> diese auf andere Rechnerarchitekturen portiert. Faktisch war diese Software

Ich halte diesen Gedanken für sehr gefährlich!
Wir müssen heute durchaus damit rechnen, dass wir Gegner haben, die bereit
sind, uns Fallen zu stellen. Das „Recht“ wäre dann auf deren Seite.

Beispiel: Jsva ist doch freie Software, oder? Kann man also gefahrlos
dessen API benutzen? Offensichtlich nur, wenn man sich so teure Anwälte
leisten kann wie Google; und auch dann ist der Ausgang des Vefahrens
nicht immer eindeutig...

-- 
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Re: Golem: "Keine freie Software: Cryengine ist öffentlich auf Github verfügbar"

2016-05-29 Diskussionsfäden Dr. Michael Stehmann
Hallo,

"faktisch frei", "quelloffen, aber unfrei", "Erosion des Urheberrechts"
usw., sind Gedanken, mit denen wir uns zwar auseinandersetzen müssen,
aber auch können, denn sie sind nicht neu.

1. Zu "faktisch frei"

s. hierzu z.B. https://people.debian.org/~bap/dfsg-faq.html 9. A c. "The
Tentacles of Evil test"

2. Zu "quelloffen, aber unfrei"

Dies ist lediglich ein Beleg für die "alte" Kritik am Begriff "Open
Source Software", der eben wegen seiner Missverständlichkeit missbraucht
werden kann.

3. Zur "Erosion des Urheberrechts"

Zur Kritik am Urheberrecht hat vieles beigetragen und sicherlich kann
man dort auch über vieles diskutieren (z.B. über die Länge der
Schutzfristen oder das Abmahnunwesen).

Genauso klar ist seit langem. dass zur Durchsetzung von Copyleftlizenzen
der Schutz des Urheberrechts benötigt wird.

Also alles nichts Neues.

Gruß
Michael




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Re: Golem: "Keine freie Software: Cryengine ist öffentlich auf Github verfügbar"

2016-05-29 Diskussionsfäden Tobias Platen



On 05/29/2016 06:36 AM, Erik 'egnun' Grun wrote:

"Keine freie Software: Cryengine ist öffentlich auf Github verfügbar"

"Der Quellcode der Cryengine ist nun auf Github für alle zugänglich.
Hersteller Crytek will damit den Spieleentwicklern entgegenkommen. Freie
Software ist die Engine aber nicht." [1]


So, der Quellcode der Cryengine ist nun auf Github, aber steht nicht
unter einer Freien Lizenz.

Das erinnert mich an einen Blogpost, den ich vor kurzem gelesen habe.[2]

Darin geht es um Projekte, die ihren Quellcode (auf Github) hochladen,
aber (bewusst) keine Freie Lizenz angeben.
Dadurch, so beschreibt der Autor,
würden bestehende Urheberrechtsgesetze weniger relevant,
da sich die Leute weniger darum kümmerten.

Zitat:

"[…] What I am trying to say is that you don't have to be a devoted
anarchist to not add a license to your project. You can as well be too
lazy to do so. But in both cases, the effect is the same: The law
becomes less relevant. […]"

Dadurch wird zwar die Cryengine rein rechtlich nicht mehr Frei,
als sie es jetzt schon ist (nämlich gar nicht),
aber ich finde diesen Gedanken, das Urheberrechtsgesetz
durch Nichtbeachtung einfach "unwirksam" werden zu lassen, ziemlich
interessant.
Nutzer halten sich oft nicht an einschränkende Gesetze und verändern 
Werke ohne Zustimmung der Rechteinhaber (No-CD Crack, Remixe bei Musik).
Wenn dann noch der Quellcode veröffentlicht ist, wird dies noch stärker 
vereinfacht.


Richard Stallman hat vor 1983 ja auch Software ohne zu fragen genommen 
und diese auf andere Rechnerarchitekturen portiert. Faktisch war diese 
Software frei, jedoch fällt diese nicht unter die Free Software definition.




tl;dr:
"In short, licensing Armageddon is nigh."
und
"Therefore, we should take care what mechanisms and policies we are
using. One day, they may become a law."


Viele Grüße

-- Erik


[1]
www.golem.de/news/keine-freie-software-cryengine-ist-oeffentlich-auf-github-verfuegbar-1605-121087.html
[2] (eng) http://250bpm.com/blog:82
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